“Alles passt … doch trotzdem” – Jimmy Eat World live in Wiesbaden
Die Nuller Jahre sind zurück, das macht auch vor Nischen-Genres keinen Halt. Obwohl was heißt hier Nische? Der Emo-Powerpop von Acts wie The Get Up Kids und Jimmy Eat World war eine Stadien füllende Großangelegenheit – mit Identifikationsangeboten ohne Ende. Christian Horn hat die Band für Kaput in Wiesbaden im Schlachthof besucht.
Jimmy Eat World (AZ, USA) – 8.11.24 Schlachthof Wiesbaden – ausverkauft, Support PUP (ON, CA)
Bei Wahrnehmung der Konzertankündigung – Jimmy Eat World, Schlachthof Wiesbaden – schossen Erinnerungen an die frühen Jahre dieses Jahrtausends in den Kopf – das Tape mit “Clarity” und “Bleed American” lief einen Sommer lang. Grandiose, wohlarrangierte Emo- Hymnen mit abgestoppter Gitarre.
Zuletzt live gesehen ebendann und ebendort – irgendwie den Kontakt verloren, das Tape sowieso… Engagiert eröffnet wurde der Abend dann von PUP, vier sympathischen Kanadiern irgendwoher aus Ontario mit viel Spielfreude. Songs und Instrumentierungen wirkten ein wenig sperrig und bedürfen sicher mehr Aufmerksamkeit, die an dieser Stelle der allergrößte Teil des wartenden Publikums willens war aufzubringen.
Angenehm unprätentiös geht’s dann einfach los mit dem Hauptact. „Pain“, da sind sie also, diese abgestoppten Gitarren – die Halle lächelt kollektiv. Die Bühne, das Banner, der Auftritt – klar, straight, die Songauswahl mit Schwerpunkt aus dem ersten Bandjahrzehnt super (“If you don’t, don’t”, “Sweetness”, “Lucky Denver Mint” – schön adaptiert) alles sehr nahe der Perfektion dargeboten. Zur Abwechslung auch mal teil akustisch. Alles passt… doch trotz all der Makellosigkeit fehlt etwas… dauert es doch bis zum grandiosen „Blister“, also fast eine Stunde, bis eine größere Regung in einem Akt der Eigeninitiative durch das Publikum geht. Lediglich Sänger Jim Adkins scheint das Publikum zu suchen. Immerhin rettet sich das Stimmungshoch über „Bleed American“, „A Praise Chorus“ zum Finale mit dem allerwartenden – „The Middle“ – der Emo- Hymne der Nullerjahre. Kurze Pause. Noch zwei, dann ist Schluss.
Mit nur wenig mehr Energietransfer von Band zu Publikum, mit nur ein bisschen mehr Mut zur Spontaneität, wäre bei dieser Songauswahl ein nicht nur gutes, sondern ein grandioses Konzert möglich gewesen. Klar schließt die künstlerische Freiheit auch die Art der Darbietung ein. Für meinen Abend hätte ich mir mehr Emotion gewünscht – ich suche nach dem Tape und warte auf den nächsten Sommer.
Text: Christian Horn