Week-End #5

1 Frage an: Move D, Ariel Pink, Albert Oehlen, Billy Childish, The Notwist ….

Das von Jan Lankisch und Jörg Waschat veranstaltete Week-End-Festival findet am 20./21. November zum fünften mal in Köln statt.
Für Kaput stellten die beiden Veranstalter (fast) jedem der auftretenden Künstler jeweils eine Frage.

Billy Childish
Du bist seit sechs Jahren nicht mehr live aufgetreten, hast während dieser Zeit aber viele Platten veröffentlicht. Wie kam es zu dieser zweigleisigen Vorgehensweise? Und wie fühlt sich das Bühnen-Comeback im Vorfeld an?
Die Musikwelt hat sich so drastisch verändert seit ich ein siebzehnjähriger Punk war. Für uns ist das Livespielen deswegen so sehr ein Problem, da wir die Backline so ungerne über die PA laufen lassen. Wir treten gerne so auf, wie es die Bands taten, die wir als aufregend empfanden. Leicht machen wir es uns damit nicht, denn als Trio kann man in einem derart rohen Sound nichts verstecken.
Wir mögen Festivals nicht wirklich, moderne Clubs ebenso, und auch der Gedanke, dass uns jemand durch ein Handy sieht, ist nicht der unsere. Man kann also sagen, dass wir nicht so Recht zur zeitgemäßen Idee einer Band passen. Für uns ist Musik eine Kunstform, kein Weg zu Ruhm und einem Vermögen. Wir promoten uns ungern, was heutzutage wohl dazugehört, Bands treten ja sogar umsonst auf.
Wir haben auch keinen Manager, Agenten oder ein Label, das uns sagt, was wir zu tun haben. Ich selbst produziere unsere Platten und treffe alle relevanten Entscheidungen dabei. Ich bin ja nicht nur Musiker, sondern auch Maler – als solcher habe ich es leichter, da ich nicht mit sovielen Menschen Absprachen treffen muss. Aber um auf deine Frage zu antworten: Der Auftritt sollte nicht so schwer werden, solange der Sound okay ist, wird alles laufen.

Ariel Pink
In welchen Song soll der Kölner Chor, der mit Euch auftritt, einen Eurer eigenen Songs überführen?
“Like a Prayer“ von Madonna“

Mustafa Özkent
Derzeit spricht jeder über Ihr lange verschollenes Funk-Meisterwerk »Genclik il elele« aus dem Jahre 1973. Hatten Sie mit einer solchen zweiten Popularitätswelle ihrer Musik gerechnet? Und was ging Ihnen selbst beim erstmaligen Wiederhören durch den Kopf?
Es war nach all diesen Jahren eine komplette Überraschung für mich. Das Album ist ja nur eins von vielleicht 15 Instrumentalalben, die ich damals aufgenommen habe. Insofern habe ich nun wirklich nicht damit gerechnet, dass junge Leute plötzlich ein Interesse dafür entwickeln würden. Als ich die Stücke wiederhörte, war ich zunächst geschockt und mir gar nicht so sicher, dass ich selbst diese wirklich aufgenommen habe.

Jack Name
Welche Bedeutung besitzt der Mond in Ihrem Leben?
Das ist einfach zu beantworten: ich muss das Blut aus der Brust des Monds trinken, um am Leben zu bleiben.

The Pop Group
Wie kam es nach der 35jährigen Pause zum Comeback der Pop Group? Funktionierte die Bandchemie vom ersten Moment an wieder?
Wir nahmen die Instrumente in die Hand und ein Sound-Tornado durchströmte uns. Für uns fühlt sich “LA Reunion” wie ein Golem aus der Hand eines Mittelalterlichen Alchemistens an – zunächst kam es uns wie eine Eroberung vor, mittlerweile ist die Sache aus der Kontrolle geraten. Das Schicksal wollte es so, da die Pop Group für Veränderung steht!

Numero Group
Woran arbeitet Ihr derzeit?
Wir sind derzeit mit einem echten Herzensprojekt beschäftigt. Der Mann hinter der “Circuit Rider”-LP hat uns sein Archiv mit persönlichen Aufnahmen anvertraut, in dem sich neben den Aufnahmen aus der ursprünglichen Session auch noch jene für den eigentlich geplanten Nachfolger befinden. Sie sind geprägt von derselben Realitätsferne, dieser speziellen Obsession für die Abgründe des Lebens, die seinen Outsider-Art-Zugang zur Rockmusik prägen. Mit dem zweiten Album wird der “Circuit Rider”-Mythos auf ein noch bizarrer anmutendes neues Territorium überführt.

Deradoorian
Welche drei Alben haben euch zuletzt am nachhaltigsten beeindruckt?
Andy Bey “Experience and Judgement”
Dorothy Ashby “The Rubaiyat of Dorothy Ashby”
African Scream Contest “Raw and Psychedelic Afro”

Move D
Dein auch aus heutiger Sicht fantastisches Album “Kunststoff” ist vor 20 Jahren erschienen. Es als zeitlos zu bezeichnen, wäre trotzdem unpassend, da es schon 1995 cool und überlegen klang und wenig Interesse an der damaligen Technik zeigte. Das anfängliche Rauschen auf „Sandmann“ empfanden wir als beeindruckend zu einer Zeit, in der Techno und House schon längst Luftdurchlässig war. Haben sich deine Einstellung und die Umstände einen guten Track mit einfachen Mitteln zu machen grundlegend verändert über die Jahre?
Erstmal danke für die Blumen… Wenig Interesse an der derzeitigen Technik gilt heute mindestens so sehr wie damals.
Ansonsten aber auch: Anhand des verwendeten Equipments lassen sich immer Rückschlüsse auf die jeweilige Entstehungszeit ziehen. Das kann charmant sein und teilweise auch religiöse Züge annehmen (Chicago House, 80s HipHop, aber auch in anderen Genres, wie etwa bei Gitarrenmusik), steht meiner Meinung nach aber dem eigentlichen Vorhaben, einen Klassiker zu schaffen, eher im Weg. Ich glaube, dass Zeitlosigkeit vornehmlich damit zu tun hat, sich nicht dem gegenwärtigen Standard unterzuordnen – weder was das benutzte Equipment angeht, noch dem vorherrschenden musikalischen Trend.
“Sandmann” war mein erstes Techno-Stück und ich habe es 1990 im Home Studio meines Freundes Dirk Mantei aka Dman, dem damaligen Betreiber des legendären milk! Clubs in Mannheim aufgenommen.
Es war gerade die Übergangszeit zwischen Spulentonbandmaschinen und DAT Rekordern als Mastering Maschinen – wir besassen weder noch, also wurde auf Compact Cassette gemixt. Das Rauschen war also weniger ein Stilmittel, als ein notgedrungener Nebeneffekt…
Auch wenn ich persönlich den Höhepunkt der Audio-, Studio- und Synthesizer-Geschichte in den 70ern sehe, bin ich kein Technikfanatiker. Kreativität findet ihren Weg, auf Mutti’s PC mit gecrackter Audio Software, auf einem Tablet, im Schlafzimmer mit 4-Spur Kassettenrekorder… das Ergebnis zählt. Und je mehr Authentizität und Persönlichkeit mit transportiert wird, umso untergeordneter die Rolle der die Produktionsmittel beziehungsweise so etwas wie Professionalität.

Albert Oehlen
Du hast vor einigen Jahren mit Leiterwagen Records ein eigens Label betrieben. Gibt es noch Momente in denen du Musik hörst, die dich so begeistert, dass du sie am liebsten selbst veröffentlichen würdest?
Nein. Es gibt so viele schöne Labels.

The Notwist
Werden wir bei Eurem Auftritt neue Songs zu hören bekommen?
Wir haben schon angefangen, an Musik für eine neue Notwist-Platte zu arbeiten, haben aber noch nichts, was wir live spielen könnten. Leider… Unsere Arbeitsweise ist ja (meistens zumindest) so, dass oft nicht gleich ein spielbares Lied dabei ensteht. Das heißt: es existieren bereits viele Skizzen und Loops und elektronische Spielereien, die später in die Kompositionen enfliessen werden, das konzentrierte Komponieren und Aufnehmen findet aber erst nächstes Jahr statt.

Die Vögel
Es ist relativ wenig Musik von euch erschienen. Veröffentlicht ihr bewusst so wenig, quasi als taktisches Statement?
Taktik, na ja. Wir sind eben keine Pizzajungen, die permanent frisch abliefern können. Unser Output ist nicht so groß, wir lassen es gerne lange köcheln – und kurz vorm Abkacken gibt es dann doch noch etwas für den interessierten Hörer.
Zum Beispiel kürzlich unseren ersten, sehr gelungenen Podcast für das englische ID-Magazin mit einigen Edits und unveröffentlichtem Material:

 

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