Record of the week

Zwakkelmann “Entschuldigung”

Zwakkelmann
„Entschuldigung“
Hulk Räckorz / Edel

00fasd„Als du den Knecht zum Manne nahmst / nahm ich mir das Geschlecht“ oder „Mein Vater meint, ich wäre schwach / Drum schließe ich mich besser ein / Und höre Mozart, Schubert, Bach!“. Was für satisfaktionsfähige Songtext-Zeilen. Es gibt sicher kaum jemanden, der die Früh-Neunziger Begeisterung für nerdigen Fun-Punk mit MAD-Heft Humor mehr angestachelt hat als die Band Schließmuskel aus Hamminkeln. Ihr Opus Magnum ist dabei deckungsgleich mit dem Höhepunkt des ganzen Genres. Besser als „Sehet welch ein Mensch“ wurde Fun-Punk nämlich nicht mehr.
Auch in meine Diskographie hat sich das mit Rotstift eingetragen, dennoch hielt ich dieses Kapitel sorgsam unter Verschluss – zumindest ab dem Zeitpunkt, an dem ich vom Dorf (Hanau beziehungsweise Darmstadt) in die Großstadt zog. Wollte ich doch, als music guy respektiert werden und nicht als Karl Arsch vom Speicher mit Kaspermucke im Player. Zeit ging ins Land – und der Wille, mich als dieser honorige music guy zu etablieren, ödete mich komplett an. So besprach ich dann auch Ende der Nuller Jahre eine Solo-Platte von Zwakkelmann, der im Fun-Punk noch als Schlafke Wolf und vor allem als Sänger von Schließmuskel unterwegs war. Ich war gerührt von diesem Fossil, das jetzt anscheinend eine Art Punk-Liedermacher geworden war und schulmeisterte sein leicht käsiges Album. Seine Lyrik rieb sich sklavisch am Endreim auf und ordnete diesem Bestreben allzu oft Wortklang und Sinn unter. Im Nachhinein war ich dennoch nicht zufrieden mit meinem hochnäsigen Schmäh. Über die Jahre verfolgte ich nun das seltsam aus der Zeit gefallen wirkende Treiben des dürren Dinos weiter und fand Zugang und Gefallen. Das alles mündet nun in seine erste Platte bei dem Label der ebenfalls veteraningen Band WIZO – und davon möchte ich jetzt künden. Die Kunde muss lauten: Zwakkelmann besitzt noch von dem Furor vergangener Tage. Die Stücke auf „Entschuldigung“ sehen sich erneut durchregiert von der Hegemonie des Reim-Lexikons, aber irgendwie hat er es mittlerweile besser raus oder sich einfach nicht den ersten oder zweitbesten Reim gegriffen, der halt da war, sondern vieles besitzt richtig Style, ja, kann sogar überraschen.
„Verlierer-Dasein“ führt beispielsweise das Zwakkelmann-Credo vom Understatement fort. Das Loser-Sein als Selbstermächtigung: Ja, gut, nichts ist mit Familie, Karriere, Jugend, Reichtum … aber ich habe halt trotzdem noch Bier und finde zwei Freunde, „die mit mir durch die Straßen ziehen“, da kann Johnny Thunders seit Jahrzehnten tot sein.


Zwakkelmann liefert (und ist) einfach ein schönes Narrativ des Hängenbleibens. Wenn nämlich alles andere auch nicht besser ist, warum dann nicht einfach am Tresen sitzen bleiben? Für immer! Barney Gumble bei den Simpsons ist ja letztlich auch nicht weniger als ein Held. Basta. Wobei natürlich das Alter Tribut haben möchte, so musste Hochleistungsraucher Zwakkelmann die Zigarette aufgeben vor einigen Jahren, was er in dem Stück „Meine geliebte Z.“ besingt. Ohne zu klagen nimmt er auch dieses Opfer hin. Ein bisschen Vernunft, kein Vertrauen in Körper und das neoliberale Gesundheitssystem gehören eben auch zum Punk dazu, wenn man 50 ist. “Entschuldigung” besitzt viel von den Solo-Sachen eines Farin Urlaubs, nur ohne diese Distanz, die bei jenem die durchgängige Ironie und der überbordende Genius schaffen. Zwakkelmann wirkt dagegen eher wie dessen verschmitzter Cousin aus dem Ruhrpott, der auch mal weinen kann. Also zumindest wenn es unbedingt sein muss…
Mit dieser Platte hat er darüber hinaus noch den Schlagzeuger (den letzten Begleiter aus der Schließmuskel-Besetzung) verloren, doch es wird immer weitergemacht. Musste sich halt einer via Facebook-Posting-Inserat gefunden werden, das hält den Typen alles nicht auf.
Letztes Jahr hatte ich dann die Gelegenheit, ihn erstmals persönlich zu treffen. Im Rahmen einer Homestory bei den Shitlers in Bochum besuchte ich mit einem Freund eine Wahlkampfveranstaltung von Wolfgang Wendlandt (Die Kassierer) – neben jenen Shitlers trat auch Zwakkelmann auf. Ich bin ja echt kein Anhänger von Bescheidenheit und Authentizität, aber bei dieser Begegnung hätte man es werden können. So bescheiden, leutselig, leicht niedlich und irgendwie lost muss man auch erstmal rüberkommen. Es wirkte fast so, als hätte er Lampenfieber. Bei seinem million’sten Auftritt, oder was? Irrer Typ. Fluffige Platte. Schöne Reime.
Linus Volkmann

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Autor dem Idol seiner kaputten Jugend so nah wie nie. (Foto: Benjamin Walter)

 

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