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Solidarische Ideen pushen, Gegenentwurf sein – Das Polylux-Netzwerk

7. Februar 2024,

Die Proteste im Frühjahr 2024 gegen die AfD und den drohenden Rechtsruck bei kommenden Wahlen sind beeindruckend. Sieht gut aus – in den Metropolen und in der Tagesschau. Doch wie wirkmächtig und nachhaltig ist das performte Engagement? Das Polylux-Netzwerk setzt sich ein für konkrete zivilgesellschaftliche Projekte im Osten Deutschlands – auch abseits der großen Zentren und der öffentlichen Hand. Demos allein werden die Faschos nicht aufhalten, das ist sicher. Linus Volkmann tauschte sich aus mit einem Kollektiv, das tief ins Problem eintaucht.

Erzählt doch mal, wie es losging. Denn Polylux gibt es ja nicht erst seit gestern. Die Gründung ist fast fünf Jahre her, was war der Anlass?

Vor über 5 Jahren, im August 2018, jagten Faschisten im sächsischen Chemnitz Menschen durch die Straßen, demonstrieren massenhaft Bereitschaft zum rechten Umsturz, verbreiten Pogromstimmung. Der Magdeburger Soziologe und Rechtsextremismus-Experte David Begrich schreibt damals nach einem Konzert, das als Reaktion auf diese rassistische Mobilisierungswelle unter dem Motto “Wir sind mehr” stattfindet, einen “Brief an seine westdeutschen Freund:innen”. Er schlägt darin vor, dass man sich jenseits von Empörung und Verwunderung – “Was ist da los im Osten?” – doch mal fragen könnte, wie die Leute aktiv zu unterstützen wären, die schon immer vor Ort ihr Gesicht hinhalten, sich für Solidarität mit Flüchtlingen einsetzen, in der offenen Sozialarbeit gegen rechte Jugendkultur engagieren. Sein Vorschlag von aktiven Patenschaften hat uns inspiriert. Wir waren zu dritt, drei Frauen aus dem Osten zwischen 30 und 40, saßen in Berlin und hatten den Eindruck, wir wollen was versuchen, etwas zurück geben in die Regionen, aus denen wir kommen, vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte mit Rassismus und Faschismus in den 1990er und frühen 2000er Jahren. In Dresden bangten währenddessen die ersten Projekte um ihre Finanzierung angesichts der Wahlerfolge der AfD und den anstehenden Landtagswahlen 2019. Irgendwie sind wir aufeinandergestoßen und haben uns zusammengetan. Dann legten wir mit dem Konzept los und sind dann bei der großen Unteilbar-Demonstration in Dresden kurz nach den Europa-Wahlen 2019, bei denen die AfD vor allem in Sachsen massiv an Stimmen gewonnen hat, das erste Mal an die Öffentlichkeit getreten. Und dann sind wir durch die Zeit mehr geworden.

Wenn man von Polylux spricht, wer steckt dahinter – wie habt ihr euch gefunden?

Hinter Polylux steckt einfach ein Teil vom “anderen Osten”! Wir heißen ja nicht umsonst Netzwerk Polylux. Alle Projekte und Menschen, die wir unterstützen, sind Teil davon. Als Gruppe, die den Laden organisiert, treffen wir uns zwischen Berlin, Leipzig und Dresden. Hier leben wir, machen linke Politik, organisieren uns in solidarischen Kiez-, Arbeits- und Communitystrukturen und feiern die antifaschistische Basis in den ländlichen Regionen. Es gibt auch einige Verbundenheiten zu aktiven und engagierten Menschen in Westdeutschland, die uns inzwischen kennen und mitdenken.

Polylux Plenum

Polylux pusht zivilgesellschaftliche Initiativen im Osten Deutschlands. Wie kann man sich das vorstellen, unterstützt ihr jene mit Geld, Logistik und/oder Know-How? Der Osten ist ja nicht klein, könnt ihr alles auch vor Ort begleiten?

Die Idee ist, vor allem linke antifaschistische Projekte mit einem progressiven Anspruch zu supporten. Dabei sind uns eine klare Positionierung ebenso wichtig, wie eine Perspektive auf Kontinuität und last not least die räumliche Verortung im ländlichen und kleinstädtischen Hinterland – wobei es auch Projekte gibt die aus größeren Städten heraus agieren, quasi eine gewisse Strahlkraft über die Ballungszentren hinaus haben.
Dabei ist eines unser Hauptanliegen den Projekten, Vereinen und Freiräumen eine Sorge die Finanzen betreffend zu nehmen, oder sie zumindest ein Stück weit dabei zu entlasten. Die politischen Strukturen sind auch durch Wegzug stabiler Menschen in die Großstädte, aber auch anderer Rahmenbedingungen davon geprägt, dass immer weniger Personen viel Wichtiges und Gutes auf die Beine stellen – dann sollen diese wenigen sich nicht auch noch permanent um Kohle sorgen müssen. Oder wie üblich, dafür zeitaufwendige Förderanträge stellen müssen, mit zum Teil widrigen Bedingungen wie umfangreiche Abrechnungen, lediglich teilweise Kostendeckung oder auch mit Zugeständnissen an die mittelgebende Institution (Stichwort Extremismusklausel, oder Logos auf Druckerzeugnissen u.a.) die oft nicht adäquat für die aktiven Menschen vor Ort sind.
Primär unterstützen wir mit Geld! Aber als nächstes geht es uns auch um eine Sichtbarmachung und Vernetzung der vielen und starken Aktivitäten, die überall schon immer stattfinden. Oder sich auch neu entwickeln oder wieder auftauchen, vielleicht, weil es jetzt Support gibt oder die Leute vor Ort merken, sie müssen mal wieder was tun. Es kommt auch vor, dass jene zurück in die Gegend kehren, aus der sie sich aus Gründen mal verabschiedet haben und nun mit der Erfahrung von früher an die Zusammenhänge von damals anknüpfen und sich dabei auf Support und Solidarität verlassen, wovon wir ein Teil sein wollen und sind.
Wir begleiten die Projekte darüber hinaus eher ideell, wir würden gerne bei allen vorbei kommen, vor Ort sein und auch direkt sehen, was alles geht. Nur, das ist zeitlich schwierig, auch weil wir alle noch andere Dinge im Alltag machen – nicht zuletzt müssen einige auch lohnarbeiten, oder haben noch andere schöne Dinge zu tun. Für die Arbeit mit den Projekten bei Polylux bekommen wir alle kein Geld. Aber wann immer jemand was braucht, auch wenn es nichts mit Geld zu tun hat, sind wir da und schauen, ob wir supporten können – etwa bei Öffentlichkeitsarbeit oder der Mobilisierung für Veranstaltungen.

Wie viele Projekte profitieren von euch und da das Spektrum ja sehr groß ist, könnt ihr mal sagen, was sich alles für Dinge unter eurem Dach wiederfinden? Und was die Anforderungen sind, um von euch gefördert zu werden?

Auf unserer Webseite www.polylux.network gibt es einen guten Überblick der Projekte, Gruppen und Vereine die Teil des Netzwerks sind – und auch was diese wo machen. Nicht alle beziehen immer Geld von uns, manche sind auch einfach so Teil des Netzwerks, andere kriegen regelmäßig Geld oder fragen zu bestimmten Anliegen an. Wie schon gesagt, geht es uns um die Unterstützung und Solidarität mit antifaschistischen Projekten, wobei sich manche Gruppen auf bestimmte Themen fokussieren – etwa explizit feministische oder antirassistische Projekte. Wieder andere organisieren Orte, an denen viele verschiedene Angebote stattfinden. Letztlich lassen sich alle darunter zusammenfassen, dass sie mit ihrem kontinuierlichem Handeln und der Organisation vor Ort – in der Provinz den Kleinstädten und Dörfern usw. – die Idee von einer offenen Gesellschaft im Blick haben, aktiv Solidarität leben, sich an gesellschaftlichen Prozessen beteiligen, zumeist mit einer kritischen Haltung aber auch dem Streben nach dem gutem Leben für alle. Auch dadurch, dass sie den Alltag und das Zusammenleben nicht der Tristesse überlassen wollen.
Unsere konkreten Anforderungen sind der Versuch eines Gegenentwurfs zu herkömmlichen Fördermittelstrukturen. Es braucht keine langen Anträge, eine Email beziehungsweise Kontaktaufnahme reicht. Wichtig ist uns, nachvollziehen zu können, wer wofür was braucht. Wir arbeiten mit einem gewissen Grundvertrauen in die Menschen, die für ihre Projekte Geld über uns bekommen wollen. Das bedeutet, wir gehen in Kontakt – am liebsten persönlich, aber das ist vom Aufwand her nicht immer zu schaffen, aber wir versuchen einen Eindruck zu gewinnen, mit wem wir es zu tun haben, was sonst so geht, was vor Ort passiert, fragen nach schon vorhandenen Netzwerken und Strukturen. Oftmals kennen sich die Menschen in den Regionen auch sehr gut, worüber sich sicherlich auch schon der eine oder andere Kontakt ergeben hat. Einen kurzen Überblick findet sich auf unserer Seite, bei den Kriterien: https://www.polylux.network/forderkriterien/
Uns ist u.a. wichtig, dass die Anfrage nicht aus Strukturen hervorgeht, die gewerkschaftlich oder parteinah organisiert sind, ebenso sieht es bei Anfragen aus Zusammenhängen von Hochschulen bzw. Universitäten aus – auch, aber nicht nur, weil diese eigene und ja auch sehr stabile Strukturen der Finanzierung haben. Außerdem schauen wir mitunter auch im Austausch mit den Anfragenden, ob es andere Möglichkeiten gibt, Gelder zu beziehen, die möglicherweise nur nicht bekannt sind. Wir fragen Projekte, die (erstmals) eine Anfrage stellen, ob sie Teil des Polylux-Netzwerks werden möchten, in unseren Projekteverteiler aufgenommen werden wollen, und auch, ob sie offiziell und sichtbar etwa auf unserer Webseite und Social-Media-Auftritt erscheinen möchten – das ist aber explizit kein Muss. Ebenso wenig muss irgendwo unser Logo auftauchen oder auf uns Bezug genommen werden. Das entscheiden die Projekte und wir im Zuge des gemeinsamen Austauschs.

Was sind so Momente, an denen ihr denkt: “Ja, geil, unsere Arbeit bringt was”?

Wenn wir sehen, dass und wie Menschen sich freuen, die Dinge umsetzen zu können, auf die sie Lust haben – und sie sich dafür nicht rechtfertigen müssen. Wenn die Kids alright sind auf den Konzerten, die in dem offenen Proberaum stattfinden, den die Stadt nicht finanzieren will, deren Erhalt Polylux dann halt absichert. Wenn sich Leute in offenen unkommerziellen Cafés begegnen können, die es in den sozial, kulturell und auch ökonomisch verödeten ostdeutschen Kleinstädten einfach nicht (mehr) gibt und somit solidarische Ideen und Konzepte wieder einen Ort haben, von dem aus sie wirken können, während es den Rechten immer nur um Zerstörung geht. Wenn der linke Jugendclub im Erzgebirge nicht zumachen muss, nur weil ihm die politische Melange aus Faschist*innen und Konservativen den Geldhahn zudreht. Wenn dann zu seinem Festival auch noch ein paar mehr stabile Antifaschist*innen anreisen und geflüchtete Menschen selbstorganisierte Veranstaltungen aufstellen können, dann ist das alles auch für uns zum Freuen. Aber hier geht es immer um kleine, ehrenamtliche, zivilgesellschaftliche Projekte. Der autoritäre Umbau der Gesellschaft, wie die AfD ihn im Fall ihrer Regierungsbeteiligung plant, wird noch ganz andere Strukturen treffen und das haben wir immer im Hinterkopf.

Gibt es einen Rückkanal von den aktuellen Protesten gegen die AfD auf euch und eure Arbeit?

Wir haben seit Januar einen deutlichen Zuwachs bei den Fördermitgliedschaften und auch bei einmaligen Spenden. Und das noch bevor wir jetzt unsere “1000 Fördermitglieder bis zu den Wahlen 2024”-Kampagne richtig gestartet haben! Wir werden gerade auch viel mehr erwähnt und angefragt, eigenständige Spendenaufrufe kursieren. Das heißt für uns erstmal, dass mehr Leute verstehen, worauf es jetzt ankommt, nämlich diejenigen zu unterstützen, die tatsächlich die vielbeschworene Brandmauer sind. Die nicht in sicheren Wohnzimmern sitzen, für ihr öffentliches Auftreten kein Honorar bekommen, keinen Schutz und auch keine öffentliche Anerkennung erhalten. Die eher noch mehr unter Druck geraten, durch rechten Hass oder staatliche Repression, durch bürokratische Verwaltungen oder Abwertung.

Ich erinnere mich vor Jahren an die Aktion von Feine Sahne Fischfilet, die Wähler*innen gegen rechte Landesparlamente organisieren suchte. „Meck Pomm – Noch nicht komplett im Arsch“, oder so hieß das. Der Bedarf nach antifaschistischer Aufklärung ist da, wie seht ihr denn die Entwicklung? Wird es auch besser oder doch immer schlechter, wenn man auf die reinen Zahlen guckt?

Klar, man kann sagen, am Ende kommt es immer darauf an, wem die Leute, die wählen gehen, ihre Stimme geben. Sehr viele Menschen gehen weiterhin nicht wählen beziehungsweise wählen eine faschistische Partei. Sehr viele Menschen gehen nicht wählen, weil man ihnen das Wahlrecht abspricht. Außerdem gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Besitz, Vermögen, Einkommen und der Wahlbeteiligung. Ärmere Menschen gehen seltener wählen, weil sich Politik weniger um sie schert, oder es zumindest so wirkt. Wer Geld hat, weiß um die eigene gesellschaftliche Position, geht wählen, macht Einfluss geltend.
Antifaschistische Recherchen leisten seit Jahrzehnten Arbeit, die mit der kürzlich veröffentlichten Correctiv-Recherche vergleichbar ist. Dafür werden die Leute vom Staat aber nicht belobigt, sondern repressiv verfolgt. Also in dem Sinne bleibt alles schlechter. “Unsere Demokratie” gibt es nicht. Uns geht es darum, Solidarität zu organisieren und darum, den Blick auf diejenigen zu richten, die sich ab- und jenseits parlamentarischer Wechselspiele jeden Tag mit rechtem Terror, Homophobie, Frauen-, trans- und Queerfeindlichkeit, Antisemitismus mit dem gesellschaftlichen und dem institutionellen Rassismus herumschlagen und trotz alldem überleben müssen. Wenn sich die Menschen unterstützt fühlen und nicht mehr alleine dastehen, dann ist es ein klein wenig besser. Aber das hat zurzeit relativ wenig mit Wahlergebnissen zu tun. Das mag traurig oder pathetisch klingen, aber die Männerband Feine Sahne Fischfilet ist ja auch ziemlich pathetisch – und im Umgang mit Sexismus und Kritik auch leider ziemlich traurig.

„Der nazidurchsetzte Osten“ ist ein unappetitliches Bild, das vor allem gern im Westen bedient wird. Welche Rolle spielt genau jene Arroganz in dieser Gemengelage eurem Eindruck nach? Nach Wahlen, zum Beispiel eine Mauer um Sachsen zu fordern, erscheint mir persönlich immer eher kontraproduktiv.

Echt? Wir fordern eine Mauer um Bayern. Und um Hessen. Am besten gleich auch noch um Baden-Württemberg. Der Osten ist nazidurchsetzt. Das ist vielleicht unappetitlich, für viele Menschen ist das aber vor allem lebensgefährlich. Mal im Ernst: Im Gegensatz zu der wohl kaum wirksamen Mauer um Sachsen, gibt es tatsächlich Menschen, die jetzt schon überlegen, wie sie sich nach den Wahlen und angesichts einer möglichen Regierung(sbeteiligung) der AfD inklusive Zugriff auf die Staatsgewalt (vor allem der Exekutive) verhalten sollen. Wenn selbst der Chef des thüringischen Landesamts für Verfassungsschutz im Interview sagt, er säße quasi auf gepackten Koffern für den Fall Björn H. gewinnt die Wahl, um dann schlagartig das Land zu verlassen. Und damit ist er nicht der einzige. Da sind polemische Ideen wie eine Mauer wohl eher mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Letztlich spricht aus der vermeintlichen Arroganz doch eine Sorge darum, der Gewalt, die von einem Staat unter einer faschistoiden Regierung ausgeht, ohnmächtig gegenüberzustehen. Die Empörung über Mauerwitze und Abgrenzungstendenzen von Regionen wie Sachsen oder Thüringen ist auch nicht viel produktiver als diese selbst es sind. Aber man könnte ja mal ernsthaft darüber sprechen, was machen wir mit einem AfD-geführten Bundesland? Gibt es dann immer noch Fördergelder vom Bund für Projekte dieser Regierung? Gibt es nicht Möglichkeiten zu sagen: “Okay, ihr habt AfD gewählt und “die Demokratie” abgelehnt. Dann geben wir eurer Regierung auch nicht unsere Gelder.” Stattdessen gibt es Geld für diejenigen, die vor Ort bleiben und sich widersetzen. Jene, die vor Ort stabil aktiv sind und bleiben. Und nicht zu vergessen – nicht alle die in den “unappetitlichen” Regionen leben, haben wirklich die Wahl. Ganz explizit sei dabei an Kinder und Jugendliche gedacht, die sich das selten ausgesucht haben, aber vor allem auch an Menschen, die sich im Asylsystem der BRD wiederfinden, und mit Auflagen und Restriktionen genötigt werden sich im zugeteilten Landkreis aufzuhalten. Lasst diese und andere Menschen nicht alleine, aber ja, mauert sie auch nicht ein!

Was hilft euch außer Geld noch weiter – sucht ihr noch Unterstützung, Zusammenschlüsse, Leute?

Zurzeit haben wir leider etwas wenig Zeit für neue Leute und Zusammenschlüsse, wir versuchen aber alle Anfragen zu beantworten und im Zweifelsfall zu netzwerken oder sinnvolle Verbindungen zu stiften. Abgesehen von Netzwerk Polylux – jede:r kann jede:r Projekte und Strukturen mit unabhängiger Finanzierung unterstützen, die durch den Entzug staatlicher Förderung gefährdet sind. Die beste Unterstützung ist, wenn sich mehr Menschen auf den Weg machen, sich organisieren und Position beziehen – im Netz, in ihrer Familie, in der Schule, beim Sportverein, im Betrieb, im Jugendclub, beim Bäcker, in der Kneipe. Die der Angst und dem Hass, die die Faschisten verbreiten, entgegentreten. Es mag sich gut anfühlen, auf großen Demos in den Metropolen ein Schild hochzuhalten. Aber wer das in der Kleinstadt oder auf dem Dorf macht, wo die rechte Hegemonie schon fest verankert ist, nimmt tatsächlich ein Risiko auf sich. Wenn das mehr Menschen in den Großstädten klar wird und dafür sorgt, dass sie ihre Komfortzonen verlassen, hilft uns das auch. Wer sich von Westen aus mit dem “anderen Osten” nicht verbunden fühlt, kann auch vor der eigenen Haustür gucken: braucht der Flüchtlingsrat Unterstützung, ist die Ortsgruppe der Omas gegen rechts schon gegründet? Wer nicht will, dass der Faschismus regiert, ist gut beraten, die Angelegenheit nicht irgendwem anders, dem Staat oder irgendwelchen Wahlen zu überlassen.

Wie ist eure Prognose für diesen vielbeachteten Wahlherbst im Osten?

Vor dem Herbst und den Landtagswahlen in drei Bundesländern im Osten, sind die Kommunalwahlen vor dem Sommer in ihrer Auswirkung und Bedeutung für die Menschen vor Ort nicht zu unterschätzen. In den Kommunen werden konkrete Beschlüsse gefasst, die sich direkt auf die Gegebenheiten vor Ort beziehen. Ein Beispiel: Wenn ein Kreistag mit einer entsprechenden Mehrheit beschließt auf die Zuwendungen des Bundes bezüglich der sogenannten Demokratieförderungen “zu verzichten”, weil sie einfach den Eigenanteil im Haushalt streichen, oder versuchen, daran bestimmte Bedingungen zu knüpfen, wird es für viele Projekte und Vereine erhebliche Veränderungen geben, was mitunter auch existenziell werden kann. Die Menschen, die sich engagieren und die aktiv weiterhin handeln möchten und müssen, werden Wege finden, dies zu tun, aber es wird sich schwieriger gestalten. Außerdem wird es auch zu einem Anstieg der Gewalt kommen – denken wir zumindest. Im Anschluss an eine Anti-AfD Demonstration am 27. Januar in Bautzen wurden mehrere Menschen heftig angegriffen und ein Jugendclub wurde von Nazis in Göda angezündet, um nur zwei Beispiele zu nennen. Nazis, die mitbekommen, dass ihre Position auch in Parlamenten vertreten wird, fühlen sich berufen, dass dann auch aggressiv auf der Straße durchzusetzen. Statt waghalsige Prognosen zu betreiben, oder sich gar auf diese zu verlassen, weil etwa die aktuellen Proteste das Bild verschieben, kann jede:r sich Gedanken machen, was jetzt und auch nach den Wahlen getan werden kann – getan werden muss. Und das auch, wenn es, wie wir selbstredend hoffen, nicht zu einer Mehrheit jener kommt, die schon finsterste Pläne in der Schublade liegen haben. Für eine offene Gesellschaft und ein besseres Leben für alle kann und sollte immer gestritten, gekämpft und gehandelt werden – gestern, heute, morgen und auch nächstes Jahr!

Kann ich sofort unterschreiben. Vielen Dank, Polylux! Für diesen Austausch, aber vor allem auch für euer Engagement.

Interview: Linus Volkmann

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