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“Der Markt soll sich der Kunst beugen – und nicht umgekehrt!” Operation Ton

Musikmessen, Vorträge über Pop, Konferenzen zum Thema Sound … Als Musikjournalist habe ich schon viele davon erlebt – und kann das Erlebte kurz zusammenfassen: “Please kill me!” Allerdings gibt es sie schon, die organisierten Zusammenkünfte, von denen man wirklich was mitnimmt. Operation Ton in Hamburg ist so ein Leuchtturm. Ich war etliche Male zu Gast als Referent beziehungsweise Moderator – und jedes einzelne Mal sehr glücklich darüber. Freitag (03.11.) und Samstag (04.11.) geht es in die elfte Runde. Ich habe es diesmal einfacher denn je, ich führe nämlich ein Bühnengespräch mit wunderbaren Margarete Stokowski. Da blieb mir sogar Zeit im Vorfeld Zeit, ein Interview mit Andrea Rothaug zu machen. Deren RockCity hat’s erfunden und zieht’s durch.

aandrea_wand_1_2016_Web (1)Wie und wann ging es los mit der Operation Ton? Was ist die Grundidee?
2007 ist RockCity angetreten, die Messe-, Festival- und Konferenzlandschaft in der Musikbranche dahingehend zu revolutionieren, dass endlich auch Künstler*innen davon profitieren können. Bis dahin gab es zwar Konferenzprogramme bei Messen, weniger bei Festivals, aber immer saßen Firmenvertreter*innen auf dem Podium, die in ihrer Informationsvergabe auf die Firmenziele beschränkt blieben. Zudem fühlten sich Künstler kaum abgesprochen, verstanden das Vorgetragene nicht oder waren inhaltlich dort schlicht so weit von ihrem Alltag entfernt, dass sie gar nicht erst kamen. Das war die Regel. RockCity wollte ein Format schaffen, dass Themen künstlergerecht aufbereitet, präsentiert und vermittelt.

Im Musikzirkus trifft man immer wieder auf Typenblasen, die die meisten gar nicht als solche erkennen, weil es ja üblich ist, dass so oft letztlich Männer in charge sind. Bei Rock City habe ich das anders erlebt. Wie ist da euer Ansatz?
RockCity übt sich von Anbeginn in der Fertigkeit, beim Denken die Richtung zu wechseln. Mein Ziehvater und Mentor Frank Dostal war Meister in dieser Kunst, die RockCity auch nach seinem Tod im April diesen Jahres beibehalten wird. Im Falle von Operation Ton heißt das, stets mit einer dicken Nadel verschiedenste Blasen aufzustechen, das Wasser in Eimern zu sammeln, zusammenzugießen, neue Zutaten hineinzugeben und zuzuschauen, was geschieht: Information, Inspiration, Irritation ist gemeinhin das Ergebnis einer solchen Aktion, im Ergebnis genau das, was Operation Ton #11 ausmacht! Hierbei gezielt auf den 50% Anteil von Männern zu achten, ist uns Gewohnheit und Anliegen.

Es erscheint smart, dass ihr nicht dezidiert als feministisches Kollektiv und Projekt auftretet, um so auch die damit einhergehende Nische zu vermeiden, in die man dann schnell gesteckt wird. Ist das Taktik?
Nö, wir sind ja kein dezidiert feministisches Kollektiv. RockCity ist für alle da und das wird so bleiben. Doch da, wo Blasen zum Platzen zu bringen sind, tun wir das – ob nun Gender-, Verwerter, Kultur-, Polit- oder Wissensblasen. Für uns steht im Mittelpunkt immer die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Künstler*innen. Diese müssen sich nicht dem Markt anbiedern, sondern der Markt sollte sich der Kunst unterwerfen. Okay, vielleicht nicht immer, aber häufig.

Begegnen euch trotzdem in eurer Arbeit immer auch wieder Vorurteile oder wird Operation Ton als das wahrgenommen, was es ist? Ein lebendiger Kongress für junge Musikschaffende?
Vorurteilen begegnen wir natürlich überall, ob bei Branche oder Kunst, Mann oder Frau. Auffällig hierbei ist, dass auch Musikschaffende sich ihre Antworten gern selbst geben. Hier zu sagen: “STOP IT, geh da hin und lass es einfach mal so reinrieseln” ist gar nicht so leicht. Aber jeder, der uns besucht hat, sagt anschließend: “Wahnsinn, das war Inspiration pur!” Ein bisschen Mut gehört halt immer dazu!

Was ist euch denn in all der Zeit als besonders nachhaltig auf der Operation-Bühne in Erinnerung geblieben?
In elf Jahren Operation Ton gab es so viele Wahnisnns-Erlebnisse, dass hier keine Auswahl getroffen werden kann, die der ganzen Sache gerecht würde. Als die halbe Manschaft wegen Vulkanausbruch nicht konnte, als Dieter Meier von Yello mich fragte, ob er jetzt immer kommen dürfe, als H.P. Baxxter Frank Spilker für seine eingeschobenen Relativsätze bemitleidete, als Andy Strauss und Judith Holofernes während der Performance einen Lachkrampf kriegten oder 200 Menschen gemeinsam laut das Jodeln lernten! Das alles sind elf Jahre Operation Ton, genau dafür machen wir den Zauber.

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Im Vordergrund (“Das ist unser Haus”) Operation-Ton-Moderator Cosmic DJ, Ex-Fishmob. Foto: Tim Rosenbohm

 

Welchen Künstler, welche Künstlerin würdet ihr gern noch mal für euch gewinnen?
Lass mich kurz nachdenken… Aurora, Malaria, Blondie, Kraftwerk, Blixa Bargeld, die Masseurin von Lady Gaga, DJ Hell, Gregor Gysi, Sebastian 23, Sybille Berg, Moe Tucker, Stromae, Florence Welch, Gabi Delgado, Hape Kerkeling,
Dieter “Thomas” Heck, St. Vincent, Rolf Zuckowski, Jan Delay, Coco Rosie, Mulatu Astatke, Baccara, Gudrun Gut, Marina Abramovic… noch mehr?

Nein, dieses Ensemble sollte erstmal für paar Jahre reichen! Was soll denn dieses Jahr anders laufen als in den Ausgaben davor?
Dieses Jahr verkleinern wir uns lokal entgegen dem Trend, alles immer fetter zu machen. Dabei ist der Resonanzraum im Bunker an der Feldstraße genau das, was er sein soll: Resonanzraum statt Echokammer. Außerdem lautet das Motto “Killing Me Softly” – und stellt einen Ansporn zum Aufbruch dar, wider das ewig komatös Gleiche da draußen! Uns ist boring und wir beanspruchen das andere für uns. Das können auch die Musikschaffenden mal für ein Weekend tun: Nicht nach dem Markt schielen, sondern das Fremde suchen, ausbuddeln und reinschaufeln in den Hirnbelly. Schon von Weitem werdet ihr es hören: Timo Bark mit Dudelsack und Schalmeien lockt Euch aus euren Netflixhöhlen!

Operation Ton #11. Festival für musikalische Zukunftsfragen
– 03.11.-04.11.2017
– resonanzraum (Uebel & Gefährlich, Terrace Hill, Hamburg School of Music, SAE Institute Hamburg, Just Music) – Tickets unter: www.operationton.de
– Mit unter anderem: BOY, Enno Bunger, MINE, Michelle Leonard, Tim Neuhaus, Kat Frankie, Sven AmtsbergJenni Zylka, Milli Dance (Waving The Guns), Pöbel MC, Leila Akinyi. Margarete Stokowski, JaKönigJa, Doctorella feat. A Duet of amplified Sewing Machines, Dream Nails (UK)

 

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