„Eine willkommene Gelegenheit, Punk zu verraten“ BSK-Undercover
BSK sind eine aufregende Punkrockband. Linus Volkmann hat sie bereits an anderer Stelle möglichst groß in Szene gesetzt. Doch hier finden sich die Lost Files des Interviews. Es geht um Verrat, eine Pop-Uni und das Schicksal des Kaput-Gründers Thomas Venkers.


Ich bin ja leicht zu begeistern: Die Sonne scheint! Der Hund trägt ein Hütchen! Die BSW-Zentrale steht in Flammen und so weiter … Dennoch vergebe ich meine Gunst nicht mit der Gießkanne. Es muss schon knallen. Das führte mich diesen Herbst zu BSK (nicht zu verwechseln mit BSW oder BDS). Eine Ansammlung von fünf Jugendlichen, die einfach ihr Leben leben wollen und Bock auf gutherzige Randale haben. Sie stammen aus dem Westen, die Keimzelle lag einst im sagenumwobenen Neuwied (Flippermuseum UND Toxoplasma).
Ihre Musik ist sehr smarter Punk mit Nähmaschinen-Gitarren und sogar immer wieder mal Bläsersätzen („Wir wollen aber nicht enden wie Feine Sahne Fischfilet“, Zitat aus der Erinnerung). Das aktuelle Album trägt den Titel „Keine Bewegung“ (Kidnap Music) und ist das Must Have für eine Zeit und eine Generation, die sich mit dem Ende der Zivilisation rumärgern muss. Ich habe mit den fünf Freund*innen ein ausführliches Interview ins Netz gestellt. Nichts zu danken. Hier findet ihr es.
Jetzt könnte man sich zurücklehnen und es mit dieser ausufernden Empfehlung bei unseren Kolleg*innen vom Musikexpress bewenden lassen, aber ihr Lieben, die Geschichte besitzt noch einen interessanten Twist. Einer von BSK hat tatsächlich bei Thomas Venker (dem Gründer des Kaput-Mag) studiert. Wie kann so etwas sein, fragt man sich als linksradikaler Autonomer natürlich. Gibt es jetzt schon Punkte auf das Bombing eines S-Bahnzugs (also komplett besprühen, liebe Eltern, falls ihr mitlest) oder bekommt man seinen Bachelor für dreimal Vorsitz im AJZ-Arbeitskreis Sachbeschädigung? Nein, der Junge von BSK sieht sich einfach in der professionellen Musikwirtschaft beziehungsweise der Lehre dazu um. Das macht ihn ja nicht sofort zu einem Zivilbullen.
Thomas Venker jedenfalls unterrichtet nicht mehr an dieser Pop-Uni, dazu hat er einen aufrüttelnden Artikel geschrieben, der hier gleich noch Thema sein wird. Dieser und mehr tauchte dann auch im BSK-Interview auf – und jene Ergänzung stelle ich nun hier auf Kaput ein. Hoffe, ich trete damit niemandem auf die Füße. Es ist einem ja immer so wichtig, dass alle zufrieden sind. Obwohl … manchmal ist auch das Gegenteil gut.
In euren Texten findet man sehr oft so einen gütigen Spott für die eigene linke Szene. Also Betrachtungen, die aus dem letzten KüFa-Plenum (KüFa = „Küche für alle“) stammen könnten. Keine Spalterlyrik aber doch ein kritischer, humorvoller Blick auf autonome Zusammenhänge.
Das war jetzt gar keine Frage, aber antwortet doch trotzdem drauf.
SALOMON Ich fand es halt immer irritierend, wenn ich Konzerte im autonomen Zentrum besuche, dass mir Punkbands dort oft noch mal erklären, wie doof Nazis sind. Dabei wissen das doch alle hier – und wenn man wirklich was Kritisches machen will, dann scheint es mir interessanter, einen Song zu schreiben, der eben genau in jener eigenen Bubble für Diskussionsstoff sorgen kann, statt die Zecken educaten zu wollen, dass der Kapitalismus nicht so ein tolles Wirtschaftssystem ist oder die Polizei auch ein Problem sein kann. Allerdings habe ich heute das Gefühl, dass wir mitunter auf Bühnen ankommen, auf denen wir weit außerhalb solcher Räume spielen. Dann kann es sich auch komisch anfühlen, so einen Szenekritik-Song zu spielen…
BEN Doch obwohl wir diese Reibungsfläche in den Texten haben, scheinen die Songs innerhalb der eigenen Szene anschlussfähiger zu sein, als wir vielleicht denken.
SALOMON Wir haben einen Song, der heißt „Räumt das AZ“. Da war meine Befürchtung, dass uns der mal um die Ohren fliegen könnte. Aber es ist vielmehr so, dass wir Konzertanfragen bekommen, in denen Leute schreiben: „Hey, euer Song ‚Räumt das AZ‘ ist toll, bei uns ist es genauso, wie ihr es beschreibt – wollt ihr in unserem AZ spielen?“
Ich habe außerdem gehört, einer von euch wurde von Thomas Venker an einer Pop-Uni gelehrt. Wie kann das sein? Thomas hört doch immer bloß verschwurbelten Autorentechno.
[Betretenes Schweigen]
Stimmt diese Geschichte überhaupt? Wisst ihr, wovon ich spreche?
SALOMON [zögerlich] Ja, also, ich habe bei Thomas studiert.
Können wir darüber offen reden?
SALOMON Wir versuchen als Band, Punk so oft es geht zu verraten, da war es eine willkommene Gelegenheit, auch noch ein Studium der Popmusik anzufangen.
Und das machst du immer noch?
SALOMON Ja, ich bin auch erst im zweiten Semester.
Aber Thomas Venker ist doch schon draußen. Wie könnt ihr euch überhaupt begegnet sein?
SALOMON Im ersten Semester.
Sehr gut. Und was hast du von ihm gelernt?
SALOMON Von Thomas nehme ich auf jeden Fall eine krasse Perspektiverweiterung mit. Was es überhaupt alles so gibt und wie man Musik anders rezipieren kann. Außerdem war er ein wichtiger Ansprechpartner, als wir mit dem Label [Kidnap] in Kontakt gekommen sind. Worauf muss man achten bei Verträgen zum Beispiel – damit nicht allein zu stehen, ist ein großer Vorteil.
Du weißt schon, dass er dir keine Noten mehr geben kann? Aber natürlich schön, dass du das so positiv formulierst.
BEN [spielerisch naiv] Danke Thomas, dass wir keinen Knebelvertrag bekommen haben.
SALOMON Ich finde es jetzt nicht so interessant im Interview viel darüber zu reden, aber vielleicht hast du ja Lust diese Kolumne von Thomas anzuhängen über die aktuellen Entwicklungen an der Uni und warum er gegangen ist. Das fände ich gut.
Das mache ich gern. In dieser Kolumne schreibt er ja, dass es eine neue Leitung gibt die zuerst mal alle Dozierenden vor die Tür gesetzt habe und eine Vision ziemlich abseits der Bedürfnisse der Studierenden mit sich führe. Hat sich dieser düstere Ausblick nun bewahrheitet vor Ort?
SALOMON Ich kann da keine Ja/Nein-Antwort geben, aber es ist auf jeden Fall klar, dass die Richtung, die unser neuer Leiter gehen möchte, nicht die ist, auf die wir Studierende wie auch bisherige Lehrende Lust haben – und die aus unserer Perspektive auch wenig mit Pop*musik zu tun hat. Sein Verhalten gleicht eher dem eines neuen CEOs, der ein privatwirtschaftliches Unternehmen übernimmt und auf seinen Kurs bringt, als dem eines Menschen, der an Austausch in einer sozialen Gruppe interessiert ist. Mir ist aber wichtig zu sagen, dass das Problem hier nicht bei einer fragwürdigen Personalentscheidung der Folkwang Uni liegt. Vielmehr liegt es darin, dass es überhaupt solche Führungspositionen gibt – beziehungsweise, dass in hierarchischen Strukturen in letzter Instanz so etwas wie Partizipation keine Rolle spielt. Dann werden wieder nicht die gefragt, die es betrifft.
Das ist eigentlich auf alles übertragbar: Ob es nun darum geht, den Staat zu lenken, Unternehmen zu führen oder nur Vorsitzende*r eines Vereins zu sein. Es ist immer wieder zu beobachten, dass Leute, die zu viel Macht haben sich selbst überschätzen, ihre Position ausnutzen und im Zweifel durchdrehen.
Wenn das nicht mal ein gutes Schlusswort ist.
Interview: Linus Volkmann




