Record of the Week

Those Who Walk Away “The Infected Mass”

Cover_Those Who Walk Away “The Infected Mass”

Those Who Walk Away 
“The Infected Mass”
(Constellation)
Von der ersten Sekunde an nimmt “The Infected Mass” den Zuhörenden mit auf eine Reise, von der es kein zurück gibt. Alles beginnt mit dem sehr traurigen Opener “After The End”, dessen chorale Soundfläche sich über sieben Minuten in einem endlos anmutenden Raum ausbreitet – bis zu guter letzt nur ein Grundrauschen stehen bleibt und “Before The Beginning” im Anschluss antizyklisch sein Mantra aus einer brummig-dronigen Urmasse Phoenixgleich emporsteigen lässt.

Die Musik des Kanadiers Matthew Patton verleitet dazu, Schlüsselbegriffe wie Minimalismus, musique concrète, Sakrale Musik und Drone zu benutzen, das ist aber nur eine Seite der Greifbarkeit seiner Musik. Die andere sind sein Hintergrund als Filmkomponist (er gewann für seinen Score zu “Speaking In Tongues” einen Emmy Award) und als Kurator des Winnipeg Symphony Orchestra New Music Festival, beides Tätigkeiten, die sehr eng mit der Auseinandersetzung mit Klangräumen verbunden sind.

Für “The Infected Mass”, aufgenommen in seiner Heimatstadt Winnipeg und Reykjavik, verdichtet Patton beide Einflusswolken zu einem geisterhaften Zustand. Er selbst betont den verstörenden Charakter der Kompositionen für das Album und meint damit sein eigenes Unverständnis dafür, dass er aus Sounds Szenarien kreiert, die an existenzialistischer Traurigkeit nicht zu überbieten sind. Es ist das Unverständnis eines Menschen, dem ein so großer Schmerz zugefügt wurde, dass er seine Gefühle nicht mehr aktiv steuern kann, sondern ihnen hilflos ausgeliefert ist – Pattons Bruder starb bei einem Flugzeugunglück. Und so nehmen uns die “First Partially Recollected Conversation” und “Second Partially Recollected Conversation” nicht in das Cockpit einer beliebigen Unglücksmaschine mit, sondern in ebene jene, mit der Matthew Patton einen geliebten Menschen verloren hat. Man kann nur hoffen, dass “The Infected Mass” auch auf ihn so katharsisch wirkt wie auf uns normale Zuhörende.
Thomas Venker


Diese Besprechung erschien ursprünglich in der Print-Ausgabe der Kölner Stadtrevue. 

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