Führer / van Oystern unterwegs

In hundert Käffern als Bürgermeisterin kandidiert – Die Story von Fridi Miller

Dass Fridi Miller in über hundert süddeutschen Käffern als Bürgermeisterin kandidiert hat, hat das Investigativ-Team des Kaput-Mags auf sie aufmerksam werden lassen. Ferdinand Führer und Roland van Oystern gelten zwar als unregierbar, aber bei dieser Figur wären sie für eine Ausnahme zu haben. Sie haben Fridi Miller aufgesucht.

Bürgermeisterkandidaturen waren es »hundertfünf oder hundertelf, keine Ahnung, irgendwie so was.« Natürlich auch in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart bei der OB-Wahl 2020, zu der Zeit noch als vollumfänglich unter Betreuung stehende Person zur Wahl zugelassen. In der Schleyerhalle wurde von Fridi Miller eine Antrittsrede zum Besten gegeben, die Bock gemacht hat, auf eine Bürgermeisterin Fridi Miller. Wäre jedenfalls interessanter geworden als die übliche CDU-Pfeife. Und cooler. Und lustiger. Und sozial gerechter. »Dein Anliegen wird zur Chefsache gemacht und mit Eilantrag sofort umgesetzt!« Das sind Visionen, die auch uns in die Karten spielen. Gleich mal Distanz abbauen und Mail schreiben und fünf Minuten später Antwort bekommen. »Klar können wir uns treffen! Kommt einfach zu meiner nächsten Verhandlung!«

Am 30.11.2022 um 11.15 Uhr ist ein Gerichtstermin am Landgericht Stuttgart. Es geht um eine rechtswidrige Zwangsräumung vom 17.04.2019. Da ist Fridi Miller von ihrem Vermieter auf die Straße gesetzt worden. Aller Besitz vernichtet, übriggeblieben: Ein Laptop, ein paar USB-Sticks und ihr Saunahandtuch.

»Die Verhandlung ist öffentlich und es ist immer gut, wenn Publikum im Raum ist. Bis jetzt waren die Richterinnen sehr korrekt zu mir, aber erst nachdem ich anfangs den Prozess geleitet habe und auch entsprechende Schriftsätze für meinen Anwalt eingereicht habe.«

Im Gang vorm Gerichtssaal. V.l.n.r.: Vater der Hundemama, Fridis Mama, Ferdinand

Im Gang vor Sitzungssaal 253 warten wir mit Fridi Miller, ihrer Mama, ihrem Anwalt und zwei Fridi-Experten auf den Beginn der Verhandlung. Er verzögert sich um eine dreiviertel Stunde wegen des Sorgerechtsstreits eines jungen Ex-Pärchens um ihren Hund. Der Vater der Hundemama sitzt mit im Gang und erzählt Witze.
Es kommt Fridi zu Gute, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Räumung als geschäftsunfähig galt, das macht die Räumung nämlich rechtswidrig. Anwalt Mayer von der Baugenossenschaft Sindelfingen ist gegenteiliger Meinung. Baugenossenschaft Sindelfingen e.G., die dunkle Seite der Macht. Die drei Richterinnen appellieren mehrmals an Sith-Lord Mayer, es gut sein zu lassen. Kein Einsehen bei Mayer, die Verhandlung wurde fortgesetzt im Januar – und gab Fridi Recht.

Unglückliche Phasen der Entgleisung, zum Beispiel YouTube-Videos mit Beleidigungen des damaligen Vermieters (Baugenossenschaft) oder Bürgermeisters oder Familienrichters, führten zur Unter-Betreuung-Stellung. Die Widersacher sind zahlreich, aber Fridi lässt sich nicht unterkriegen. »Zumindest habe ich ja gegen das Jugendamt bereits 2015 am VG Stuttgart gewonnen, gegen den Lions Club 2016, wegen Spendenunterschlagung von 5000 Euro am AG BB, und meinen Führerschein, den mir das Landratsamt zu Unrecht genommen hatte, hab ich auch zurückgekämpft.«

Fridi mit Porsche

Nach der Verhandlung gehen wir mit Fridi und ihrer Mama ins Stadtpalais zum Kuchenessen. Auf dem Weg zieht Fridi nochmal einen Parkschein für ihren Porsche. Ein von oben bis unten restlos mit »FRiDi for Peace«-Stickern zugeklebter 986 Boxster S. Also wirklich komplett zugebatzt wie’s Pissoir im Indieclub.

Kuchenessen im Stadtpalais

Jeder darf sich einen Kuchen aussuchen, Fridi bezahlt. »Ich lad euch ein, obwohl ihr mich bestimmt eh nur veralbern wollt.«
Bei Tisch wird reingespachtelt und über alles gesprochen. Wir haben diese Doku der Filmakademie  Ludwigsburg von Josia Brezing gesehen: »FRiDi: Die Geschichte einer Frau, die nicht aufgibt« (D 2018). In dem Film zeigt sich, dass es ihr gar nicht so arg darum geht, wirklich Bürgermeisterin zu werden, sondern eher ums Verbreiten ihrer Botschaft: Wahrheit, Gleichheit, Gerechtigkeit.

»Ich werde ja eh immer nur von so ein paar Leuten gewählt, aber Bock auf Bürgermeisterin sein hätte ich schon. Besonders für die Rechte und Selbstbestimmung von Kindern und Senioren würde ich mich dann noch mehr starkmachen können.«

Fridis Hauptmotivation war ursprünglich, sichtbar zu bleiben, und ist es noch. »Wenn dir alle Rechte gekappt werden und du nix unternimmst, gehst du unter. Dann machen sie mit dir, was sie wollen. Dann bist du der Willkür von Behörden und Gutachtern ausgeliefert.«
Fridi verklagt das Land Baden-Württemberg auf 2,838 Millionen wegen der Inobhutnahme ihrer Tochter Milli. »Ein Vorschuss der Rechtsschutzversicherung von knapp 16.000 Euro ist bereits 2020 geflossen, aber mein Anwalt reicht einfach die Klage nicht offiziell ein.« Die Tochter ist bis heute beim Papa, aber Fridi sieht sie mittlerweile täglich. »Ihr Vater ist im Herzen ein guter Mensch, aber hat täglich drei Liter Alkohol gesoffen.« Fürs Jugendamt anscheinend trotzdem der fähigere Elternteil. Ihr Sorgerecht hat Fridi bis heute nicht zurück.

Mit Bürgermeisterkandidaturen ist erst mal Schluss. Eine eigens für Fridi erlassene Gesetzesergänzung in Baden-Württemberg schließt seit 1.1.2021 geschäftsunfähige Personen von der Wählbarkeit aus. Bundeskanzlerin wäre aber noch drin. Wäre eigentlich auch viel besser.
»Dann werde ich halt Bundeskanzlerin, sollen andere Bürgermeisterin werden.«
Für Bürgermeisterkandidaturen ist es oftmals nötig, tagelang in der Fußgängerzone um Unterschriften für die Zulassung zu betteln. Baden-Württemberg verfügt über eine kleine, aber beharrliche Dauerkandidat:innen-Szene. Der Rekordhalter ist der Vater von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Der hat’s auf 298 Kandidaturen gebracht, Lichtgestalt der Szene. Dem nimmt so schnell keiner die Fackel aus der Hand.
»Beim VfB haben sie meine Bewerbung um das Präsidentschaftsamt gar nicht erst angenommen.«
Typisch für diese Langweiler. »Auch hier hab ich Klage eingereicht. Hätte mein CDU-Betreuer diese nicht zurückgezogen, wäre die Wahl von Facilitymanager Claus Vogt zum Präsidenten auch nichtig.«

“Fridi – 100% Mensch”

Fridi war 21 Jahre beim Daimler. »Zuerst im Einkauf, da durfte ich in jungen Jahren bereits Live-Bestechungen miterleben, danach im Personalbereich, wo alles gesitteter ablief.« In den letzten Jahren war Fridi zeitweise Hartz IV-Empfängerin auf Darlehen, weil ihr der Zugriff auf ihr eigentlich bestens gefülltes Konto entzogen wurde. Außerdem war sie in den 90ern Telefonsex-Pionierin, zur Blütezeit der Liebe am Telefon. »Ich war öfters mal im TV, unter anderem bei Biolek. Mein Briefkasten ist übergequollen vor Fanpost und Geldbriefen. Das hat man damals so gemacht, damit sich die Ehefrauen nicht über seltsame Bankkontoabgänge wundern mussten. Die Männer haben sich dann auch immer Fotos von mir gewünscht, mit Wichse und so, da hab ich mir einfach ein bisschen Bodylotion auf  meine Titten und mein Fötzchen geschmiert.« Ferdinand verschluckt sich glatt am Schokokuchen, was für ’ne Aufregung auf einmal. Aber so war es in den 90ern.
Im September 2022 war in Tübingen irgend so ein Stadtlauf, der Erbelauf, da ist Fridi mit Team angetreten. »Das waren meine Mama, die ist bei allen Demos dabei, und Mütter, denen selbst rechtswidrig die Kinder entzogen wurden, und ein Mann, der selbst als Kind misshandelt wurde, Stichwort: Brüdergemeinde Korntal, und ein Lehrer, dem Misshandlung vorgeworfen wird.« Fridis Mama isst Kuchen, sagt nichts und hört wahrscheinlich nicht viel.

Zufällige Straßenbegegnung 2020

Wenn in der Zeitung Scheiß über Fridi steht, fallen bei ihr schon mal Begriffe wie Lügenpresse. Recht unbedarfte Verwendung von Schwurblervokabular rückt Fridi oft in ein schlechteres Licht als nötig. Zur Doku sagt sie inzwischen: »Nicht erschrecken, da war ich noch krass drauf. Zu viel Alk und Verschwörungstheorien um mich rum.« Wichtig sind Fridi Lösungen, die alles zum Guten wenden. Aber die Visionen aus Fridi Millers Wahlkampfrede bleiben leider Fiktion. Aus dem Traum von Stuttgart als einer »liebens- und lebenswerten friedlichen FRiDi-Metropole« wird nix. »Keine Verbote, nur noch Angebote«, Fehlanzeige. »Win-Win-Situationen für alle«, weit gefehlt. Stuttgart bleibt Ätzstadt im Würgegriff von Amtsverweser Nopper (OB / CDU).

Text: Ferdinand Führer / Roland van Oystern

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