Junior Boys

Härter, aggressiver, aber letztlich immer noch süß klingende Popsongs.

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Photo: Thomas Neukum

Die Junior Boys waren immer so etwas wie ein Musik-Chamäleon. Ob Dubstep, Synth-Pop oder Disco, der Fokus ihrer Alben war immer ein anderer. Auf ihrer fünften Platte “Big Black Coat” bewegen sie sich nun Richtung R&B. 

Jeremy Greenspan ist grad von einem Nickerchen auf dem harten Boden der Büroräume des neuen Junior Boys Label City Slang in Berlin-Kreuzberg aufgewacht und wirkt  tiefenentspannt. Ganz im Gegensatz zu Matt Didemus, seinem musikalischen Partner, mit dem wir uns zum Interview hinsetzen. Matt sieht müde aus und wird im folgenden nicht allzu viel zum Gespräch beitragen, sondern dient als Stichwortgeber und Korrekturinstanz. Wie sich herausstellen wird, entspricht dies auch ziemlich genau der musikalischen Rollenaufteilung der beiden. Jeremy spricht dafür ausgesprochen ruhig und mit eiserner Bestimmtheit.

“Big Blach Coat” ist Euer erstes Album nach einem Vier-Platten-Deal mit Domino Records. Warum seid Ihr zu City Slang gewechselt?
Jeremy Greenspan: Sie wollten uns mehr als alle anderen. Der Vertrag mit Domino war ausgelaufen und wir begaben uns nach den Aufnahmen der neuen Songs auf Labelsuche – City Slang waren sofort davon angetan. Außerdem hatte uns Dan Snaith (Caribou) begeistert erzählt, wie wohl er sich sofort bei ihnen fühlte, als er vor einigen Jahren mit seinem Album “Swim” zu ihnen stieß. Es sind super nette Typen.

City Slang warenvor einigen Jahren dafür bekannt, vor allem Indie-Bands aus den USA und Kanada zu vertreten. Würdet ihr Eure Musik als Indie Pop bezeichen lassen?
J: Auf keinen Fall. Indie ist ziemlich weit weg von dem, was ich so höre und ehrlich gesagt kenne ich mich da auch gar nicht aus. Das war nicht angesagt als wir aufwuchsen. Indie Rock und Punk wurden in Hamilton erst eine Generation nach uns beliebt.
Matt Didemus: In der Neunzigern gabe dafür es eine gute, sehr internationale Underground-Techno- und Dance-Szene in Hamilton.

Wo würdet Ihr Euch denn musikalisch einordnen wollen?
J: Aktueller R&B, HipHop, Dance und New Wave. Gitarren kommen bei mir fast gar nicht vor, allenfalls etwas Heavy Metal. Aber mit moderner Rockmusik kann ich so gar nichts anfangen.
M: Ambient aus den Siebzigern hat auch großen Einfluss auf uns. Allgemein alles mit Synthesizern.

Benutzt Ihr live oder im Studio überhaupt Gitarren?
J: Ich mache manchmal Ambient-Geräusche mit der Gitarre. Aber hauptsächlich nutzen wir Synthesizer, Samples und Drumcomputer. Uns interessiert jede Art von Studiotrickserei. Aber wir spielen kaum etwas mit Instrumenten ein.
M: Wir schränken andererseits aber auch den Gebrauch von Laptops ein, denn das ist live nicht interessant für die Zuschauer. Deshalb schleppen wir immer sehr viel Gerät mit auf Tour.

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Photo: Thomas Neukum

Wie kann man sich Eure Zusammenarbeit vorstellen? Du, Jeremy, wohnst ja in Hamilton. Und du, Matt, hier in Berlin. Wie entstehen Eure Songs?
J: Es gibt elf Songs auf dem neuen Album. Die Hälfte davon habe ich alleine produziert und die andere Hälfte hat Matt in Berlin entworfenen wir haben sie dann zusammen fertig gestellt, als er in Hamilton war. Er bringt dann einige Loops oder Drummuster mit und ich ordne sie in ein Songskorsett ein und füge noch einige Akkorde oder weitere Loops hinzu. Ich arbeite allgemein sehr gerne an schon begonnenen Liedern, denn das fällt mir deutlich leichter als vor dem leeren Blatt zu sitzen. Deshalb arbeite ich auch immer noch mit Matt zusammen, obwohl es zeitlich und räumlich doch nicht einfach ist.

Euer Sound hat sich über die Jahre immer wieder stark verändert. Würdet ihr dem zustimmen?
J: Das ist aus der Innenperspektive schwer zu sagen. Das ist wie mit alten Fotos, auf denen man sein früheres Ich nicht mehr ganz identifizieren kann. Lass es mich so sagen: Unsere Ansätze haben sich nicht verändert, aber unser Arbeitsprozess sehr wohl. Das liegt an den Veränderungen in unserem Equipment. Wir lassen uns von unseren Instrumenten treiben.
M: Die Geräte, die Du benutzt, haben einen sehr großen Einfluss auf Deine Musik. Und es ist immer wieder spannend, neue Instrumente und ihre Möglichkeiten auszuprobieren.

Ich kauft also einfach was und schaut dann, was später dabei raus kommt?
J: Du hast es erfasst, genau so funktioniert das bei uns. Du nimmst was mit nach Hause und fummelst daran rum. Diese Spielerei nehmen wir auf und machen einen Song draus. Das quasi ist unser Arbeitprozess.

Wo würdet Ihr das neue Album denn in Eure Diskographie einordnen?
J: Es ist ein wenig eine Rückkehr zu unseren Ursprüngen. Auf dem neuen Album gibt es wieder mehr Neunziger-Techno und Industrial-Zeugs. Aber auch wenn es härtere Klänge gibt, bleiben wir doch im Rahmen dessen, was die Junior Boys ausmacht. Aggressiver als zuvor, aber letztlich immer noch süß klingende Popsongs.

War das Eure Absicht: Süß klinge Popsongs zu machen?
J: Es war nicht unsere Absicht. Es ist einfach das, was bei uns rauskommt.
M: Selbst wenn wir versuchen, etwas anderes zu machen – irgendwas zieht uns immer wieder dorthin zurück.
J: Manchmal versuchen wir, richtig hart und aggressiv zu sein – und dann packe ich den ersten Akkord drauf, und schwupps, ist es melancholisch oder süß. Das können wir nicht ändern, das ist halt, wie wir klingen. Aber wir versuchen immer, musikalisch ungewöhnliche oder unangenehme Entscheidungen zu treffen. Wenn sich etwas komisch anfühlt, ist es meist die richtige Wahl.
M: Denn genau so funktionieren Experimente. Wenn Du immer nur machst, was sich richtig anfühlt und von dem Du weißt, dass es klappen wird, dann bleibst Du am Fleck stehen.

Aber Ihr habt schon eueren typischen Klang.
J: Sicher.
M: Aber als Ergebnis von Experimenten.
J: Wenn wir besser darin wären, so zu klingen, wie wir eigentlich wollten, dann würden wir auch anders klingen. Aber das können wir nicht. Wir können nur wie wir klingen, ganz egal, was wir versuchen. Das ist keine Absicht, sondern gewissermaßen unsere Natur. Wir versuchen aber immer wieder etwas Neues zu machen.

Und was war diesmal der musikalische Plan?
J: Auf dem neuen Album war der Fokus auf R&B. Aber wenn Du mir sagen würdest: “Jeremy, schreib mir einen R&B-Song”, dann würde sich das nachher trotzdem nach einem Junior Boys-Lied anhören, wie sehr ich mich auch bemühe. Das muss ich so akzeptieren.

Jeremy, Du hast die letzten Jahre viel mit Jessy Lanza gearbeitet. Liegt da der Grund für die neue R&B-Richtung bei Euch?
J: Sie hatte mit Sicherheit einen großen Einfluss auf mich. “Pull My Hair Back” war das erste Mal, dass ich ein ganzes Album mit jemand anderem als Matt aufgenommen habe. Und als das Album ein Hit wurde, hatte ich plötzlich ganz neue Perspektiven.

Du hast Dich mit ihrem Album aber recht weit vor Eurem Sound entfernt.
J: Das lag halt an Jessy. Jede Beziehung, ob musikalisch oder anderweitig, unterscheidet sich von der nächsten. Mit Matt klinge ich anders als mit Jessy. Aber was ich dort gelernt habe, habe ich dann bei den Junior Boys eingebracht. Und weil Jessys Album so erfolgreich war, hatte ich auch keinen finanziellen Druck, ein neues Junior Boys-Album heraus bringen zu müssen.

… aber Du wolltest.
J: Genau. Aber wir konnten uns so viel Zeit lassen, wie wir wollten. Eben weil Jessy so erfolgreich war, und ich dadurch auch.

War das etwas Neues für Euch, keinen Druck zu haben?
J: Versteh mich nicht falsch: Domino hatte uns vorher auch einen Druck gemacht…
M: Aber wir hatten eben… Verpflichtungen.
J: Wenn wir immer noch in dem Deal wären, dann wäre wohl schon vor zwei Jahren ein Album von uns erschienen. Aber es wäre nicht das Album gewesen, das wir machen wollten.

Ist dies denn das Album, das Ihr machen wolltet? Schließlich hast Du gerade gesagt, das Ihr oft versucht, etwas ganz anders zu machen und doch immer wieder in den Junior Boys-Sound zurückfallt.
J: In unseren Ohren ist dieses Album anders als die Vorgänger, denn wir hören all die kleinen Details. Kann sein, dass es sich für alle anderen einfach nach Junior Boys anhört. Zumindest, so lange sie uns nicht schon sehr lange kennen – dann werden sie den Unterschied mitkriegen. Es sind gewisse Songs auf dem Album, die härter und düsterer sind als zuvor. Die etwas unfertig klingen und Störgeräusche haben, die ich früher rauspoliert hätte, oder gepitchte Gesangspuren. Die Entscheidung für solche Sachen war für mich doch ziemlich radikal.

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