Die MischMasch-Charts 2015

So kaput war 2015 – Hitparade Teil 1

Christina Mohr 

Mohr

Zuhause bei: Mohr.

Bin mir nicht sicher, ob ich die Aufgabenstellung richtig verstehe: 25 Nennungen pro Spiegelstrich? Oder 14 : 25? Und irgendein Bild? Puha, da hilft nur freestylen, glaube ich. Also los geht’s.

Ausstellungen
Jedes Jahr kriege ich zu Weihnachten von einer wohlmeinenden Verwandten eine MuseumsUferCard geschenkt (für Nicht-FrankfurterInnen: Jahreskarte für alle Frankfurter und Offenbacher Museen), also totaler Luxus. Vor allem aber das Gefühl, dass man (= ich) jederzeit in jede beliebige Ausstellung gehen kann, wenn ich will und Zeit habe. Ihr erkennt das Problem. Am Jahresende dann das Fazit: Zweieinhalb Ausstellungen angeguckt, den Preis der Jahreskarte höchstens zu einem Achtel „ausgenutzt“.
Sehenswert fand ich trotz dieser ernüchternden Erkenntnis:
– „Neue Wilde“ im Städel,
– Daniel Richter in der Schirn,
– Sturm-Frauen in der Schirn (habe ich noch nicht angeschaut, aber: die alte MuseumsUferCard gilt noch, die neue kommt bestimmt)

Alben
Meine Top-10 (aus der Spex abgeschrieben)
1. Roisin Murphy “Hairless Toys”
2. Courtney Barnett “Sometimes I Sit and think, sometimes I just sit”
3. Sleater-Kinney “No Cities to Love”
4. Algiers “Algiers”
5. Holly Herndon “Platform”
6. FFS “FFS”
7. A Tribe Called Knarf “Es ist die Wahrheit, obwohl es nie passierte”
8. Grimes “Art Angels”
9. Jimmy Somerville “Homage”
10. Lana Del Rey “Honeymoon”

Gespräche
– Robert Forster, den ich morgens früh (also deutsche Zeit 9 Uhr, Brisbane 18 Uhr) auf Arbeitgeberkosten angerufen habe und mir wochenlang Sorgen um Telefonrechnung und daraus folgende mögliche fristlose Kündigung machte. Dank Billigvorwahl sehr günstiges Ergebnis: € 0,79 für eine halbe Stunde Australien. Robert Forster schuldet Kaput übrigens noch immer ein Foto seines Hauses, das er im Gespräch versprochen hatte.
– Toll auch Knarf Rellöm, am Telefon in motion: Knarf war fahrradschiebenderweise auf dem Weg zur Kita, um sein Kind abzuholen: “Wie ich mein Fahrrad durch Altona schob. Wie das Telefon klingelte, ich ran ging und Christina Mohr dran war. Wie wir über dies und das redeten, auch über das neue Album von A Tribe Called Knarf…” so etwa.

Songs 
– Hot Chip “Dancing in the Dark”
– Courtney Barnett “Pedestrians at Best”
– Kitty, Daisy & Lewis”Baby Bye Bye”
– Lana Del Rey “High by the Beach”
– FFS “Piss Off”
– Barbara Morgenstern & Justus Köhncke “Übermorgen”
– Stealing Sheep “Not Real”
– Georgia “Kombine”
– Ibeyi “River”
– Peaches “Rub”

Ereignisse
Dieses verdammte Jahr 2015 war so voll mit scheußlichen Ereignissen, dass ich a) nicht weiß, womit ich anfangen soll und mir b) angesichts der Weltlage jegliches private Ereignis irgendwie mickrig vorkommt. Also keine Wortmeldung von mir dazu.

Konzerte
Kitty, Daisy & Lewis (März, Schlachthof Wiesbaden), A Tribe Called Knarf (November, Mousonturm Frankfurt), Robert Forster (Dezember, ZOOM Frankfurt)

Moment
Flittchenbar, 6.11.15: Der Südblock-Techniker zeigt mir am Computer-Mischpult (heißt das so?) den Button fürs Nebelmachen – ich setze ihn allerdings nur ein einziges Mal ein (bei „Transmission“ von Joy Division)

Clubnächte
Ihr macht sowas öfter, gell? Also, falls das gilt: Flittchenbar 6.11.2015, Novemberdepression (mit Isolation Berlin und Alexander FestivalHall) – weil’s so ein rundum gelungener Abend war und eine Mini-Kaput-Party obendrein (Reminder für Linus & Thomas: wann kommt die große Kaput-Party?)

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 Aida Baghernejad

Aida

Theaster Gates, “Gone Are the Days of Shelter and Martyr”, Biennale D’Arte di Venezia 2015

“In einem Jahr mit mindestens so vielen Höhen wie abgrundtiefen Tiefen, war für mich die Biennale D’Arte di Venezia 2015 das größte Highlight. Ich habe sie jenseits des Eröffnungstrubels im Herbst besucht und eine wahnsinnig umfassende und wichtige Ausstellung gefunden, die es geschafft hat, tatsächlich Außenseitern viel Raum zu gehen, offensiv politisch zu sein und tatsächlich wichtige Fragen zu stellen, anstatt nur Tummelplatz für die Reichen und Schönen zu sein. Für mich hat die Biennale deswegen dieses Jahr alles andere überstrahlt – auch wenn ihre Fragen wahrscheinlich nicht gehört werden, auch wenn sie leider eben nicht zugänglich ist für die große Masse. Okwui Enwezor hat eine relevante Biennale geprägt und es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Ethos weiter im Kunst- und Kulturleben durchsetzt. Die Zeit der Selbstgenügsamkeit und Nabelschau ist nämlich endgültig vorbei.”

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Oliver Tepel

Paris. 2015.

Paris. 2015.

Highlights

  • Charles Aznavour “Avec un brin de Nostalgie”
    Mais à cet age, on oublie. On vit de rêves et d’illusions
  • FKA twigs “M3LL155X”
    Die Hoffnung auf die großen Hoffnungen: Eine Zukunft für die Musik.
  • The Internet “Ego Death”
    Die Erfüllung der kleinen Hoffnungen: aktueller, lebendiger R&B fern der üblichen Klischees seiner Formen und Inhalte.
  • Miguel “A beautiful exit“, “DEAL”, “The valley”
    Drei wilde, euphorisierende Songs eröffnen eine LP, welche als der große Wurf in Sachen R&B + Rock scheint, bis ihr dann komplett die Ideen ausgehen.
  • XYZT, “Les paysages abstraits” Ausstellung  im Palais de la Découverte, Paris
    In einer freien Welt obsiegen in der Dunkelheit Geheimnisse, Verheissungen und Entdeckungen über die Angst.

Songs
– Ibeyi “River”
– Mr. Twin Sister  “The erotic book”
– Jessy Lanza, DJ Spinn & Taso “You never show your love”
– Schonwald “Lux”
– Beach House “Space Song”

Alben 
– Boz Scaggs “A fool to care
– Lower “I’m a lazy son… But I am the only son”
– Helen “The original faces”
– Lianne La Havas “Blood”
– Kelela “Hallucinogen”
– Nao “II – MMXV”
– Sexwitch “Sexwitch”
– Tropic of Cancer “Stop Suffering”

Ausstellungen
– Lili Dujourie “Folds in time”, SMAK, Gent
– Claus Richter “Salve Monstrum“, Simultanhalle, Köln

Magazine
– Jungle World, “No. 48, 2015”
– Volt, “No. 17”
– Encens,  “No. 34”

Bücher
– Christine Wunnicke “Der Fuchs und Dr. Shimamura”
– Nikolaus Heidelbach “Rosel von Melaten”

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Thomas Venker 

Vulkan

Smoke

Highlights

  • Rundreise durch Japan
    In vier Wochen von Tokyo bis Kagoshima – mit einem echten Vulkanausbruch zum Abschluss.
  • Klimaverhandlungen COP21 in Paris
    Zwei Wochen in Paris die Klimaverhandlungen im Auftrag von Kaput, Brot für die Welt und Klimaretter verfolgen zu dürfen, war ein Erlebnis, das ich bei all den negativen Einsichten, die dabei auch rumkamen, nicht missen will.
  • Einmal um Cordoba herum mit Gabi Delgado
    Ein absoluter Traumauftrag: Gabi Delgado in seiner Heimatstadt besuchen, um für die eine Hälfte der Deutsch Amerikanischen Freundschaft (DAF) die Liner Notes zu seinem zweiten Soloalbum “2” zu schreiben – und spontan einen Kaput-Film zu drehen.
  • Einmal um Köln herum mit JUB
    Im Auto mit Jens-Uwe Beyer durch Köln und Umgebung für den Kaput-Videobeitrag.
  • Kamasi Washington
    Ein Gespräch über Sun Ra, John Coltraine, Pharaoh Sanders und den nie enden wollenden Alltagsrassismus in Amerika.

Alben
– Kendrick Lamar “To pimp a Butterfly”
– Visionist “Safe”
– Holly Herndon “Platform”
– Fanal “Fanal IV”
– Dr. Dr “Compton”

Songs
Let there be dancemusic all night long: https://playmoss.com/en/kaput-magazin-fur-insolvenz-pop/playlist/dancing-to-this-beat-called-2015

Gespräche
– Mit Nick Höppner und John Stanier im Ostgut Ton Büro über den Status Quo von Techno und Nicks wunderschönes Album “Folk” diskutiert.
– Gemeinsam mit Yannis Phippakis, Jimmy Smith und James Ford (Simian Mobile Disco) im Verlauf mehrerer Gespräche für den Musikexpress die Soundtiefe von “What Went Down” zu ergründen versucht.
– Floating Points für den Musikexpress beim Philosophieren über den Zusammenhang zwischen Neurowissenschaften und Soundgenese zugehört.

Konzerte
– CTM Festival, Berlin
– Atonal Festival Berlin
– Battles im Berghain, Berlin
– D´Angelo im Tanzbrunnen, Köln
– Loop Event von Ableton, Berlin
– Primavera, Barcelona
– Takashi Wada und Roland Wilhelm im ehemaligen Kraftwerk Studio Kling Klang in Düsseldorf
– Oya Festival, Oslo
– Privatkonzert der japanische Produzentin Kyoka in ihrem WG-Zimmer – leider erblickte der Beitrag dann aufgrund künstlerischer Differenzen nie das Monitorlicht von Kaput.
– „Novemberdepression“-Abend in der Flittchenbar am Südblock mit Isolation Berlin, Alexander´s Festival Hall und DJ Christina Mohr.
– Claus Richter und Alexander´s Festival Hall im Smaragd, Berlin.

Ausstellungen
– Florine Stettheimer im Lenbachhaus, München.
– Kuniyoshi, “Demons of print”, Petit Palais, Paris
– Jon Bock, Kölnischer Kunstverein
– Claus Richter, Simultanhalle Köln

Clubnächte
– Lena Willikens, „Phantom Delia“ Releaseparty im Salon des Amateurs, Düsseldorf.
– Helena Hauff / Lena Willikens / Camp Inc., Olympia Festival, Köln.
– Function, Closing Set, 28.6./29.6., Berghain, Berlin
– Derrick Carter, Jaeger, Oya Festival, Oslo
– Mark Ernestus, Open Source Festival, Düsseldorf
– Zweite Hälfte des Sets von Omar S im Heinz Gaul, Köln.
– PAN & Blackest Ever Black, 30. Oktober, Berghain, Berlin (vor allem Prurient und Regis).
– Helena Hauff, Studio 672, Köln.

Sonstiges
– Aufführung von „Nelken” von Pina Bausch im Tanztheater Wuppertal.

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Claus Richter

claus richter

Unser Kolumnist in Action.

Was mich 2015 erfreut hat:

– Mykki Blanco
– Zebra Katz
Le1f
– Cosima von Bonin Ausstellung im mumok Wien.
– „Tanz auf dem Vulkan“ im Ephraim Palais Berlin.
– Nelson Sullivans Videoarchiv auf youtube.
– Nasir Mazahr
– KTZ
– Högni Egilsson (HE)
– Quinta da Regaleira in Sintra, Portugal.
– Grace Jones
– Sophie Täuber Arps Marionetten im Schaulager Zürich, Schweiz.
– Video: Ariel Pink „Dayzed in Daydreams“
– Keramiken von Rafael Bordalo Pinheiro
– Namban Folding Screens im Museu Nacional de Arte Antiga
– Tunde Olaniran
– Lumpenball „Die laaaange Ent“ im Kölnischen Kunstverin
– Lego Creator Expert Bausätze Partisan Restaurant und Detektive´s Office
– Lena Willikens
– The Brutalism Appreciation Society auf Facebook
– Lyonel Feininger / Alfred Kubin – Eine Künstlerfreundschaft, Altes Rathaus Insgeheim

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Abel Auer 

Wolf_Mountains_Action

Wolf Mountains. Leipzig.

  • Album des Jahres: Perigon “Dirty Wellness”   (Sunny Tapes)
    Ein atmosphärischer Keyboardakkord reicht, ein elektrisches Schlagzeug auf das mal sporadisch gehauen wird,  um den 80er-Sound zu evozieren, dazu der bizarre entrückte Gesang von  den Künstlerinnen Anne Pflug und Sabrina Schrat, machmal wird noch die Gitarre monotan geschrammelt, sehr bemerkenswert, wie hier mit primitivsten Mitteln maximaler Effekt an Stimmung, coolem Klang unnd Atmosphäre erzeugt werden. Der Song “From Shops”  klingt wie der Titelsong von einem David Lynch Meisterwerk, das uns ansonsten leider unbekannt geblieben ist. 6 Rohdiamenten, aufs Feinste von Max Riegers Produktion geschliffen.  Ein Kleinod auf Cassette.
  • Musik des Jahres: Troglobatem Festival, 25 und 26 September
    Will noch einer sagen, es gebe keine Underground-Avantgarde-Zusammenhänge mehr –  andere sind bescheidener und sagen Randmusik. Wer will, der kann ja gerne mal die Facebookseite der Veranstaltung besuchen  und sich selber ein Bild machen. Die dazu erschienene  Doppel-Casseten-Compilation hättet ihr jetzt verständlicherweise gerne , ist aber leider vergriffen .
  • Song des Jahres: Momus “The Art Creep”
    Der Hit des insgesamt sehr guten neuen Momus Albums “Glyptothek”,  meine Lieblingssong von ihm aus den letzten Jahren. Textlich ein schönes Selbstportrait, das er in Textform irgendwo auch weiter ausgemalt hat .
  • Ausstellungen des Jahres:  Rachel Reubke im Künstlerhaus Stuttgart und Dorota Jurczak im Etablissement d´en Face.
  • 7-inches: Torben Denver Band “Baltimore” (Selbstveröffentlichung),  Mosquito Ego  / Säulen des Kosmos “Split” (ChuChu Records)
  • Konzerte: Zayk  in Rahmen der “Hot Dogma”-Festivaltour, Friends of Gas im Kunstverein München
  • Folksänger des Jahres:  Richard Dawson
  • Galerie des Jahres: Galerie Claire Lacroix
  • Preis des Jahres: Human Abfall gewinnen M.A.R.S.  (Music Award Region Stuttgart),  mutig würde ich sagen, vor allem wenn man das ultranihilistische neue Material schon kennt. Watch out!
  • Weinverkäufer des Jahres: Jo´s Weindepot in Stuttgart Rot
  • Film des Jahres: der neue “Mad Max”

bin müde mache wann anders weiter….

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Meryem Erkus

Meryem_Rasen

Die Grünen Treppen vom Ebertplatz

Ausstellungen
– Sebastian Thewes, “Permasmile”, GOLD+BETON, Köln
– David Hahlbrock “Subtexture”, GOLD+BETON, Köln
– Ryan Trecartin “Site Visit”, KW Berlin)
– Desearch Repartment, “Academyspace”, Akademie der Künste der Welt, Köln
– Poetics and Politics of Data, H3K, Basel

Alben
– Container “LP” (Spectrum Spools)
– Wilted Woman “Demon World Visit” (Cassette / Stenze Quo)
– Bitchin Bajas and Natural Information Society “Autoimaginary” (Drag City)
– Lil Ugly Mane “Third Side of Tape”

Songs
– Psychedelic Glass Eye “LSD SESSION#3 OF SEPT creating the Time Slip Wall + a Portal Has Opened in the Left Turntable”
– Camp Inc “Der Springer”
– Lena Willikens “Asphalt Cowboy”

Ereignisse
– Einfach mal Tante geworden 🙂
– Der 1. Wahlgang der Parlamentswahlen in der Türkei!

Konzerte
– Colorist, “FEUER & STAHL”,  Kölner Kinonacht
– Bitchin Bajas + DSR-Lines, GOLD+BETON, Köln
– Blood Music, Atonal Festival, Berlin
– Group A, Stadtgarten, Köln

Momente
– Jeandado & Der Schleim live auf dem Kobalde und Liebe Festival
– Albrecht Schrader’s GALERIE DECADENCE mit Gast HADE in der Baustelle Kalk

Clubnächte
– Roman Flügel at Cologne Sessions
– Barnt I+II at Gewölbe
+ of course the blurry ones

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 Dana Bönisch

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La Fabrique

 

Highlights

  • Live: Ash & We Are Scientists im Luxor
    Als Ash ihr erstes Nr.1-Album hatten – „1977”, ich lieh es auf Kassette in der Stadtbücherei aus und war sofort verliebt – waren sie gerade mal 18, ich 14, wir gingen alle zur Schule. Dann, nach etwas chaotischen Zeiten, wurden sie noch viel größer, wir wurden älter, ich sah sie sehr oft von fern auf großen Bühnen, schrieb ein Buch, in dem Tim Wheeler einen Cameo-Auftritt hatte; die Bühnen wurden wieder kleiner, ich machte andere Sachen, Ash machten weiter Musik, und ich war immer noch treu, obwohl oder weil inzwischen Weniges anachronistischer klang. Es war also ohnehin so toll wie merkwürdig, diese Band meines Lebens noch einmal in Köln live zu sehen: Bassist Mark Hamilton macht immer noch diese Spagatausfallschritte, Tim Wheeler spielt immer noch die gleiche Gitarre und trifft immer noch nicht alle Töne, und „Shining Light” funktioniert immer noch. Stephen Hawking hat einfach recht: Lineare Zeit ist eine Erfindung. Noch lieber hätte ich mein Teenager-Ich aber dazugeholt, als wir später im Stereo Wonderland über alte Zeiten geredet und schließlich Weezer-Hymnen gesungen haben. Unglaublich: Fast 18 Jahre habe ich gebraucht, um meine Lieblingsband mal anzuquatschen. Passend dazu Tim Wheelers Abschiedsworte, als Party und Unterhaltung irgendwann gezwungenermaßen vorbei waren: „Schade – aber das Leben ist ja noch lang.”
  • Desaparecidos “Payola”
    Ich tippe mal, dass dieses Album es in keine andere Best of 2015 geschafft hat: Desaparecidos, das politische und laute Nebenprojekt von Conor Oberst, sind quasi das Gegenteil von Joanna Newsom, Father John Misty UND Wanda; „Payola“ ist völlig unsubtil, uncool und unlustig dazu. Oberst macht der chilenischen Kommunistin Camila Vallejo eine Liebeserklärung mit Polizeikessel-Romantik („When teargas falls and bullets fly / I’m gonna stay! right! By! Your! Side“) und hat zu ungefähr jedem politischen Thema 2006 – 2014 einen Song. Aber was soll ich sagen: Ich scheine dieses knarzige Oberst-Tremolo, die Gitarrenwände und die Wut ganz grundsätzlich vermisst zu haben, denn das war mein meistgehörtes Album der letzten Monate, und daneben kam mir alles Andere ein wenig leise und fadenscheinig vor.
  • Jenny Holzer, “War Paintings” im Museo Correr, Venedig
    Wie so oft entsteht die Wirkung dieser Arbeiten durch Wiederholung (im Sinne von Noch-einmal-nachzeichnen und im Sinne von Zurückholen) und durch Vergrößerung: Jenny Holzer, die sich auch in anderen Projekten meistens an der durchlässigen Grenze zwischen Text- und Bildkunst bewegt, malte für „War Paintings“ großformatig z.B. die handschriftlichen Zeugenaussagen von Gefangenen in Abu Ghraib ab. Weil die Bilder des Folterskandals so allgegenwärtig waren und auch zum Lieblingsgegenstand bildtheoretisch-philosophischer Texte wurden (Susan Sontag, Judith Butler und die anderen üblichen Verdächtigen), ist ihr Schrecken ihnen schon quasi extrahiert – hier, in Form eines Textes, den man auch noch mühsam entziffern muss, spürt man ihn aber noch einmal neu.
  • SC Kleingärtner
    Meine Großeltern waren in den 60er Jahren Inhaber einer „Wirtschaft” (weshalb meine Mutter, wie sich erst vor einiger Zeit herausstellte, eine hervorragende Kickerspielerin ist und ALLEINE auf einer Seite gegen zwei auf der anderen gewinnt), und mein Vater hat mich schon als Dreijährige regelmäßig vor ein Malzbier an die Theke „bei Käthi” gesetzt, wo ich neben den Spielautomaten vor allem vom Sparkasten beeindruckt war. Vielleicht fühlt es sich deshalb so folgerichtig an, dass ich jetzt endlich Vereinsmitglied in einem Kneipen-Sparclub bin. Wer nicht weiß, was ein Sparkasten ist: Fragt mal euren kölschen Rentnernachbarn. Wer Die hängenden Gärten von Ehrenfeld nicht kennt, weil er z.B. auf einem anderen Kontinent wohnt: Das ist die Wirtschaft op d’r Eck in super. Es läuft immer gute Musik, es wird getanzt, und zu später Stunde ziehen die Barmänner Matrosenmützen an, spielen Powerballaden und reichen ausgesuchte Schnäpse. Endlich zu Hause!
  • Reading Festival
    Früher waren wir auf Festivals immer neugierig auf die andere Seite des Zauns, vor dem mit verschränkten Armen die Securitytypen stehen. Inzwischen ist klar: Je abgeschirmter, desto langweiliger. In der VIP-Bar stehen die Leute rum und reden, im richtigen Backstage sitzen die Leute rum und reden, und von der Seite der Bühne kann man zwar schön die Menge fotografieren, aber der Sound ist scheiße. Das Highlight war dieses Jahr, dass ich den dicken Sam von Game of Thrones gesehen habe. Danach bin ich dazu übergegangen, so zu tun, als wäre 2001 und ich hätte mein ganzes Erspartes für dieses Ticket ausgegeben: Bei Refused und Ash in die zweite Reihe gedrängelt, bei den Maccabees aus voller Seele gesungen, bei Foals in den Circle Pit mit verschwitzten Zwanzigjährigen. Wer braucht Stehtische, Pässe und unlädierte Füße?

Weitere:
– Buch: Nicholas Mirzoeff “How to See the World”
– Album: Beach House “Depression Cherry”
– Song: FFS “Johnny Delusional”
– Buch: Phil Klay “Redeployment”
– Live: The Notwist beim Weekend Festival, Köln
– Song: El Vy “Return to the Moon”
– Album: Sufjan Stevens “Carrie & Lowell”
– Andere Dinge: Zwei Wochen La Fabrique
– Album: Foals “What Went Down”

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 Michel Leuffen

Nacht5

Drive by Party

– Yugoslav Black Wave Cinema, ubu.com
– Music From Memory
Tolouse Low Trax
– Antinote
– Thelonious Monk
– Willis Earl Beal
– Hunee
– Levon Vincent
– Die Nerven live!
– Re-issues like Mariah: Utakata No Hibi (Palto Flats, Maki Asakawa: s/T (Honest Jon’s), V.A.: (Cease & Desist) DIY! – Cult Classics From The Post-Punk Era (1978-1985) (Optimo Music, Lena Platonos: Gallop (Dark Entries) or Mabrak: Drum Talk (Dug Out).
– An imagination about the life of the German transvestite that Michel Foucault used to date when he was the director of Institut Français/Hamburg in 1959/60 .
– Finding out that people like Elysia Crampton exist.
– “True Detective”, Season 2
– “Fargo”, Season 2
– „Soumission“ by Michel Houellebecq
– Joris K. Huysman
– Luis Ferdinand Celine
– Henry David Thoreau
– “Mon demier soupir“ by Luis Bunuel
– The Hudson at 190 Street
– Andreas Lubitz
– Volkswagen
– Tianjin
– Paris
– Sommer

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 Mesut Gürsoy (Tubbe)

NY_MaxKansas

Past & Presence

Highlights

  • Kraftwerk Konzert Nummer 1 (“Autobahn”), aus der Reihe der 3D-Konzerte in der neuen Nationalgalerie, Berlin.
    Eine selten gehörte Qualität an Sound-Design, völlig up to date. Dazu tolle 3D-Show und die Erkenntnis: die haben alles vorweg genommen, sogar Coldplay.
  • Private Drum-Lesson mit John Riley an der Manhattan School of Music, NY.
    J.Riley: “Now does that sound different to you, when I play it?” – “Uh, yes.” – “Now why do you think is that the case?” – “Uh, ….?” Ich weiß, dass ich nichts weiß. Thank you, Mr. Riley.
  • Mit Tubbe
    im Privatclub, Berlin; auf dem Stemweder Open Air zusammen mit Feine Sahne Fischfilet; auf Tour mit Egotronic.
  • Son Lux im Bii Nuu, Berlin.
    Noch epischer, dynamischer und beeindruckender als letztes Mal. Wie das überhaupt möglich war..
  • Doris Salcedo Ausstellung im Guggenheim Museum, NY.
    “A flor de piel” – der riesige Teppich aus Rosenblättern, der in mühsamer Kleinarbeit gestickt die Leiden einer zu Tode gefolterten Krankenschwester aus Kolumbien symbolisiert,ruft noch immer eine Gänsehaut bei mir hervor.

Ansonsten:
– Haferkater, Boxhagener Strasse, Berlin (Apfel-Zimt-Porridge!)
– Robot Koch “Hypermoment”
– Battles im Berghain
– Roy Hargrove Quintett im Blue Note, New York
– Kieler Sprotten (fest und flüssig)

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Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop: MischMasch 2015
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Katja Ruge  

Ereignis
– Die Entdeckung von “Kepler-452b”

Songs 
– Rita Furstenhof “Hadron Collider”
– New Order “Tutti Frutti”
– Miss Kittin & the Hacker “Leather Forever”

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 Anton Teichmann  

SXSW-Team

Unser Autor am Anfang seiner SXSW-Erlebnisse

“2015 war musikalisch ganz okay. Im Rap/R’n’B-Bereich sind sicherlich einige Meilensteine gesetzt worden, welche ich hier aber mal ausgelassen hab, weil recht klar sein dürfte, worum es sich handelt. Ebenfalls ausgelassen habe ich aus Befangenheitsgründen mal die Musik mit der ich arbeite beziehungsweise veröffentliche, obwohl ich stark daran glaube und sie mit zu dem Besten gehört, was ich dieses Jahr gehört und gesehen habe. Ich habe ziemlich viele Shows besucht, von denen ich die meisten vergessen habe, daher sind die Nennungen unten nur Ausschnitte.”

Highlights

  • Empress Of  “Me”
    “Tollster Pop des Jahres.”
  • Liturgy  “The Ark Work”
    Haben sich mal wieder selbst übertroffen: Anders – aber immer noch abgefahren, immer noch hart.
  • Fenster “Emocean”
    Film, Soundtrack, Liveumsetzung, alles fantastisch.
  • PAN x Blackest Ever Black Nacht im Oktober im Berghain, Berlin.
    Prurient live um 5 Uhr im Berghain. Das hatte was.
  • TOPS Hausshow beim Great Escape Festival im Mai in Brighton.
    Im allerkleinsten Rahmen (Wohnzimmer) wird klar, warum diese Band so gut ist.
  • Dublab Tonalism im Dezember in Los Angeles.
    Eine ganze Nacht voller Ambientsets von Mitgliedern von Animal Collective, Black Dice, Gang Gang Dance, Xiu Xiu und vielen mehr in einem Warehouse in Downtown LA.
  • Diese eine Party beim SXSW
    Irgendwie völlig ahnungslos mit vielen Freunden in einer Millionärsvilla in Austin aufgekreuzt, später betrunken den DJ gespielt und sich mal wie in MTV Cribs gefühlt.

Alben
– Eartheater “RIP Chrysalis”
– Steve Hauschildt “Where All Is Fled”
– LGoony “Grape Tape”
– Fort Romeau “Insides”
– Holly Herndon “Platform”
– Prurient “Frozen Niagara Falls”

Songs:
– Kirin J Callinan “The Teacher”
– Grimes “Flesh Without Blood”
– Foxtrott “Driven”
– Youth Lagoon “The Knower”
– Roosevelt “Night Moves”
– TOPS “Anything”
– Braids “Miniskirt”
– Majical Cloudz “Downtown”

Serie
– “Unbreakable Kimmy Schmidt”

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 Henje Richter

Grimes

Grimes

Highlights

  • CFCF „The Colours Of Life“
    Ein Album wie ein Achtziger-Fernsehsoundtrack, inspiriert von “Hand In Hand” von Phil Collins und produziert auf einem Roland CR-78 Drumcomputer. Klingt erstmal peinlich, ist aber einfach nur schön.
  • Korallreven
    Das elektronische(re) Nebenprojekt von Daniel Tjäder von The Radio Dept. sagte dieses Jahr Hej då. War vielleicht auch besser so, denn das letztjährige zweite Album war eher durchwachsen. Vermisst wird der schwedische Balearen-Pop trotzdem.
  • Vocal Folk
    Aus der elektronischen Musik war 2015 die Luft raus. Selbst Arca klang eher nach Variation von schon Bekanntem. Dafür hatten schöne Gesangsstimmen und klassische Instrumentierung ein Revival (siehe unten.)
  • Webseite: dubtrack.fm
    Nutzer gemeinsam in Chatrooms Musik spielen zu lassen, scheint kein proftitables Geschäftsmodell zu sein. Nach turntable.fm ging dieses Jahr auch plug.dj den Weg so vieler Start-Ups und in die Pleite. Der Nachfolger stand aber schon bereit.
  • Mikael Seifu
    Addis Abeba war zuletzt mit dem Ethiojazz von Mulatu Astatke auf der musikalischen Landkarte vertreten – in den späten Sechzigern. Mikael Seifu verbindet nun elektronische Klänge mit äthiopischen Einflüssen und 2016 erscheint hoffentlich sein Debütalbum auf 1432 R. Meine Hoffnung für 2016.

Weitere:
– Album: Joanna Newsom „Divers“
– Song: Sufjan Stevens “Should Have Known Better“
– Remix: Touch Sensitive „Pizza Boy (Magic Man Remix)“
– Mix: XLR8R 415 Kollektiv Turmstrasse
– Peinlichstes Lieblingslied: Carly Rae Jepsen „I Really Like You“
– Nachwuchs: Natalie Prass “Natalie Prass”
– Überbewertet: Jamie XX “In Colours”
– Video: Drake “Hotline Bling”
– Fernsehserie: Casual
– Film: Whiplash
– Club: Humboldthain, Berlin
– Festival: Øya Festivalen, Oslo
– Liveauftritt: Shlohmo
– DJ: Dixon
– Interview: Grimes

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 Sebastian Ingenhoff

Nacht2

Hyper Hyper

Alben
– Asap Rocky “Long Last Asap”
– Kendrick Lamar “To pimp a butterfly”
– Hieroglyphic Being & J.I.T.U. Ahn-Sahm “We are not the first”

Konzerte
– Inga Copeland / Tolouse Low Trax / Hall&Rauch im Kölner Stadtgarten
– Olympia Festival Köln mit Oracles, Helena Hauff, Lena Willikens, Camp Inc.

Weitere
– Lesung: Stefanie Sargnagel “Die Köln-Lesung”, King Georg
– Film: “B-Movie – Lust And Sound In West-Berlin”
– Fußballkunst: Ibrahima Traoré
– Song: The Schwarzenbach “Leider bin ich tot”
– Film: “Inherent Vice”

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Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop: MischMasch 2015
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 Ben DeBiel

 

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