Kolumne

Die Sache mit den Duran-Duran-Autogrammen

In meiner Laufbahn als Musikjournalist habe ich sicher hunderte Interviews geführt, möglicherweise sogar noch mehr. Autogramme besitze ich nur einen Handvoll, sowas schickt sich nicht für einen seriösen Autoren. Eigentlich schade. Hier ist die Geschichte zu einer der wenigen Begegnungen, in denen ich tatsächlich den Stift zückte. Von LINUS VOLKMANN
– „Du möchtest ein Autogramm, Kleines? Für wen soll ich es signieren?“
– „Öhhh, ebay?“
Ich glaube, dieser Dialog stammt aus einer frühen Folge der Serie „Futurama“. Ich habe ihn im Jahre 2000 auch Duran Duran erzählt. Daher steht auf meiner signierten Platte „Arena“ neben den Namen der Band nun auch für alle Ewigkeit „NOT FOR SALE“ drauf. Die Engländer hatten hinter diesem Gag vermutlich schon einen gewissen Ernst gewittert – und wollten sichergehen, dass ich mich nicht auf ihrem Deckel im gerade ausgebrochenen Internet bereichere.
Aber mal von vor:
Synthie-Pop der 80er Jahre war für mich ein Preview auf eine sehr wichtige Welt, ohne dass ich das damals als Kind schon kapiert hätte.
Aber Figuren wie Limahl, Boy George, Annie Lennox, Pete Burns (Dead Or Alive) oder auch Nick Rhodes (2. Von links) haben die klassischen Geschlechterbilder, die mir in Schule, Provinz und Familie begegneten, offensiv verdreht.
Männliche und weibliche Zuschreibungen laufen hier völlig selbstverständlich durcheinander. Aufregend fand ich das.
Ich erinnere mich noch daran, wie mein Vater Boy George als eine sehr hässliche Frau wahrnahm.
Er hatte offensichtlich keine Ahnung. In dieser Pop-Welt besaß ich intuitiv und generationsbedingt mehr Durchblick als die Eltern? Hey, allein das gefällt einem in der Pubertät natürlich.
In der „wirklichen“ Pubertät wenige Jahre darauf kam für mich dann Punk, ich gründete eine einigermaßen dämliche Rumpelband, neben der noch die Abstürzenden Brieftauben wie Intellektuelle wirkten.
Mit der gefühlten Befreiung, die mir Punk und DIY vermittelten, ging aber auch wieder eine Restauration klassischer Geschlechterbilder einher. Finde bis heute schade, wie vermackert die Punkszene war und ist. Eine Szene immerhin, in die ich so viel Zeit und Leidenschaft gesteckt habe.
Viele Jahre später: Im Jahre 2000 jedenfalls werde ich Redakteur beim Intro-Magazin und Duran Duran haben gerade wieder ein Comeback. Keine große Sache im Nachhinein, sondern wie die meisten Reunions einfach ein Apropos, auf das man sich als Fan noch mal an früher erinnern kann. Wie das Album 2000 hieß, musste ich nachschlagen: „Pop Trash“ (Eine Woche in den deutschen Charts – auf Platz 80).
Auch wenn ich wie ein „echter Journalist“ (Ulrich Wickert, Antonia Rados, Kent Brockman) wirken will, nehme ich zum Gespräch im Kölner Hotel Wasserturm (normalerweise nur was für reiche Leute, burn baby burn) meine Duran-Duran-Platte mit.
Ich will die Unterschriften. Ich will Stars anhimmeln, wie ich es als Kind tat und wie es im Punk später verpönt war.
Duran Duran sind sehr freundlich und zugewandt. Mir erschienen sie damals wie aus einer anderen Zeit gefallene bunte Greise, Simon Le Bon ist zur Jahrtausendwende 42 Jahre. Schwamm drüber!
Der Glanz, den die Band abstrahlt, ist noch warm. Ein bisschen „A view to a kill“ – und irgendwann geht Sänger Simon Le Bon pinkeln, wir anderen sitzen da und hören es plätschern. Ich weiß in dem Moment plötzlich, dass ich diesen Augenblick in meinem ganzen Leben nicht mehr vergessen werde.
Die Autogramme hätte es daher gar nicht gebraucht für die Erinnerung. Ich bin trotzdem froh, sie zu haben.
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