Record of the week

Lena Stoehrfaktor „Pretty World“

28. Februar 2025,

Lena Stoehrfaktor
“Pretty World“
(LSF Records / Vinyl Digital)

Lena Stoehrfaktor … da muss ich kurz etwas ausholen. In den Zehner Jahren sah ich mich immer wieder verstrickt in fruchtlose Diskussionen über Sexismus im deutschen (Gangsta-)Rap. Gern wurde die Kritik an der dortigen Misogynie weggewischt damit, dass diese Lyrics a) authentisch straße seien oder b) total artifizielle Rollenprosa und man sich c) gefälligst nicht so anstellen solle… Denn schließlich wäre Rap, der nicht auf Kosten anderer ginge, grundsätzlich whack und ästhetisch unterlegen. Dagegen halten konnte man mit dem sogenannten Zecken-Rap. Der war zwar seitens der Apologeten des Penis-HipHops verpönt, gewann in der Dekade aber Stück für Stück immer mehr Boden. Als eine zentrale Protagonistin habe ich damals Lena Stoehrfaktor wahrgenommen. Vielleicht lag es an dieser zentralen, präsidialen Vorsitzenden-Aura, dass ich irgendwann dachte, Lena Stoehrfaktor, das war doch eher der Sound von vor zehn Jahren, oder? Wie sehr ich damit falsch lag, bewies mir dankenswerterweise die Radio-Legende Miss Pepstein. Die lud zu ihrem Geburtstag diverse Acts nach Leipzig und so konnte ich Lena Stoehrfaktor live erleben und musste feststellen, dass diese sich heute näher am Zeitgeist befindet denn je. Düstere Beats, berührende Inszenierung und dieses Flimmern zwischen klarer Ansage und Selbstzweifeln. Das neue Album „Pretty World“ produziert von Blake Beauty greift diese Ambivalenz auf – und ist genauso am Wege aufzeigen wie aber auch am Suchen. Musikalisch klingen die Stücke Old School as fuck – doch in einer Zeit, in der die Neunziger wieder zurück sind, ist sie mit diesem analogen minimalen Sound dann eben doch wieder weit vorn. Durch die Beats und Instrumentals weht der Geist von KRS One oder Gang Starr, kein Gedanke an künstliche Sounds, alles staubtrocken, alles slim fit. Schon wenn das Intro („The Sage Begins“) erklingt, kontrolliert man unwillkürlich, ob man tatsächlich eine Produktion aus Deutschland angeworfen hat. Meine persönlichen Highlights sind „Streichholz trifft Benzin“ und „Rauch in der Luft“. Wer nach dieser Platte Lena Stoehrfaktor immer noch unterschätzt, muss für immer auf dem Standstreifen bei den Massiven Tönen oder Asche auf den Abschleppwagen warten. Der Rest trifft sich auf „Pretty World“.
Linus Volkmann

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