2022 – the year as heard and seen by the team behind kaput

Lars Fleischmann ist #365tagekaput

 

Lars Fleischmann:

Hier meine Top 1 Platte: Black Country, New Road, “Ants From Up There”

Wenn man ein Jahr lang jeden Tag über je eine Platte (oder gleich mehrere) geschrieben hat, so wie ich 2022 bei Instagram unter dem Hashtag #365tagekaput, dann wird so etwas wie Jahresbestenlisten obsolet. Die Verausgabung und erschöpfende Durchforstung war hier ja ein Weg, um gegen solche vermeintlich unausweichlichen Kategorisierungen, Hierarchien und Bestenlisten-Gedönse anzuschreiben. Statt “Hier sind die Highlights (die ihr euch auch alle zu kaufen habt, wenn ihr dazu gehören wollt” also eher ein “Heute höre ich das und hier sind meine Gedanken”.

Wer mit auf die Reise kam, hat sich entweder verstanden gefühlt, dagegen rebelliert und Widerstand gezeigt oder etwas ganz anderes empfunden. Das ist mir zwar nicht gleich geworden, doch gab es irgendwann den Moment, als es hieß, sich von Erwartungen frei zu machen. Wann dieser Moment genau war, das kann ich in Retrospect gar nicht sagen: Womöglich war das in der Woche, als der Krieg ausbrach und trotzdem alle in Köln auf den Straßen Karneval feierten. Vielleicht war es auch später, als die ersten Solidaritätswellen verebbten und man zu “business as usual” überging – was man hinsichtlich der Ausnahmesituation Krieg und nach zwei Jahren Corona auch nicht gedacht hätte. Oder es war bei diesem einen Interview, keine 48 Stunden nachdem der Mord an Jina Mahsa Amini weltweit bekannt gemacht worden war, als ich mit einer iranischen Kulturakteur*in bloß in Nebensätzen über die Geschichte sprach, uns beiden aber klar war, dass wir uns im Vormärz befanden.

Anfang des Jahres übernahm ich mit dem Kaputie Thomas Venker das Clubland der Kölner Stadtrevue, das Ressort für nächtliches Treiben und (vornehmlich) elektronische Musik und Artverwandtes. Zur Begrüßung schrieben wir im Zwiegespräch Thesen zur Clubwelt und zu Corona auf. Was sich verändert hat, was unverändert weitergeht. Thomas meinte damals zu mir, dass ich zu pessimistisch sei. Und trotzdem hat das Jahr 2022 alles Üble noch viel beschissener ausgespielt, als wir es eh gedacht hatten.
Die Hoffnungsschimmer, die es dennoch gibt und gab, die habe ich in glorreichen Platten gehört, in optimistischen, aber auch mit der Welt und allem hadernden Songs. Nachlesen kann man das bei Instagram unter dem Hashtag #365tagekaput oder in Buchform, wenn sich jemand dafür findet.

Nur eine Platte kam indes zweimal vor: “Ants From Up There” von Black Country, New Road. Schon alleine deswegen ist es irgendwie meine Platte des Jahres. Aber auch die Geschichte um diese Platte, mit einem Sänger (Isaac Wood), der solange gegen die Depression angesungen und angeschrien hat, bis ihm letztlich die Kraft ausging – und einer Band, die weitermacht. Weil Aufgabe ist keine Option. Neue Wege muss man finden, unpopuläre beizeiten, ernst gemeinte. Sonst heißt es “Zusammenbruch”, wenn eine der wichtigsten Personen aus einer Band ausscheidet. Bei BC,NR hingegen heißt es, sich dem Erbe, der Verantwortung und Prüfung zu stellen.

Manchmal sind die Platten des Jahres gar nicht die besten, exotischsten, aufregendsten oder berührendsten, sondern jene, die eine Welt aufzeigen, die besser eingerichtet ist als unsere.

#365tagekaput
#immernochkaput

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