Porträt

Kleine bunte Knöpfe – Ein Gespräch mit Mia Berg

25. Mai 2020,

Die Pop-Schmiede Norwegens hat mal wieder eine neue, vielversprechende Künstlerin an den Start gebracht. Mia Berg ist pure Rhythmusliebe und hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Brücke zwischen ihren Vorbildern Sufjan Stevens und Solange zu schlagen. Klingt ziemlich unmöglich und ehrlich gesagt auch etwas unnötig – ihre Songs beweisen allerdings das Gegenteil. Von Rosalie Ernst.

Foto: Guro Sommer Vaerland

Dass Skandinavien (nicht nur) im europäischen Popgeschehen, die Nase oft vorne hat, ist mittlerweile überall angekommen. Frisch aus der norwegischen Talentschmiede kommt die Musikerin Mia Berg. Eine kleine, junge Frau mit einem enormen rhythmischen Talent. Dazu kommt eine Stimme, die zugleich wunderbar zart klingt und trotzdem eine ziemliche Strahlkraft hat, die mit genügend Ausdruck und Edge aufwartet. Zu ihren größten Einflüssen zählen sowohl Solange als auch Sufjan Stevens und diese konträren Welten aus seichtem Singer-Songwriter-Geplänkel und extrovertiertem R’n’B versucht, Mia Berg unter einen Hut zu bekommen. Gleichzeitig verschreibt sie sich immer wieder musikalische Pausen. „Es ist doch klar, dass die Musik, die man hört, einen am meisten beeinflusst. Ich liebe Solange, aber ich will sie nicht imitieren“, erzählt die junge Musikerin, als wir nach einem Auftritt in Trondheim miteinander sprechen.

Gemeinsam mit ihrem Produzenten Henrik Lillehaug reist sie durch ihr Heimatland und nimmt ungefiltert ihre Umgebung wahr, um sie in komplexe Pop-Leckerbissen zu verwandeln. Sie bespielte alle Newcomerfestivals, die Norwegen zu bieten hat und schaffte es mit ihrer ersten EP bereits auf Stippvisite nach Dänemark. Die jüngste Single „Don’t know (what to do)“ besingt klassische „Coming of Age“-Szenarien zwischen Ahnungslosigkeit und Herzschmerz. Dazu bauen sich immer wieder kleine Phrasierungen auf, Synthesizer türmen sich zu Konstrukten auf, die Mia mit einem kräftigen Beat wieder zum Einstürzen bringt. „Der Song ist immer die Basis für alles, was ich mache. Auch wenn ich mich manchmal in einen Synthesizer verliebe und den am liebsten sofort benutzen würde. Es muss aber immer schon ein Song als Basis stehen und erst danach, fange ich an, mit dem Rhythmus zu spielen, Sounds zu sammeln und zu einer großen Collage zusammen zu basteln“, erzählt Mia über ihre Arbeitsweise.

 

Es ist ziemlich klar, dass der Rhythmus ihrer Songs den Popstücken die Krone aufsetzt und Mia Bergs Alleinstellungsmerkmal und Schmuckstück ist. Kein Wunder, hat die DIY-Musikerin schließlich in Oslo Musik mit einem Fokus auf Rhythmus studiert. Besonders in der Single „You Decided“ bringt sie auf den Punkt, wofür die Musikerin stehen möchte: “Es ist definitiv Pop, aber ich versuche irgendwie eine Alternative zu dem breiten Angebot zu sein.“ Besonders im Refrain eröffnen sich neue Songkulissen und überraschende Elemente. Als der Song bereits im letzten Prozess der Mischung befand, hatte Mia noch nach einem letzten fehlenden Klang gesucht. „Die Gitarre war wirklich schwer und dem Song hat einfach eine Leichtigkeit gefehlt. Und dann habe ich auf einem Regal im Studio so ein kleines Spielzeug Keyboard gefunden, das kleine bunte Knöpfe hatte.“

Nicht nur hier kommt der Perfektionismus der Musikerin zum Vorschein, die eine genaue Vorstellung von ihrer Musik und ihren Sounds hat. Gemeinsam mit Hendrik bastelte Mia über ein Jahr lang an den ersten Demo-Versionen und Samples, bis sie schließlich mit der Single „Grow“ 2018 an den Start ging. Selbst wenn ihre Songs mit viel Impulsivität und Improvisation spielen, verbirgt sich hinter der Musikerin eine zielstrebige Person mit einer klaren Vision. „Ich liebe elektronische Musik, ich liebe R’n’B, aber ich habe auch den Anspruch, dass jeder Song auch nur mit einer Gitarre oder einem Klavier funktionieren würde“. Trotzdem verzichtet sie eher selten auf ihre fünfköpfige Band, denn obwohl die Titel vor lauter Effekten überquellen, will Mia auch als blutige Anfängerin nicht auf den Live-Moment verzichten. „Ich bin schlichtweg kein Fan davon, auf Konzerten meine Tracks einzuspielen. Es hat eine ganze Weile gebraucht, bis ich die richtigen Leute für meine Band gefunden habe, aber ich finde es schön, dass man bei den Gigs sieht, was für ein Prozess hinter dieser Pop-Musik steht. Ich bin Fan davon, alles so real wie möglich zu machen.“

Mit der neuen Single geht es für Musikerin auf die zweite EP zu, die im Herbst erscheinen und an „Intro“ anknüpfen wird. Auch hier hat sie in erster Linie mit Henrik Lillehaug zusammengearbeitet und sich auf einen Sound geeinigt. “Im Grunde sind es immer wir zwei und unsere musikalischen Vorlieben, die irgendwie aufeinandertreffen und sich über etliche Ebenen irgendwann in der Mitte treffen.“

Text: Rosalie Ernst

 

Verlagssitz
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop | Aquinostrasse 1 | Zweites Hinterhaus, 50670 Köln | Germany
Team
Herausgeber & Chefredaktion:
Thomas Venker & Linus Volkmann
Autoren, Fotografen, Kontakt
Advertising
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop
marketing@kaput-mag.com
Impressum – Legal Disclosure
Urheberrecht /
Inhaltliche Verantwortung / Rechtswirksamkeit
Kaput Supporter
Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop dankt seinen Supporter_innen!