“Wenn’s ein Lagerfeuer gibt, kann man sich auf uns verlassen” – Nina Kummer im Gespräch
In Chemnitz kann man einem der produktivsten Pop-Clans überhaupt begegnen: Die Kummers. Vater, Mutter, Kinder – alles relevante Künstler*innen, deren Werke sich fast schon überschlagen. BLOND heißt dabei die Band von Nina und Lotta Kummer, die sie zusammen mit Jugendfreund Johann Bonitz seit etlichen Jahren betreiben. Mittlerweile hat den Dreien ihr selbst ausgedachter Disco-Rap-Pop-Punk eine vielversprechende Rolle in der hiesigen Musikszene (zumindest jener mit Coolness-Hintergrund) gebracht. Die feministische Radio-Ikone Mrs. Pepstein hat Nina Kummer nun zum Gespräch geladen. Viel Spaß! Transkript: Alicia Müller.
MRS. PEPSTEIN Ich hoffe, du hast jetzt keinen Magen-Darm-Infekt und ich kann dich herzlich bei Mrs. Pepsteins Welt begrüßen. Hallo!
NINA KUMMER Hallo!
Mir per Telefon zugeschaltet ist jetzt Nina Kummer von der Band BLOND. Wir haben gerade „Las Vegas Glamour“ von euch gehört – ein Song, in dem ihr beschreibt, wie es ist, auf Tour zu sein. Das ist nun aktuell nicht möglich. Eure diesjährig geplante Tour wurde auf 2021 verschoben. Natürlich ist das in Anbetracht der aktuellen Pandemie sinnvoll und verantwortungsbewusst. Aber ungeachtet dessen: Wie traurig seid ihr, gerade nicht auf Tour sein zu können?
Wahnsinnig sehr. Ich kann der Situation wirklich absolut nichts Positives abgewinnen. Nachdem wir ja kurz vorher unser Debütalbum „Martini Sprite“ veröffentlicht haben, waren wir damit sogar noch zwei Wochen auf Tour. Diese 14 Tage waren genauso, wie wir uns das immer vorgestellt haben: Unser erstes eigenes Album, ein Riesenprojekt, an dem wir so lange gearbeitet haben, konnten wir endlich auch live mit den Menschen teilen. Mit Bühnenshow und allem Drum und Dran. Auch der Festivalsommer war komplett vollgepackt mit Auftritten. Und plötzlich kam dieser Einschnitt, vom einen Extrem ins andere, nichts ging mehr.
Nun seid ihr ja auch nicht alleine auf Tour. Welche Menschen waren von all den Absagen noch betroffen?
Auf Tour haben wir immer Ton- und Lichttechniker mit dabei und auch jemanden, der unseren Monitorsound macht. Das alles geschieht hinter den Kulissen. Während wir als Künstler*innen auch fernab von der Bühne präsent sind, trifft das auf Menschen aus der Veranstaltungsbranche eher nicht zu. Clubbetreiber*innen, Catering-Firmen und Merch-Verkäufer*innen sind ohne Tour einfach nicht sichtbar.
Es gibt aber Hoffnung. Vor allem für eure Fans aus Leipzig, denn am 24. September wart ihr live auf der Festwiese in Leipzig zu sehen. Dort haben schon Tina Turner und Michael Jackson gespielt. Was ist das für ein Feeling für euch?
Unglaublich! Man darf jedoch nicht vergessen, dass es ein Konzert ist, welches unter Hygienemaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie stattfindet. Ich bin gespannt, wie es sich anfühlt, vor Menschen zu spielen, die Mindestabstände einhalten und Mundschutz tragen müssen. Denn das passt ja eigentlich nicht mit Tanzen, Feiern und Abgehen zusammen. Das finde ich so interessant, dass ich mir um die Menge noch gar keine Gedanken gemacht habe.

Das BLOND-Konzert ist mittlerweile gespielt worden. Nicht nur Mrs. Pepstein vor Ort war total begeistert.
Für immer zehn Personen, die einander kennen oder aus einem Haushalt kommen, werden Bereiche abgesperrt. Zumindest wird man innerhalb dieses Raums tanzen können. Immerhin was!
Hoffentlich! Denn unser Bühnenset beinhaltet unter anderem Aerobic-Moves, die das Publikum auf jeden Fall mitmachen soll.
Während des Corona-Lockdowns habt ihr auf eurem BLOND-Instagram-Account auch Aerobic-Übungen geteilt. So müssen wir uns das dann auch auf dem Konzert vorstellen?
Ganz genau! Wenn die Leute schon nicht auf unsere Konzerte gehen können, sollen sie wenigstens fit bleiben.
In der Corona-Zeit habt ihr neben Instagram auch noch eine andere Plattform bespielt: Lotta und du habt jetzt einen gemeinsamen, sehr unterhaltsamen Podcast namens „Da muss man dabei gewesen sein“. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, war das schon länger geplant?
Die Idee schwirrte uns tatsächlich schon eine Weile im Kopf, aber wirklich weit entfernt von jeglicher Umsetzung. Aber als wir dann dazu gezwungen waren, unsere Tour abzubrechen und nicht mehr auftreten konnten, war klar: Wenn nicht jetzt, wann dann. Wir hatten plötzlich viel Zeit und wollten eben nicht ganz von der Bildfläche verschwinden. Das Feedback, welches wir daraufhin bekommen haben, damit hätten wir echt nicht gerechnet.
Ihr habt für den Podcast auch immer ein ziemlich cooles, wechselndes Artwork. Macht ihr das selbst?
Ja, das macht alles Lotta. Und Johann macht die Jingles, welche die verschiedenen Kategorien ankündigen, die zwischendurch kommen. Es ist also ein reines BLOND-Projekt.
Und da gehört natürlich auch das Singen dazu – am Anfang singt ihr das Intro ein, oder?
Ja genau! Und es ist immer ein anderes.
Das Thema des Podcasts sind Small-Talk-Topics, die man schnell mal anwenden kann, wenn man beispielsweise einen Gesprächsopener braucht. Ich selbst hab das sogar schon in die Tat umgesetzt! Wie kommt man darauf?
Also wenn Lotta und ich eins lieben und auch gut können, dann ist das Geschichten zu erzählen. Wenn’s ein Lagerfeuer gibt, kann man sich auf uns verlassen – wir erzählen, was das Zeug hält und blühen darin richtig auf! So wurde das auch mehr oder weniger die Idee für einen Podcast. Wir dachten: Hey, wir können der Welt was Gutes tun, indem wir die Geschichten auch anderen zur Verfügung stellen.
Gibt es Tabu-Geschichten, die ihr nicht erzählen würdet oder anonymisiert ihr die dann?
Nina: Also selbst, wenn wir eine Geschichte erzählen und die als unsere ausgeben, kann sich trotzdem am Ende niemand sicher sein, ob es auch wirklich stimmt. Da kann ich jetzt leider wirklich nicht mehr dazu sagen. (Lacht) Die Hauptsache ist, dass die Geschichten unterhaltsam sind, unabhängig von ihrem tatsächlichen Wahrheitsgehalt.
Sehr gut! Ich habe kurz vor unserem Telefonat noch auf Instagram die Leute darum gebeten, mir Fragen an dich zu schicken. Ich nehme das gerade überhaupt nicht so wahr, aber es kam die Frage, warum du so selten auf der Bühne lachst?
Um Himmels willen! Dazu kann ich nur sagen, ich habe leider einen „bösen“ Gesichtsausdruck, wenn ich konzentriert bin. Aber innerlich freue ich mich natürlich unglaublich, wenn wir auf der Bühne sind.
Lass uns über Musik sprechen. Eure beiden Lieder „Sie“ und „Es könnte grad nicht schöner sein“ empfinde ich als eindeutig feministische Songs. Es geht um Stalking, die Angst, allein unterwegs zu sein und im zweiten Song um Menstruation und wie sehr das in manchen Situationen nerven kann.
Würdet ihr euch auch selbst als feministische Künstlerinnen bezeichnen?
Unsere Songs sind zu einem großen Teil autobiografisch oder zumindest aufgrund von Erfahrungen unseres Umfelds entstanden, also dahinter stehen echte Situationen. Oft sind diese Themen sehr intim und privat, wir haben einen sehr persönlichen Bezug dazu. Deswegen ist es vorher für uns sehr schwer einzuschätzen, wie die Lieder dann letztendlich wahrgenommen werden.
Feedback zu bekommen, dass unsere Musik den Leuten Kraft und Hoffnung gibt und sie sich verstanden fühlen, ist mega. Aber das ist in erster Linie nicht die Intention, weshalb wir Musik machen. Wir verarbeiten in unseren Songs unsere Erlebnisse und Erfahrungen. Wir beschäftigen uns mit Themen, die wir interessant und spannend finden, und wollen diese musikalisch aufgreifen. Alles was dann passiert, können wir nicht mehr beeinflussen.
Aber stört euch, wenn ihr als Feminist*innen gelabelt werdet? Würdet ihr euch etwas anderes zuschreiben?
An sich bin ich erstmal kein Fan von Labels. Man möchte, denke ich, nie diesen einen Stempel aufgedrückt bekommen. Natürlich würde ich mich selbst als Feministin bezeichnen und stehe auch voll hinter feministischen Zielen. Aber in Bezug auf BLOND sind wir in erster Linie Musiker*innen.
Ihr kommt aus einer durchweg künstlerischen und auch musikalischen Familie. Gibt es im Hause Kummer denn so etwas wie gemeinsames Musizieren oder Hausmusik?
Natürlich haben wir alle ein besonderes Interesse für Musik und gehen auch alle gerne zu Konzerten. Aber man darf sich das nicht vorstellen, dass wir abends gemeinsam zuhause sitzen und singen. Musik spielte in unserer Erziehung dahingehend eine Rolle, dass man schon von klein auf etwas sehr Schönes damit assoziierte.
So aufzuwachsen, bedeutet doch sicherlich auch, mit Instrumenten aller Art groß zu werden und sich ausprobieren zu können. War das ein Faktor, der eure frühe Bühnenerfahrung begünstigt hat?
Nina: Ja, auf jeden Fall. Aber ich würde den Einfluss gar nicht auf unsere Familie begrenzen. Eigentlich haben Chemnitz und unser Umfeld dort genauso stark dazu beigetragen. Allein, dass man uns schon mit 13, 14 Jahren im Atomino-Club hat auftreten lassen, war eine Riesenchance und Möglichkeit, uns auszuprobieren. Kumpels von uns haben uns in deren Proberaum spielen lassen, auch in einem Studio durften wir mal rumprobieren – wenn man mit einem solchen Interesse an Musik aufwächst, sozialisiert man sich auch dementsprechend außerhalb der Familie in Musikkreisen.
Hätte es für dich auch die Option gegeben, dass du Versicherungvertreterin oder sowas wirst?
Na klar, ich hätte alles machen können, da hat mir niemand Grenzen gesetzt. Tatsächlich habe ich ja Medienmanagement studiert, also gab es mehrere Möglichkeiten. Aber ich habe mich dann eben doch für die Musik und BLOND entschieden.
Das war natürlich nur scherzhaft gemeint. Aber wenn du so intensiv damit aufgewachsen bist, kann es ja sein, dass sich für dich selbst die Frage, ob du einen anderen Beruf ausüben willst, gar nicht gestellt hat.
Es ist auch abhängig davon, wie das Verhältnis zu den Eltern ist. Kommt man gut mit ihnen aus, entwickeln sie sich zu Vorbildern. Das macht es vielleicht wahrscheinlicher, dass man beruflich die gleiche Richtung einschlägt. Wir haben als Kinder einiges ausprobiert, waren in vielen AGs, aber am Ende hat uns Musik dann doch am meisten zugesagt.
Eine letzte Instagramfrage: Welche Bands würdest du heute Jugendlichen empfehlen?
Auf jeden Fall Lizzo!