Record of the Week

Lucrecia Dalt „Anticlines“

RVNGNL47 - DIGITAL COVER - 1500pxLucrecia Dalt
„Anticlines“
(RVNG Intl.)

„Anticlines“ ist bereits das sechste Album der in Berlin lebenden, kolumbianischen Poetin und Elektronikmusikerin Lucrecia Dalt. Dementsprechend spart sie die Phase der vorsichtigen Annäherung aus und tritt direkt eng an ihre HörerInnen heran.

„Edge“, das Stück mit dem das Album beginnt, greift geradezu nach uns, einerseits mit den schleifenden, dröhnenden und nachhallenden Sounds, primär aber mit der unaufgeregt aber bestimmten Erzählstimme von Dalt – der Text des Stücks basiert auf dem kolumbianischen Mythos von El Boraro, einem Amazonasmonsters, das seine Opfer einwabt und aussaugt.

Die Art und Weise, wie Dalt mit Sprache und Artikulation verfährt, erinnert an die PoetInnen der New Yorker Lower Eastside aus den späten 70ern und frühen 80er Jahren, als rund um die No-Wave-Szene um Leute wie Lydia Lunch, Richard Hell und Patti Smith Gedichte gleichwertig neben Songs positioniert wurden, gemein in ihrem Willen, das Fundament einer kranken Gesellschaft zu erschüttern und neue, menschlichere Wege der Zivilisationsschreibung aufzuzeigen.

Dalt verfährt nicht auf allen Stücken des Albums so streng mit ihrem Duktus (zumal manche ganz ohne Worte auskommen, sozusagen als dramaturgische Kommunikationspausen gesetzt), passend zum teilweise luftiger gestalteten Sound, der dann eine südamerikanische Rhythmik entfaltet, entgleiten ihr die Worte auch mal nur gehaucht, oder zittert die Stimme, effektgestützt, was ein bisschen so wirkt, als ob jemand auswendig gelerntes wiedergibt, sich aber nicht ganz sicher ist, ob das gerade auch wirklich passend ist, oder auch als ob eine Signalübertragung hakt – und somit jederzeit passend zu Dalts perspektivreicherer Zivilisationskritik, die sie gleichermaßen aus Science-Fiction-Szenarien als auch aus sehr simplen zwischenmenschlichen Dialogen heraus argumentativ zu entwickeln weiß.
Thomas Venker

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