K.I.Z.

„Es geht doch nicht darum, dass es elegant aussieht, wenn du jemand in die Eier trittst“

Die humorgestählte Battlerap-Halbstarken-Offensive Berlin klingt plötzlich zurechnungsfähig. Dass K.I.Z. keine sexistischen Geisteskranken sind, hat sich längst bis zum Lehrerzimmer rumgesprochen. Dennoch mag das neue Album „Hurra, die Welt geht unter“ mit seiner durchgezogen unironischen Haltung irritieren. Linus Volkmann, einst von den hurensohnigen Inhalten verscheuchter Student und K.I.Z.-Widersacher der ersten Stunde, spricht mit Maxim, als wäre nie was gewesen. Heuchler! Und damit ist garantiert nicht der riesige, nie lächelnde Musiker gemeint. Es geht um kleine Schwänze, Nazi-Bands und den Mittelstand.

Auf der letzten Platte „Urlaub fürs Gehirn“ habt ihr Provo, Gaga und Ironie zu einer vorläufigen Meisterschaft gebracht. „Hurra, die Welt geht unter“ dagegen verfolgt spürbar das Konzept, direkte Ansagen machen zu wollen. Im Titelstück werden sogar romantische Utopien für eine Welt ohne Geldwirtschaft entworfen. Ist das wirklich noch K.I.Z. die Bürgerschreck-Band?
Maxim: Wir haben schon auf unserem allerersten Album („Das Rap-Deutschland Kettensägenmassaker“) ein Stück gehabt mit dem Titel „Raus aus der Stadt“, der explizit plump politisch war. Das ging dann weiter auf „Böhse Enkelz“, da fanden sich mehrere sehr konkrete Sachen, zum Beispiel der „Frei sein“-Remix. Und später dann „Straight outta Kärnten“ (über Jörg Haider), „Biergarten Eden“, „Abteilungsleiter“ oder „Fleisch“. Also es ist ja nicht so, dass wir da plötzlich ein neues Terrain entdeckt hätten, du hast es nur vorher nicht mitgekriegt. Diesmal ging es dann aber darum, auf einem Album das ganz konsequent durchzuziehen, was wir sonst immer nur haben aufblitzen lassen. Konzept-Songs statt Battle-Rap, das ist die Idee diesmal. Klar, durfte es immer noch witzig sein, aber wir wollten einen roten Faden, der über „Ich töte deinen Vater“ hinausgeht.

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Rapper zum Knutschen. Links: Maxim. (Foto: Jan Apel)

Im Ergebnis seid ihr jetzt mit sehr engagierter Kapitalismuskritik in den Charts. Wie geht ihr mit dem inhärenten Widerspruch um – immerhin ist, ein Album bei Universal zu machen inklusive aller Verwertungsketten, doch einer der Premium-Moves, die der Kapitalismus draufhat.
Dieser Widerspruch besteht nur für Leute, die eine moralische Kapitalismuskritik betreiben. Also die sowas unterschreiben würden wie: „Wenn wir uns nur alle mehr zurückhalten würden, würde es ja funktionieren!“ Wer sich darauf bezieht, der steht dann auch im Widerspruch, wenn er kapitalistisch handelt.
Ich halte aber überhaupt nichts von dieser Pose. Die läuft meist darauf hinaus, dass man sich selbst bezichtigen muss, weil man Kapitalismus kritisiert und trotzdem Geld verdient hat. Aber weil derjenige das erkennt und öffentlich benennt, lässt es ihn nur in einem noch besseren Licht erscheinen. Das besitzt sowas von dem Sünder, der outet, dass er gesündigt hat und sich dadurch noch einmal über den Rest erhebt. Das ist nicht unsere Vorstellung. Die Kritik auf unserer Platte würde keinen Deut besser werden, wenn wir das Album verschenken würden. Wir wollen knallharte Kapitalisten sein, um den Leuten dieses System endgültig zu verleiden. Denn der nette Kapitalist, der seine CDs verschenkt, der lässt die Umstände doch nur erträglich erscheinen – was dann wieder verhindert, dass die Leute ihn abschaffen wollen. Bei uns wird da einfach sehr strategisch gedacht.

Ach, deshalb die hohen CD-Preise – Stichwort: Un-nice price.
Genau, haben wir extra alles teurer gemacht. Die Fanbox wurde gerade auf 180 Euro gesetzt. Denn wenn das schon so viel kostet, denken viele: Mir reicht’s, jetzt gehe ich auf die Straße und stürze den Staat.

Diese Form der Ironie haben viele der Texte auf der Platte allerdings aufgegeben. Ihr habt euch eine echte Sprecherposition gegriffen, richtig Rap-Establishment. Aber müsst ihr nicht fürchten, dass ihr in fünf Jahren dann bei Band Aid angefragt werdet?
Ach, wir werden heute schon gefragt für solche Sachen. Aber wir sind ja clever und verschenken kein Geld. Und dass wir jetzt ernster genommen werden, empfinde ich nicht als schlimm. Wir fanden es eben bloß meist unterhaltsamer und passender, Verwirrung zu stiften. Aber wenn etwas vernünftig ist, soll es doch auch so wahrgenommen werden. Denn das Problem an Band Aid ist ja nicht, dass die schlechte Musik machen – obwohl das ist auch ein Problem, dass das eine Riesenscheiße ist -, mich stört aber vor allem, dass die Analyse und die Message, die dahinter steckt, Müll sind. An sich finde ich es nicht schlimm, ernst genommen zu werden. Das einzige, was man natürlich vermeiden will, dass Leute sich an unserer Meinung orientieren. Also: „Weil K.I.Z. das sagen, deshalb ist es richtig! Das kann ich jetzt getrost nachlabern“. Ich will nicht, dass man uns einfach glaubt, weil wir jetzt irgendwo dazugehören.

Ab einem bestimmten Punkt kann man das, was draußen ankommt und daraus gemacht wird, aber doch ohnehin nicht mehr steuern.
Ja, klar. Das hier sind nur Wünsche an den Weihnachtsmann.

Der Einzug ins Rap-Establishment wird durch eure medialen Ausflüge bis heute aber von euch selbst gern ins Stocken gebracht. Ich erinnere mich an arte „Durch die Nacht mit … Kraftklub und K.I.Z.“, da wart ihr sehr bemüht, euren Kollegen aus Chemnitz im mitgefilmten Kollegengespräch das Thema reinzudrücken, welches ist eigentlich musikalisch die beste Naziband? Genießt ihr es wirklich, immer wieder auch missverstanden zu werden?
Ja, da freue ich mich drüber. Die Leute regen sich deswegen auf, weil sie gern jemand hätten, der ihnen sagt: „Ich teile deinen Wertekanon“ … und dann wollen sich alle gegenseitig auf die Schulter klopfen. Für mich war anfangs auch dieses ganze Schimpfwörterding dafür gut, die Intellektuellen zu verscheuchen. All die, die sich extrem was darauf einbilden, dass sie ein paar feine Wörter kennen. Die mussten erstmal weg! Denn mein Gefühl war, dass in bürgerlich akademischen Kreisen immer so viel Wert auf den richtigen Sprachgebrauch gelegt wird – entweder von Linken, die auf political correctness achten oder von Konservativen, die möchten, dass Du gutes Deutsch sprichst. Erst haben wir die eben loswerden wollen und jetzt ist es eher so, dass wir sie erziehen, dass man auch hinhören sollte, wenn eben nicht so astrein gesprochen wird. Damit die sich nicht auf ihr Vokabular die ganze Zeit einen wichsen.

Pah, das lasse ich mir nicht nehmen!
Allerdings muss man euch zugestehen, ihr hattet 2005 die Bezeichnung „Hurensohn“ bereits als Songtitel. Die ist heute wirklich omnipräsent im Game. Nicht mal nur mehr im Rap – so nennt mich heutzutage selbst meine Mutter. Naja, fast.
Da haben wir einen Trend gesetzt.

Apropos Trend: Als Anfang des Jahres die Kampagne zu der Platte losgehen sollte, war hinter vorgehaltener Hand die Rede davon, dass so eine Fake-Verschwörungstheorie-Seite aufgestellt werden soll, mit der ihr dann öffentlichkeitswirksam im Streit liegt. Dann wird irgendwann enthüllt, dass das nur inszeniert war und die Platte wird vorgestellt. Mediencoup und so. Ich erlebe persönlich ja solche Aktionen immer als total lame, selbst die – vermeintlich – guten. Daher fand ich es angenehm, dass ihr uns diese Scharade erspart habt. Aber was war denn der eigentliche Grund?
Am Anfang fühlte sich das noch an wie der geniale Masterplan. Aber es ist einfach nicht der Funke übergesprungen. Es kam nicht an den Punkt, dass man dachte, damit lässt sich arbeiten, daraus lässt sich jetzt was Geiles spinnen. Wir hatten damit kein Problem, aber das war doch schon etwas sehr Spezifisches, das vielleicht auch nicht so viele Leute interessiert. Deswegen haben wir es dann irgendwann einfach gelassen. Das muss man auch mal machen. Eine sehr wichtige Sache: Ideen auch mal fallen lassen, das sollten mehr Leute tun.

Wenn wir gerade über Aktionen abseits der Alben sprechen: Inwieweit ist man als größere Band heute eigentlich noch Musiker oder doch schon Mitbetreiber einer mittelständischen Ideenagentur für den Popmarkt?
Man wird da auf jeden Fall schnell zur eigenen Ich-AG – es geht alles weit über Songs aufnehmen und Texte schreiben hinaus. Aber Du, man wird dazu nicht gezwungen. Man sucht sich das aus, und ich finde, wenn man eine Platte gemacht hat, zu der man steht, die man für gut befindet, dann sollte man sich den Arsch aufreißen, dass die ganze Welt das mitbekommt.

Wie ist es eigentlich, wenn du die alten Sachen heute hörst, hast du da zu einigen Punchlines heute eine Distanz oder gilt das alles immer noch so?
Distanz höchstens dahingehend, dass ich das heute alles besser machen würde – feiner und präziser. Aber ich bin weit davon entfernt, mich für was zu schämen. Es zählt im Battlerap immer bloß, wer findet die krasseste Beleidigung für den anderen? Was trifft den anderen am meisten, war die Frage – und es geht dabei nicht darum, ob es elegant aussieht, wenn man dem Anderen in die Eier tritt. Aber ich wollte nie wirklich sagen, Männer mit kleinen Schwänzen sind nicht lebenswert oder alle Frauen sind Schlampen. Das war nicht die Message.

Gerade die beiden Themen, kleine Schwänze und Frauen, da habt ihr in den letzten Jahren ohnehin ganz dezidiert Songs und Aktionen gemacht, damit eure Haltung eben nicht so missverständlich stehenbleibt.
Genauso wie ich gesagt habe, wir wollten die Akademiker und Studenten abstoßen, genauso wollte ich auch die Straßenleute nerven. Es geht schon darum, dass man alle nervt, dahingehend sind wir große Gleichheitsfanatiker. Jedem soll vor den Karren gepisst werden, den Toleranten genauso wie den Intoleranten.

Aber mittlerweile ist es doch so, dass alle einst Abgestoßenen mit im Boot sitzen. Ich nehme mich da nicht aus. Und was jetzt?
Jetzt werden wir eben konkret – und ihr könnt alle gucken, was ihr damit anfangt.

 

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