FJAAK

Willkommen in der Wohngemeinschaft

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Kevin Kozicki (mit Zahnbürste / with Toothbrush), Felix Wagner & Aaron Röbig (Photo: Anton Teichmann)

FJAAK aus Berlin wohnen alle zusammen in einer WG, in der sich auch ihr Studio befindet. Wir haben unseren Autor und Fotografen Anton Teichmann eingeschleust, um gemeinsam mit der Band eine ganz normale Nacht (wenn es denn so etwas gibt) zu verbringen.

Die Wohnung liegt an einer großen Kreuzung in Prenzlauer Berg. Ich bin überrascht, dass hier noch junge Leute wohnen, hat doch die Gentrification ansonsten ganze Arbeit im Viertel geleistet.
Als ich um 21:30 Uhr ankomme, mit einem Sixpack Bier in der Hand als Gastgeschenk, werde ich von Felix Wagner begrüßt, der mir anschließend eine Tour durch die ziemlich große Altbauwohnung gibt. Im hinteren Teil der Wohnung finden wir den Rest der Band vor, samt Mitbewohner und weiteren Freunden auf der Couch sitzend und dabei rauchend, redend und abwechselnd Frauenfußball oder schlechte lokale TV Sender guckend.Ich mache es mir gemütlich und fange an Bier zu trinken. Es folgen lange Gespräche über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Band, die Berliner Clubkultur, ihre Hood Spandau und Vinyl.

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Kevin Kozicki, Aaron Röbig & a friend

FJAAK, das sind außer Felix noch Aaron Röbig und Kevin Kozicki- beim Lesen des letzten Satzes könnte den aufmerksamen LeserInnen auffallen, dass der Bandname eventuell etwas mit den Vornamen der Mitglieder zu tun haben könnte. Richtig, nur dass die Band früher mal zu viert war und noch ein Überbleibsel aus jener Zeit war, als Johannes in der Band war, der später ausgestiegen ist.

Angefangen hat alles 2009 in Berlin-Spandau, Felix und Kevin waren Nachbarn, Aaron und Felix gingen zusammen zur Schule. Ihr erstes Studio hatten sie bei den Eltern im Keller – damals hatten sie zwar noch nicht viel Ahnung von elektronischer Musik, ein wichtiger Ort der musikalischen Sozialisation war dennoch der bis heute existierende Plattenladen Musicland in Spandau, wo Felix auch seine allererste Doppel-Vinyl kaufte: Eine Compilation namens „In The Streets“ mit 8 Tracks für 7€ – da zwei Platten enthalten waren, konnte er sofort mit dem Auflegen anfangen.

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Die Jungs reden viel und gerne, oft auch gleichzeitig. Ich gebe mir Mühe genau zuzuhören und trinke vorsichtshalber weiter Bier. Die meiste Zeit des Abends sitzen wir im Wohnzimmer, zwischendurch steht mal einer auf und spielt eine Platte ab. Ja, Vinyl ist das zentrale Musikformat in der WG. Ein mit abhängender Kumpel der Band (zufälligerweise der Sohn eines bekannten Indielabel-Bosses) fasst die Vinyl-Leidenschaft des Freundeskreises so zusammen: „Andere gehen zum Kotti und kaufen Hero – wir sind süchtig nach Platten“. Der allgemeine Tenor im Raum: „Man überlegt beim Kauf viel länger, ob die Tracks gut sind und ob man das braucht. Außerdem kriegt das Vinyl Kratzer ab, die man beim Auflegen hören kann“ – und das schätzen sie. Ebenso wie die Herausforderung, die Vinyl mit sich bringt, wie Kevin betont: „Bei Vinyl muss man erst lernen aufzulegen, beim Laptop macht das die Technik für dich“. Insofern war es auch keine Frage, dass die ihre eigenen Veröffentlichung, auf Vinyl erscheinen müssen.

Später spielt mir Felix noch weitere Musik von ihm vor, denn neben Techno hat die Band noch ein weiteres Faible: Rap. Felix hat zusammen mit dem Mitbewohner Claus Georg ein noch unveröffentlichtes Deutschrap-Nebenprojekt, das sich auf jeden Fall hören lassen kann. Wir reden eine Weile über deutschen und amerikanischen HipHop, tauschen unsere Lieblingstracks aus, gehört werden Bone Thugs-n-Harmony und der Deutschrapper SSIO.

Als nächstes will ich von der Band wissen, was für sie stilbildende Cluberlebnisse waren, und wie sie dadurch zu ihrem Sound gekommen sind. Früh seien sie in die Innenstadtbezirke Berlins gefahren, um in Clubs zu gehen, etwa das VCF am Alex oder zu Partys im Gleisdreieckspark, bevor dieser saniert wurde. Für die Band haben die Veranstaltungen dort ihr Verständnis von Underground und einem dazugehörigen Sound geprägt, und natürlich wurde das Berghain früh ein wichtiger Anlaufpunkt für sie.

FJAAK haben auch selber Partys in Spandau veranstaltet und dort auch zum ersten Mal aufgelegt, weil sie sonst noch keiner buchen wollte. Diese Open Airs waren sehr aufwendig organisiert, wie kleine Dörfer im Wald, mit professionellem Equipment samt Generatoren und allem, was sonst noch dazu gehört. Das ging trotz der Sichtbarkeit eine Weile gut, bis sie schließlich doch Stress mit den Behörden bekamen – die alte Leier. FJAAK denken gern an diese Zeit zurück, denn sie finden, dass sie Spandau spannender gemacht haben. Ironischerweise, wie die Band anmerkt, ist es nun genau ihr Bezirk, der als erstes Open Airs quasi legalisiert hat.
Ihren ersten richtigen Clubgig haben FJAAK übrigens bekommen, weil sie dem Promoter geschrieben hatten, dass sie in seinem Club „Rekorder” schon mal gespielt haben- was nicht wirklich der Wahrheit entsprach. Es störte ihn aber nicht, und da er mochte, was er, buchte er sie trotzdem schnell einmal die Woche. Früh spielte die Band dann auch ihren ersten Gig im Berghain, ihrem Lieblingsclub, wo sie immer noch regelmäßig auftreten.

Mittlerweile haben wir es nach Mitternacht, da kann man schon auch mal ernsthaftere Themen anschneiden wie beispielsweise die finanziellen Situation. Da FJAAK sehr fokussiert leben, reichen die Gagen zum Leben aus: Geld wird lieber in Equipment als in teures Essen investiert, in Bars oder Restaurants geht die Band so gut wie nie, die Wunschliste an Gear ist nämlich noch lang. Dieses Video, welches vor ein paar Monaten die Runde gemacht hat, zeigt FJAAK’s Technikfaszination auf sehr lustige Weise:
Zur Sicherheit studieren alle aber noch nebenbei: Kevin Wirtschaftsingenieurwesen, Aaron und Felix machen ein Tonmeisterstudium.

Inzwischen ist es 2:30, die Freunde gehen nach Hause und wir sitzen nun zu viert mit Bier in der Hand auf dem Balkon und gucken auf die große Kreuzung. Sie erzählen mir, dass sie seit Oktober 2014 hier wohnen, vorher teilten sich alle ein großes Zimmer. Zu ihrer eigenen Überraschung machen die aktuellen Nachbarn keine Probleme, trotz Studio in der Wohnung. Schön, auch mal solche Geschichten zu hören. Der Prenzlauer Berg ist es geworden, weil die Band zentral und nah an Flughäfen so wie dem Berghain wohnen wollte. Jetzt wirklich.

Ihr Studio kennen FJAAK inzwischen in und auswendig, das sei„wie als wenn jemand im Dunkeln malt“, sagen sie. Da wundert es nicht, wenn sie betonen, wie gut der Workflow innerhalb der Band sei, sie haben alle ähnliche Vorstellungen und wenn allen drei ein frisch produzierter Track gefällt, wissen, sie, dass es geil wird. Am produzieren ist die Band die ganze Zeit, selbst während ich mit ihnen in der Wohnung sitze und wir trinken und reden, wird oft der Laptop rausgeholt und an Ideen gebastelt.

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Langsam wird es Zeit zu schlafen, die drei haben mir freundlicherweise das Gästebett in der Zwischendecke im Flur eingerichtet. Erinnerungen an meine alte WG kommen hoch, ich schlafe trotzdem gut.

Am nächsten Morgen treffen wir uns zum Frühstück in der Küche. Es gibt Kaffee und Kästbrötchen. Die drei müssen bald los, sie treffen sich mit ihren Labelbossen Modeselektor, um ihnen neue Songs vorzuspielen. Ich will wissen, wie es denn zu der Zusammenarbeit mit Monkeytown kam. Die Antwort ist relativ unspektakulär: sie hätten viele Emails an die unterschiedlichsten Labels geschrieben und irgendwann sei Monkeytown eben interessiert gewesen. Es folgte ein steter Fluss neu produzierter Tracks bis es schließlich zu einem Release beim (bald nach 50 Releases eingestellten) Sub-Label 50Weapons kam. Die Maxi hat sich so gut verkauft, dass FJAAK nun an einem Album arbeiten, welches 2016 erscheinen wird. Es solle auch zu Hause hörbar sein, geben sie ihr Arbeitsziel vor, es solle aber auch an die Maxi anknüpfen, die ja sehr cluborientiert ist.

Wir verabschieden uns, nicht ohne uns zu versichern, dass man in Kontakt bleiben wolle. Oft nur leere Worte, hier nicht. Nur wenige Tage später sehen wir uns auf dem Reeperbahnfestival wieder, wo FJAAK zwei gefeierte Sets spielen, besonders letzteres in der Prinzenbar machte unglaublich viel Spaß. Es ist anzunehmen, dass sich der besondere Reiz ihrer Live-Sets schnell rumsprechen wird.

 

 

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