Thomas Venker

Albtraum mit Ansage

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Die schreckliche Ahnung, sie ist zur Gewissheit geworden. Trotz all der bitteren Lektionen, die der Brexit uns eigentlich hätte beschert haben müssen, nämlich
a) die politischen Gegner nicht ernst genug zu nehmen
b) es uns mit humorvoll-sarkastischen Postings und Kommentaren zu bequem zu machen im eigenen Milieu
c) der Freakshow viel zu viel mediale Präsenz einzuräumen
d) am Abstimmungstag das eigene Milieu nicht mobilisiert zu bekommen
konnte ein ähnlich fataler Ausgang bei der US-Wahl nicht verhindert werden.

Mal davon abgesehen, dass all die Umfragedaten das Ergebnis in dieser Wucht, die die Ereignisse der vergangenen Nacht mit sich gebracht haben, absolut nicht zu prognostizieren in der Lage war (mit Folgen für gleichermaßen gesellschaftliche Einschätzungsprozesse aber eben auch die Wahlkampfausrichtung), muss man konstatieren, dass zumindest der letzte der vier Punkte diesmal nicht zutrifft: es war keine Niederlage von Hillary Clinton in dem Sinne, dass sie selbst ihren Kontrahenten nicht ernst genommen hätte und auch nicht dass es ihr nicht gelungen wäre, (ihre) Wähler zu mobilisieren, auch wenn nicht im selben Maße wie Obama zuvor (und ich denke jeder von uns konnte diesmal auch in seinem privaten und popkulturellen Umfeld merklich mehr Aufrufe zur aktiven politischen Partizipation erkennen, siehe stellvertretend das Posting von Black Madonna in der Galerie) – wer das Incoming der Wahlergebnisse letzte Nacht verfolgt hat, der musste irgendwann eher erkennen, dass es vielmehr Trump gelungen ist, geradezu jeden seiner potentiellen Wähler auch wirklich zur Wahl zu bewegen.

Aber ich will mich an dieser Stelle auch gar nicht zu tief in der Wahlanalyse verlieren, das können andere viel besser. Ich schreibe hier vor allem deswegen über die Wahl, da ich aktuell, wie schon im letzten Jahr, die Chance habe, beim Weltklimagipfel dabei zu sein. Wobei die Vorzeichen nicht unterschiedlicher sein konnten. Denn während die große Bedeutung der COP21 in Paris im Vorfeld  jedem klar war, stand die Vorberichterstattung auf Marrakesch vor der großen Herausforderung, eine ähnliche Spannung wieder aufzubauen. Zwar widerspricht einem niemand darin, dass die anstehende Umsetzung des Abkommens mindestens genauso wichtig ist wie das im letzten Jahr verabschiedete Abkommen selbst, aber leider trägt die Sisyphusarbeit’ nicht mal einen Hauch von der gleichen Strahlkraft für Presse und Öffentlichkeit in sich.

Das Problem sollte sich aber am Ende (leider) selbst auflösen. Denn schon während des gestrigen Anflugs auf Marrakesch war klar, dass der High-Noon-Showdown der US-Wahl zugleich den Start und Verlauf der COP22 maßgeblich bestimmen würde. Und schnell wurde deutlich, dass wir aus dieser Night of the Living Dead nicht wieder so schnell aufwachen werden.

Die Stimmung auf der COP war heute Morgen dementsprechend unterirdisch. So sehr sich alle Mut machten (fast jeder, der sich öffentlich äußerte, betonte seinen Glauben (durchaus oft im religiösen Sinne des “faith”) an das Gute und versuchte irgendwie optimistisch rüberzukommen), die Ratlosigkeit und die Angst vor dem, was dies alles für die Arbeit der hier versammelten Politiker, NGOs und Betroffenen bedeuten wird, war jedoch greifbar.
Und wirkliche Antworten gab es keine.

Nun hat die COP22 jedoch erst angefangen und man darf sicherlich nicht den Fehler begehen, sie sofort als quasi beendet abzulegen – die Argumente für das intensive Aufbäumen gegen den Klimawandel, sie müssten auch Trump und seiner kommenden Administration einleuchten, aus wirtschaftspolitischen und innenpolitischen Gründen. Denn wie es Alden Meyer von den Concerned Scientists heute morgen auf der Eröffnungspressekonferenz der Non-Governmental-Organisations (NGOs) trocken ausdrückte: die Flut an der Haustür fragt nicht, ob hier ein Republikaner oder ein Demokrat lebt – die Anzahl von Überflutungen hat auch in den USA im letzten Jahrzehnt massiv zugenommen, der Meeresspiegelanstieg und damit verbundenen Umweltkatastrophen sind eben bei weiten nicht nur ein Problem von Inselstaaten im Südpazifik. Nicht jeder konnte an diesem so seltsamen Tag in der Geschichte der Klimaverhandlungen dermaßen die Kontrolle behalten, es kam zu einigen schwer verstörten Auftritten, inklusive merklich angetrunkener Panelisten.

Aber eins ist trotzdem klar, der große Optimismus, den das Abkommen von Paris für alle bedeutete und den auch Barack Obama mit seiner Rede auf der COP21 wesentlich mit ausgelöst hat, er hat letzte Nacht einen heftigen Dämpfer bekommen. Die Welt steht politisch vor sehr schwierigen Jahren – und das wird auch für die Klimapolitik nicht ohne Auswirkungen bleiben. Und wenn wir nicht schnellstens unseren Habitus der Ignoranz (siehe die Punkte a) bis c) am Anfang dieses Beitrags) abgestellt bekommen, dann können daraus auch Jahrzehnte oder Schlimmeres werden.

 

 

 

 

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