Ruben Fischer von dem Künstlerkollektiv YRD.Works & Lukas Kretzschmar von der Veranstaltungsreihe Hotel International im Interview

Insight Out, ein „Hybrid zwischen Skulptur und Club“

Kaput-Redakteur Jonas Eickhoff hat sich mit Ruben Fischer (YRD.Works) und Lukas Kretzschmar (Hotel International) über “Insight Out“ unterhalten, das temporär am 6. und 12. Januar in dem Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm stattfand. 

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Photo: Gabriel Poblete

Jonas Eickhoff: Ruben, Lukas, vor dem Hintergrund von “Insight Out” interessiert mich zunächst, was es mit YRD.Works beziehungsweise mit Hotel International auf sich hat? Wie habt Ihr zusammengefunden?
Ruben Fischer: YRD.Works ist ein Künstlerkollektiv aus Offenbach/Frankfurt – bestehend aus mir, Yacin Boudalfa und David Bausch. Wir kennen uns seit unserer Jugend und arbeiten seit einigen Jahren gemeinsam an künstlerischen Projekten. Besonders interessieren wir uns für temporäre Architekturen, für Interventionen – unsere Arbeiten haben eigentlich immer eine soziale Dimension, fordern über durch uns angelegte Nutzungsmöglichkeiten Räume, Perspektiven und Rollen heraus.

Das Projekt “Insight Out” ist in enger Kooperation mit dem Künstlerhaus Mousonturm entstanden, mit dem wir derzeitig in einer zweijährigen Partnerschaft durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert werden. Mit HardWorkSoftDrink und Hotel International haben uns bei der Realisierung von “Insight Out” außerdem zwei Kollektive musikalisch unterstützt, mit denen wir schon im Vorfeld zusammengearbeitet haben und deren Arbeit wir sehr schätzen.
Lukas Kretzschmar: Die Veranstaltungsreihe Hotel International ist aus dem Wunsch und Bedü̈rfnis nach musikalisch heterogenen Abenden entstanden. Wir mögen Bands genauso wie DJs und wir mögen Techno ebenso wie Blues. Wir empfanden es als schade, dass an Clubabenden oftmals nur ein Musikgenre bedient wird. Wir wollten, dass Psychedelic Bands und House DJs nacheinander auftreten, dass Hip-Hop Künstler von Techno DJs abgelöst werden, oder dass eine Free-Jazz Band ein Elektro Set einleitet … Bei unseren Events orientieren wir uns also an unserem Ideal einer Veranstaltung, die versucht vermeintliche Grenzen zwischen Genres und Subkulturen aufzubrechen. Die Hotel International Gruppe setzt sich aus den Mitgliedern Kilian Paterson, Moritz Kretzschmar (aka DJ Neewt) und mir, Lukas Kretzschmar, zusammen.

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Photo: Gabriel Poblete

Insight Out wurde als Hybrid zwischen Skulptur und Club angekündigt, ferner als ein Begegnungsort, als eine Schnittstelle von Raum, Skulptur und Aktion, als eine Intervention.
Ruben: “Insight Out” ist insofern als Hybrid zu verstehen, als dass wir sowohl unsere Anforderungen an einen Club als auch gleichermaßen an eine raumgreifende Installation integriert haben. Für uns war es wichtig einen Raum zu schaffen, der aus beiden Sichtweisen heraus funktioniert. Es war sehr interessant bei “Insight Out” sowohl Gäste zu haben, die vordergründig wegen der Party da waren, als auch andere, die eher eine beobachtende Haltung ein- und die Installation eher konventionell als künstlerische Skulptur wahrgenommen haben.

Ruben, ganz konkret gefragt: Was ist in der Benennung “Insight Out” angelegt? Und wie hat sich das vor Ort abgebildet?
Ruben: Der Name “Insight Out” ist ein Wortspiel, das sowohl mit dem Wortpaar „verkehrt herum“ beziehungsweise mit „Umkehrung“ als auch mit dem Wort „Einblick“ arbeitet. „Verkehrt herum“ bezieht sich hauptsächlich auf die Architektur der Installation.
Zum einen haben wir ganz bewusst die Ästhetik der funktionalen Seite der Skulptur in den Fokus gerückt; man konnte zum Beispiel die Kabel, die Lichtquellen und das Ständerwerk betrachten, also gewissermaßen das Innere eines Clubs. Dinge, die normalerweise in einem Club so gut es geht kaschiert werden, wurden von uns außen inszeniert.
Zum anderen ist es insofern eine Umkehrung gewesen, als dass sich Bar und DJ-Booth im Inneren der Tanzfläche befanden und das Publikum in einem drei Meter breiten Rundlauf um Bar und DJ-Booth tanzte.
Ein drittes umkehrendes Moment: In dem Theatersaal des Mousonturms beobachten sonst eine Mehrzahl von Zuschauern einige Schauspieler auf der Bühne – bei “Insight Out” hat man eher als Einzelner das tanzende Kollektiv von außen beobachtet.
Wir haben mit einer Gaze gearbeitet, die durch die Bestrahlung mit Licht aus einer Richtung blickdicht und aus der anderen Richtung transparent ist. Hier bildet sich das Wort „Insight“, also Einblick, ab – da man von außen in das Innere einblicken konnte, dies aber von innen nicht mitbekam.

In der Veranstaltungsbeschreibung wurde angekündigt, dass Ihr an den Abenden verschiedene Raumdispositive übereinanderlegen wolltet. Ich zitiere:
„Die Blackbox verwandelt sich in einen außergewöhnlichen Erfahrungsraum, in dem sich die Konventionen und Potentiale unterschiedlicher Raumdispositive übereinanderlegen”.
Welche Konventionen und Potentiale saht Ihr mit diesem Raumdispositiven angelegt? Und ausgehend davon weitergefragt: Was habt Ihr Euch von “Insight Out” erwartet? Die Frage geht auch explizit an Dich, Lukas.
Lukas: Wir hatten keine konkreten Erwartungen an dieses Projekt. Als YRD.Works uns gefragt hatten, ob wir Teil des nächsten Projekts sein möchten, war noch nicht konkret geklärt, wie das Ziel des Ganzen aussehen würde. Für uns war insbesondere der experimentelle Ansatz für eine Zusage wichtig, den Ruben, David und Yacin bereits bei vorherigen Projekten gewählt hatten – sie haben zum Beispiel einen Club komplett aus Holz gebaut oder die ersten Offenbacher Seefestspiele mit unseren Freunden von Les Trucs ins Leben gerufen. Diese Art der Vorgehensweise, Projekte zu wagen, deren Umsetzung man sich zu Beginn äußerst schwer vorstellen kann und es dann trotz hohen Aufwands durchzuziehen, das schätzen wir sehr.
Ruben: Wir haben, wie zum Teil bereits dargelegt, bewusst mit gewissen Konventionen gebrochen, hatten nie das Interesse einen normalen Club herzustellen, der den gängigen Seh- und Erfahrungsgewohnheiten entspricht, sondern wollten mit dieser Clubinstallation ein sinnliches und intellektuelles Reflektieren ermöglichen, indem wir die Rollen Beobachter und Beobachteter in einem Clubkontext herausforderten – durch besagte Umkehrungen, durch das Ermöglichen und Verhindern von Einblicken. Damit arbeiten wir in unseren Arbeiten, wie angedeutet, gerne.

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Photo: Gabriel Poblete

Wie habt Ihr “Insight Out” dokumentiert? Wie werdet Ihr es weitergehend aufbereiten? Welche Reflexionsschleifen sind zu Euren anderen Arbeiten angelegt?
Ruben: Wir dokumentieren unser Arbeiten natürlich immer fotografisch. Eine schriftliche Aufarbeitung ist derzeit nicht geplant – dazu sind wir wahrscheinlich auch zu praktisch veranlagt.

Zum Abschluss eine Fußnotenfrage an dich, Lukas: Hotel International spiegelt als Veranstaltungsreihenname eine Haltung zum Clubbetrieb wider, die ich gutheiße. Wie genau kam es zu dieser Namensgebung?
Lukas: Die Idee für den Namen Hotel International stammt von einem sehr guten Freund, dem Gestalter und Illustrator Jan Paul Müller. Er hat mit diesen Worten genau getroffen, wie wir uns eine Veranstaltungsreihe vorstellen und welche Ideen wir den Leuten mit unseren Events vermitteln wollen. Also einerseits steht das International als Synonym für Grenzüberschreitung – dafür, dass für uns „das Genre“ bei der Zusammenstellung des musikalischen Programms eine untergeordnete Rolle spielt. Für uns ist eher wichtig, mit welcher Intensität und mit welchem Attitude der Künstler seine Idee von Musik dem Publikum vermittelt. Ein Gangster-Vibe kann bei Hip-Hop Künstlern zu finden sein, aber ebenfalls bei einem Elektro-, House- oder Technoartist; schräge, interessante Atmosphären können durch Krautrockmusik, aber auch durch neuartige Wave- oder Acid-Tracks entstehen. Dies könnte man jetzt noch weiterführen. Das Hotel gibt dieser Grenzüberschreitung einen Raum und vereint alle Richtungen unter einem Dach.
Andererseits war für von uns von Anfang an klar, dass wir international arbeiten wollen: Unserem Publikum soll die Möglichkeit geboten werden Musik von Künstlern aus den verschiedensten Regionen der Welt zu hören und sich bestenfalls unterhalten und inspirieren zu lassen.
Und, ja, in gewisser Weise steht das Wort international ebenfalls für eine Geisteshaltung, für einen Anspruch sich stets offen gegenüber Unbekanntem zu verhalten.

 

 

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