1 Text vong FAlshcschreibung im Inmternet her
Ist es die endliche Anarchie im Bereich moderner Kommunikation, Loslösung von Snob- und Elitarismus, totale Infantilisierung beziehungsweise Kapitulation vor dem Gesamtmist? Oder 1fach nur Fun, Fun, Fun? Wer im Internet noch korrekt schreibt, ist der absolute Obernoob, soviel steht fest und „Noob“ sagt auch niemand mehr, JAOK. 1 Kolumne von Paula Irmschler.
Jan Böhmermann ist so alt und peinlich. In einer der letzten Folgen von „Fest & Flauschig“ sagte er über „Was ist das für ein (sic!) Life?“, dass dies schon seit vier Wochen out sei. EIN Life. OUT. Die korrekte Aussprache wäre „eins“ gewesen, denn schließlich schreibt es sich auch so. Alle paar Wochen kommt mal einer mit dem viralen Gesamtüberblick und erklärt die „1“ jetzt für uncool. Interessiert nur niemanden. Sie ist für Internetverhältnisse ohnehin schon überraschend lange hot. Vielleicht, so der gängige Eindruck, fing Moneyboy mal damit an, aber das darf bezweifelt werden. Dabei ist Wörter in Zahlen auszudrücken im Grunde schon ziemlich 417 (das heißt ALT), das wird jeder Forumnerd bestätigen. Letztens erzählte ich einem Holländer, dass bei uns in Deutschland gerade angesagt sei, „1“ statt „eins“/ „eine“/„eines“/ „ein“ und jeglicher anderer Variationen zu schreiben. Nachdem er irgendwas von den Neunzigern gebrabbelt hat, habe ich nie wieder was von ihm gehört. Ich begann mir Fragen zu stellen.
Wisst ihr noch damals, als Frei.Wild als größte Gefahr im Bereich des Rechtsradikalismus abgehyped wurden und man sich texte- und postingfüllend an ihnen abarbeitete? Kann sich ja heute keiner mehr vorstellen. Dabei ging es in den sozialen Medien meist und vor allem um die „Dummheit“ der Fans der Mackerbande. Die Rechtschreibung, so schien es, war das größte Manko der Gefolgschaft. Unaufhörlich wurden Screenshots durch die Timelines gejagt, eigene Überheblichkeits-Seiten gegründet, sich kräftig auf die Gewinner-Schenkel geklopft.
Klar, es ist schon merkwürdig: Jemand, der besonders national sein will, beherrscht die deutsche Sprache nicht mal richtig. Ein Grinsen kann man sich nicht verkneifen. Aber allzu schnell rutschten Linke dann in klassistische Vorurteilsbekräftigungen und Diffamierungen von offensichtlich Legasthenie-Betroffenen. Der Pöbel, der Ossi, der Hauptschüler, der Arbeitslose – wie dumm sind die denn? Und wie geil sind wir mit unseren Geisteswissenschaftsstudiengängen und Kommasetzung?
Immer in der copy/paste-Pipeline: seit-seid.de. Im Anschluss daran begannen wir antifaschistischen Internetkämpfer uns aus Spaß am Elend so ein bisschen zu assimilieren, den Feind zu imitieren, um ihm überhaupt noch Herr zu werden, und schließlich uns überzuidentifizieren. Klar, Humor und Satire als Waffe, Bewältigungsstrategie und so weiter. Ob das nur Selbstgefälligkeit war/ist oder tatsächlich zielführender Kampf darf, aber wird nicht an dieser Stelle, diskutiert werden. Ersteres befürchtete ich mit dem Aufkommen der Seite „Nachdenkliche Sprüche mit Bilder“. Komplette Fails in Sprachbelangen, bis zur Unkenntlichkeit verballhornte Poesiesprüche, unterlegt mit dem Kitschigsten, was die Google-Bildersuche nach dem Eintippen von „niedliche Tiere“ oder „Windows Desktop Hintergrund“ so hergibt. Doch was dann geschah, hat mich überrascht! Sehr liebevoll tauschten die Anhänger der Seite bald untereinander, zunächst im Deckmantel der Ironie und bald immer weniger, herzerweichende Ratschläge und Metaphern aus.
Das war doch, was diese Kunstfuzzis damals mit Pop-Art begonnen und gemeint haben, oder? Endlich konnte der Akademiker vong Welt her auch mal fühlen und zulassen! Und auch sonst birgt das Scheißen auf die Regeln der Lesbarkeit revolutionäres Potenzial. Stefanie Sargsprengnagel oder Mia Schmidt von „Katzenshizzle für Mädchen“ posten schon seit jeher, ganz wie sie grad Bock, Zeit oder Zugang zu ihren Fingern haben, drauf los. Mansplainend kommentieren die Typen in Scharen, was mal wieder falsch sei und fordern Korrektur. Ein Spaß!Wenn man mittlerweile Leute sieht, die ernsthaft tiefsinnige Sprüche mit Tier- oder Engel- oder Strandbildern posten, wirkt das total absurd – oder ist es schon die nächste Stufe? Sind diese Leute in Wahrheit die progressiveren und wir mal wieder total vong gestern her? Und wie finden uns eigentlich die Kids? Ich sehe online eigentlich nur Leute zwischen 25 und 40 all jene Hypes mitmachen, wie peinlich sind wir wohl für die wirklich jungen Leute? Gerade für uns Oldies ist es auch ziemlich schwer, sich plötzlich aufs Falschschreiben umzuerziehen. Klar, wir hatten unsere Kürzel back in the MSN-Days, aber das folgte ja noch irgendeiner Logik. Heute tut es erstmal eher weh. Man muss total loslassen. Aber es hat auch ganz pragmatische Vorteile: Wer sich besoffen normal im Social Media erbricht, muss sich am nächsten Tag nicht schämen. Alles so wirr angedacht und durchgezogen. Nur im Realen bisschen aufpassen! Letztens einer Bekannten so passiert: Bei einem Vorstellungsgespräch gesagt, dass ich, also sie, gern zu 1 Probetag käme.