Stereo Total

“Wir sind kein Mainstream, wir haben immer noch Undergroundflair.”

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Stereo Total, in einem Jodorowsky Moment – Photo by Sim Gil.

Die sexy Hitmaschine aus Berlin-Kreuzberg ist zurück – naja, weg waren Stereo Total ja eigentlich nie. Wenn Francoise Cactus und Brezel Göring gerade kein neues Album draußen haben, machen sie eben Filmmusik oder Theaterstücke. Oder begleiten obskure Produktionen wie den „Ernst-Neger-Komplex“ im Frankfurter Mousonturm, wo Brezel Göring unlängst als Conferencier fungierte (Francoise: „Ich weiß auch nicht, was er da macht.“).
Die neue Platte „Les Hormones“ (Staatsakt) klingt jedenfalls schon wieder so überschäumend wild und verrückt, als hätten Stereo Total nicht schon satte 23 gemeinsame Jahre auf dem Buckel.

Lauter Hits sind drauf: „C’est mon secret“, „Adieu Sophie“, „Docteur Love“ und natürlich die Single „Zu schön für dich?“, die auf stereototale Weise den aktuellen Selbstoptmierungs- und Beautywahn aufs Korn nimmt – und den wundervollen Begriff Pampelmusenbusen ins Pop-Vokabular einführt.
An anderer Stelle erteilen Cactus und Goering subversive Benimmregeln („Halt deine Kerze gerade“), wie immer gibt es Stücke in verschiedenen Sprachen (diesmal: deutsch, englisch, französisch, japanisch), die im unverwechselbaren Elektro-Rock’n’Chanson-Mix die Popos zum Wackeln bringen – Zeit für ein Praxisgespräch mit Docteur Love/Doktor Kaktus, die zum Zeitpunkt unseres Telefonats schwer erkältet ist: Francoise Cactus ist trotzdem blendender Laune, hustet und lacht abwechselnd. Ihre Tipps bei Erkältung: Badewanne, Ingwertee, ayurvedischer Atemtee. Bon rétablissement!

Euer neues Album heißt „Les Hormones“ – kämpfen Stereo Total jetzt mit den Wechseljahren oder seid ihr noch in der Pubertät?
Francoise Cactus: Haha! Beides, würde ich sagen! Natürlich sind wir inzwischen ein bisschen älter geworden, aber wir haben immer noch Lust zu spielen!
Zum Albumtitel gibt es eine wahre Geschichte: Als ich ein junges Mädchen war und noch im Burgund lebte, hatte ich eine Band mit drei Jungs. Wir nannten uns Les Hormones – damals, Anfang der 1980er Jahre, waren Hormone total angesagt. Überall war die Rede von Hormonen: Im Wasser, im Schweinefleisch, in Tabletten sowieso. Ein prima Bandname, fanden wir. Ich spielte Gitarre. Dann fuhr ich für ein paar Wochen in Urlaub, und als ich zurückkam, hatten mich meine Bandkollegen ersetzt – durch einen anderen Jungen! Sie wollten unter sich sein, die glaubten, dass Mädchen nicht Gitarre spielen können! Ich war empört, und zog ja dann etwas später nach Berlin. Aber ich habe immer noch Kontakt zu ihnen, also mit denen, die noch leben. Einer ist leider schon gestorben.

Auf „Les Hormones“ sind wieder einige Tracks auf japanisch – woher kannst du eigentlich so gut japanisch?
Ich kann gar kein japanisch – ich schreibe die Texte auf deutsch und eine Freundin übersetzt sie dann für mich. Ich schreibe die Worte dann in Lautschrift auf, damit ich den Text singen kann. Japanisch klingt immer ein bisschen sexy, finde ich.

Stereo_Total-Beach_LoveUnd in welcher Sprache singst du am liebsten über Liebe und Sex?
Auf deutsch! Das glaubt einem natürlich niemand, aber ich finde deutsch wirklich außerordentlich gut geeignet, um über Sex zu singen. Aber nur auf deutsch zu schreiben und zu singen, wäre uns zu eng.

Ihr seid ja auf der ganzen Welt erfolgreich, vor allem in Asien – was glaubst du, woran das liegt?
Ich glaube, weil wir nicht so glatt und geleckt klingen. Wir sind kein Mainstream, wir haben immer noch Undergroundflair. Das gefällt den Leuten, überall. „Liebe zu dritt“ zum Beispiel ist inzwischen schon in sechs oder sieben Sprachen veröffentlicht worden. Und wir haben ja mal ein ganzes Album auf spanisch aufgenommen („No Controller“), wir sind also sowieso eine internationale Band.

Vor zehn Jahren hattet ihr Fred Bigot alias Electronicat als Support- und Begleit-Act auf Tour dabei – ich erinnere mich an einen total abgefahrenen Auftritt in Frankfurt. Macht ihr mal wieder was zusammen?
Oh, mit Fred sind wir nach wie vor sehr gut befreundet, wir treffen uns oft, aber Musik haben wir schon länger nicht mehr zusammen gemacht. Bei der anstehenden Tour im Frühjahr haben wir Maurice de la Falaise dabei, einen ganz tollen, jungen, mexikanischen DJ.

Ihr macht eine Platte nach der anderen – gehen euch nie die Ideen aus?
Ach was, ganz im Gegenteil! Das Musikmachen wird mit den Jahren immer leichter für uns: Brezel und ich verstehen uns im Studio so gut, das geht wie von selbst. Einer fängt mit irgendwas an, und schon ist ein Lied fertig. Dieses Mal musste mich Brezel bremsen: Er bestand darauf, dass nicht mehr als vierzehn Lieder aufs Album kommen! Und wir haben diesmal keine Coverversion auf dem Album, noch ein Zeichen dafür, dass wir wirklich genug eigene Ideen haben.

Was macht ihr mit den Liedern, die übrig bleiben?
Manche kommen auf Compilations, für die wir angefragt werden…
Aha, dort platziert ihr also euren Ausschuss!
Non non! Ausschuss muss Ausschuss bleiben – den verstecken wir gut. Wir beide sind sehr chaotisch, unsere Wohnung ist voller Kisten und Koffer vom Sperrmüll, und irgendwo da drin sind auch die Lieder, die nicht auf unseren Platten landen. Vieles ist sogar noch auf Disketten oder anderen Datenträgern, für die es gar keine Geräte mehr gibt! Ich sage immer, dass das mal eine große Aufgabe für Geschichtsstudentinnen wird, unseren Nachlass zu sichten… oder unsere Rentenversicherung, wenn wir alle unveröffentlichten Sachen doch noch rausbringen.

Stereo_Total_Badewanne

Zwei Role Models in der Wanne – Photo by Cabine.

Fühlst du dich als Role Model?
Auf jeden Fall! Oui! Oui! Es gibt ja nicht so viele Schlagzeugerinnen… erst vor kurzem sagte mir eine junge Frau von einer Berliner Punkband, dass sie wegen mir mit dem Schlagzeugspielen angefangen hat. Das finde ich toll!

Es gibt euch seit unfassbaren 23 Jahren – kriegt ihr eigentlich auch die Youngsters?
Natürlich – im Publikum sind immer ganz junge Leute. Manchmal kommen Mädchen nach dem Konzert zu mir und sagen, „ich kenne eure Platten von meiner Mutter.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aktuelle Live-Daten:

• 30.03.2016 Dresden, Scheune
• 31.03.2016 Leipzig, Nato
• 01.04.2016 Nürnberg, K4 Zentralcafé
• 02.04.2016 AT – Innsbruck, P.M.K.
• 04.04.2016 AT – Wien, Fluc
• 05.04.2016 AT – Linz, Stadtwerkstatt
• 06.04.2016 München, Strom
• 07.04.2016 CH – Zürich, Exil
• 08.04.2016 CH – Bern, ISC
• 09.04.2016 CH – Basel, Kaserne Rossstall
• 10.04.2016 Freiburg, Jazzhaus
• 11.04.2016 Stuttgart, Schocken
• 13.04.2016 Brussels, Botanique Rotonde
• 14.04.2016 FR – Paris Point Éphémère
• 15.04.2016 NL – Utrecht Ekko
• 16.04.2016 Köln, Gebäude 9
• 17.04.2016 Frankfurt, Mousonturm
• 19.04.2016 Hamburg, Uebel & Gefährlich
• 20.04.2016 Berlin, Lido
• 24.04.2016 Berlin, Lido

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