Erlebnisse und Einordnungen von von einem aus dem Ameisenhaufen hinter den Kulissen des Konzertbetriebs

Arbeit am Ereignis – Popkonzerte und Großevents von unten

 

1 The Music of the Spheres

Ich komme am Stadion an, als das Konzert langsam auf seinen Höhepunkt zusteuert. Es ist die dritte Show von Coldplay in Folge und jedes Mal war das Stadion mit seiner Kapazität von 50.000 Steh- und Sitzplätzen vollständig ausverkauft. Die ätherische Gitarrenmelodien und traurig-frohen Klavierakkorde der Band hallen laut und trotzdem echohaft verzerrt über den Vorplatz. Dicht neben mir rauscht ein Feuerwerk in den Himmel. Es folgen Jubelschreie zehntausender Menschen, die hinter den hohen Stadionwänden unsichtbar bleiben. Obwohl ich bisher nichts von dem Konzert mitbekommen habe und zum Arbeiten hier bin, kann ich mich der positiven Stimmung, wie sie bis an die Peripherie der Veranstaltung dringt, nicht ganz entziehen. Es liegt etwas verheißungsvolles in der Luft.
Meine Schicht beginnt um 21 Uhr, aber wie immer wurden wir mit einem großzügigen Vorlauf an den Arbeitsplatz bestellt. Wir bekommen T-Shirts in verschiedenen Farben ausgeteilt, die uns verschiedenen Arbeitsbereichen zuordnen. Bis 22 Uhr dürfen wir uns dann herumtreiben und abwarten. Ich nutze die Zeit, um das Stadion zu umrunden und mir aus verschiedenen Blickwinkeln einen Eindruck vom Konzert zu verschaffen. Aus allen Perspektiven fällt mein Blick zuerst auf Chris Martins Gestalt, die riesengroß auf zwei kreisrunden LED-Schirmen erscheint, die die Bühne links und rechts einrahmen. Das gesamte Publikum wurde unter Einsatz dutzender Helfer:innen mit Armbändern ausgestattet, die Synchron zur Musik in verschiedenen Farben aufleuchten und blinken, wodurch sich die Menge in eine Art Bildschirm verwandelt, der hypnotisch schimmert und pulsiert. Kurz vor dem Ende der Show werden große Ballons ins Publikum geworfen. Die Tour heißt „The Music of the Spheres“. Überall Kugel-Symbolik, künstliches Sternenlicht in warmen Farbtönen, sanfte, erhabene Melancholie, Entladung der Frustrationen des Alltags, Love.
Um 22 Uhr wird das Abbau-Team hinter dem Stadion zusammengetrommelt und von einem Produktionsleiter hinter die Bühne geführt. Unten heißt es nochmal warten. Um Punkt 22:30 ist das Konzert dann zu Ende. Noch während tausende Menschen nach einer Zugabe verlangen, geht das Stadionlicht an und wir werden auf die Bühne beordert. 
Für das ungeübte Auge bricht jetzt das große Chaos aus. Sofort sind hunderte von Menschen im Einsatz. Man denkt unwillkürlich an einen Ameisenhaufen, der sich an die Zerteilung eines großen Stücks Kuchen macht. Gleichzeitig werden Audio- und und Lichtsysteme von ihrer Position am Bühnengerüst heruntergefahren. Barrikaden werden eingeklappt, Stahlträger abgeseilt, Scheinwerfer abgeschraubt.

Als Teil der Backline-Crew ist es meine Aufgabe, zusammen mit acht Kollegen, Kisten für Instrumente und Verstärker auf Position zu schieben und dann voll beladen an den Bühnenrand zu befördern, wo sie von einem Gabelstapler heruntergefahren, von den sogenannten „Pushern“ zu den LKWs geschoben und dort von „Loadern“ auf der Ladefläche verstaut werden. Dutzende von LKWs sind bereits vorgefahren. In vier Stunden wird nur noch das nackte Bühnengerüst stehen. Auch dieses kommt aber, mit dem Anrücken der Nachtschicht, im Lauf der Nacht noch weg. Das Stadion ist dann für ein Paar Tage wieder nur ein Fußballstadion. Bevor alles in ein bis zwei Wochen wieder von vorne Anfängt, wenn Ed Sheeran, Iron Maiden oder die Fantastischen Vier mit ihrem Produktionsarsenal anrücken.

 

 

2 Ameisenarmee der Eventbranche – Die Stagehands

Als gelegentlicher Besucher von Großkonzerten macht man sich selten bewusst, was für ein Arbeits- und Planungsaufwand hinter dem Ablauf solcher Events steht. Selbst große Konzerthallen besitzen oft keinerlei eigenes Equipment, stattdessen wird das gesamte Material, das nötig ist, um ein Konzert durchzuführen, von jeder einzelnen Produktion in einer Kolonne dutzender LKWs von Ort zu Ort gefahren und jedes Mal vollständig auf- und abgebaut.
Die Bestandteile der Produktion teilen sich auf unterschiedliche Subunternehmen auf, die die Komponenten bereitstellen. Eine Firma baut die Stahlelemente – also Bühne und Medientürme auf. Eine andere kümmert sich im die Elektrizität. Eine inländische Veranstaltungsfirma führt das Event lokal durch, während Coldplay als Unternehmen wiederum ein Unternehmen betraut, die die Tour managend und realisiert.
Dabei wären diese Veranstaltungen nicht ohne einen großen Vorrat lokaler Arbeitskräfte denkbar, der sogenannten Stagehands . Es gibt Zeitarbeitsfirmen, die hier als Personaldisponenten auftreten und der Branche ein großes Reservoir ungelernter Arbeiter:innen bereitstellen, das je nach Größe der Veranstaltung skaliert werden kann.

Stagehands haben den seltsamen Status inne, dass sie durch ihre schiere Menge das Event überhaupt erst möglich machen, aber im Einzelnen vollkommen austauschbar sind. Jeder kann Stagehand sein, der eine Kiste schieben kann. Komplexere Arbeitsabläufe an Geräten werden einem on the fly von Technikern erklärt. Eine große Produktion beschäftigt etwa 50 Veranstaltungstechniker:innen, die große Gerätschaften aufbauen und bedienen. Aber das wäre ohne die Stagehands gar nicht zu stemmen. Man nehme das Beispiel der enormen LED-Wände, die auf Konzerten inzwischen unabdingbar sind und die das Geschehen auf der Bühne doppeln, damit man die visuelle Abwechslung einer Fernsehübertragung, zeitgleich zum Liveauftritt genießen kann. Diese LED-Wände bestehen aus Modulen, die bis zu 100 kg wiegen und von Hand zusammengesetzt und wieder zerlegt werden müssen. Die Aufgabe der Stagehands ist es nun, den Technikern die Module anzureichen – und beim Abbau wieder abzunehmen und auf fahrbaren Halterungen zu verstauen. Das schwere Material muss dann durch die großen Hallen und Gelände transportiert und in LKWs befördert werden. Dabei gehorchen die Arbeitsabläufe dem Takt der Tour. Alle sind gestresst und wollen so schnell wie möglich fertig werden, da sich das ganze Spiel in 24 Stunden an einem anderen Ort wiederholen wird.

Das Schauspiel ist einschüchternd und faszinierend zugleich. 20 LKWs stehen in einer Reihe. Wenn sie wegfahren, rücken weitere nach. Überall sind Grüppchen von 10, 20 Leuten in einheitlichen Warnwesten oder T-Shirts unterwegs, die eine nicht enden wollende Menge an Material über das Gelände befördern. Hoch oben im Gestänge des Bühnengerüsts klettern sogenannte „Rigger“ herum und lassen Stahlträger und anderes Gerät ab, das unten demontiert wird. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine gewisse Disproportionalität in der Event-Industrie die Norm ist. Alle sind latent überfordert und gestresst. Geräte, Material- und Arbeitsaufwand ist per Definition zu groß für die beteiligten Firmen . Die Zeit ist extrem knapp bemessen. Das muss durch billige Arbeitskraft abgefedert werden. Die Stagehands dienen dabei als eine Art Schmiermittel.

In Zeiten, in denen die Industrie floriert, im Überfluss vorhanden, kann man verschiedene Arbeitsbereiche durch beliebige Mengen an Stagehands beschießen und somit deren Leistung maximieren, was den schnellen Ablauf der Arbeiten und somit die Tour der großen Interpreten, überhaupt erst möglich macht. Natürlich stellen sich ungelernte Arbeiter, besonders in einem Bereich, in dem hohe Fluktuation herrscht, oft ungeschickt an und machen Fehler. Aber das wird durch die schiere Menge an Leuten aufgewogen, die gegenseitig ihre Schwächen kompensieren.

 

 

3 Das Pop-Event als „Nicht-alltägliche Erfahrung“

Wie kann sich so ein Arbeitsaufwand rentieren? Oder in anderen Worten: Was ist es, das die Veranstaltungsbranche verkauft und wonach offenbar eine so große Nachfrage besteht, dass es sich lohnt, für Events von wenigen Stunden Dauer, über Tage hinweg eine enorme industrielle Maschinerie in Gang zu setzen und hunderte von Menschen zu beschäftigen, nur um alles kurz darauf wieder abzureißen?

Eingangs habe ich von der verheißungsvollen, vage sakralen Stimmung gesprochen, die auf einem Großkonzert bis an seine Peripherie dringt und der man sich sogar als Arbeiter nicht vollständig entziehen kann.
Ein Lehrbuch des Veranstaltungsmanagements listet folgende Komponenten des Events als Produkt auf:

„Emotionale (Subjektive Verknüpfung) , Atmosphärische (Situationen der erlebten Gemeinschaft) , Sensorische z. B. Genießen von Speisen beim Event-Catering , Intellektuelle z. B. Hören eines Vortrages , Symbolische (Bedeutung des Besuchs einer Veranstaltung im sozialen Umfeld), Transzendente (Entkopplung von Zeit und Ort durch eine Nicht-alltägliche Erfahrung). Diese Komponenten wirken gleichzeitig, so dass sich Events als multisensuale Erlebnisse in den unterschiedlichen Graden der Erfüllung der genannten Erlebniskomponenten widerspiegeln.“
(zitiert aus: Thomas Sakschewski, Siegfried Paul (2017): – Veranstaltungsmanagement – Märkte, Aufgaben und Akteure. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2017 S. 6)

Die Veranstaltungsbranche produziert multisensuale und sogar transzendente Erlebnisse als „nicht alltägliche Erfahrungen“. Offenbar ist sie der Sektor der Wirtschaft, der damit betraut ist, der Gesellschaft etwas anzubieten, das sie hin und wieder über die Trivialitäten des Alltags hinaushebt und in der „Entkopplung von Zeit und Ort“, etwas höheres erfahren lässt. Wie erfolgreich die Veranstaltungsbranche damit ist, kann man daran erkennen, dass die Deutsche Sprache für den Begriff des Ereignisses keine besondere Verwendung mehr hat, außer dem trivialen, dass einfach „etwas passiert“. Will man auf ein signifikantes Ereignis verweisen, von dem man sich ein denkwürdige Erfahrungen verspricht, spricht man eben von einem Event.

Worin genau besteht aber diese nicht-alltägliche Erfahrung die Popmusik ermöglicht und die bei Großkonzerten mit Hilfe eines enormen industriellen Aufwands aktiviert wird? Gehen wir einmal davon aus, dass wir Popmusik hören, um Gefühle in uns wachzurufen, oder Gefühle, die wir empfinden, in der Musik reflektiert und verstärkt zu finden. Ein naheliegendes Beispiel wäre hier der Breakup-Song. Ein zunächst „stummes“ und von daher schmerzhaftes Gefühl von Einsamkeit und Sehnsucht nach der geliebten Person, findet im Breakup-Song eine externe Spiegelung, die es zunächst verstärkt, aber damit auch abbaut und im Bestfall sogar in eine Euphorie verwandelt, die uns sagt, dass es schon irgendwie weitergehen wird. Die Musik hilft und dabei, Erlebnisse und Abschnitte unseres Lebens in einem narrativen Gefüge zu platzieren. Durch die Musik wissen wir, dass wir nicht allein mit unseren Gefühlen sind und dass es „jemanden da draußen gibt, der uns versteht“. Damit sind sowohl die Interpret:innen gemeint, wie auch die Hörer:innen, die sich ebenfalls in den Songs wiederfinden. Der Affekt, als unkontrollierte Regung unseres Gemüts, wird zur benennbaren Emotion zugespitzt und kollektiv abgeleitet. Wir erleben das, was uns passiert ist, als eine Geschichte die schon einmal erzählt wurde und zu der es sogar schon einen Soundtrack gibt.

So verstanden ist Popmusik vielleicht die der modernen Arbeitswelt gemäße Form von Affektverarbeitung. Wir kommen nicht dazu, unsere Gefühle auf andere Weise zu regulieren, weil wir keine Zeit haben, etwa Gedichte zu lesen oder bei einem Waldspaziergang unser Schicksal im Spiel der Naturphänomene reflektiert zu finden, wie es die Romantiker:innen taten. Auch das öffentliche Leben ist zunehmend von schnelllebigen Kontakten geprägt und erlaubt es selten in einen authentischen Austausch mit der Umwelt zu treten. Der Popsong ist die industriell konfektionierte Variante eines solchen affektiven Austausches, eine Emotionskapsel, die im Alltag je nach Bedarf eingesetzt werden kann, um Spannungen zu lösen und Erlebnisräume zu reflektieren. Pop begleitet damit das Auf und Ab unseres Erlebens und wir laden ihn mit einer Art von emotionaler Hypothek auf, die die Etappen unserer Erfahrung mit bestimmten Songs und Künstler:innen verknüpft.
Das Konzert-Event dient nun der orgasmischen Freisetzung dieser Gefühlshypotheken, die wir den Künstler:innen eingeräumt haben. Der technische Aufwand der Großveranstaltungen dient dem Erzeugen eines Milieus, in dem sich die kollektive Affektentladung bestmöglich entfalten kann. Diese spielt sich vor allem im Bereich der Lichttechnik und des Sounds ab. Um den Stars auch im Moment ihres Realen Auftretens die Aura zu verleihen, die sie benötigen, um als Träger kollektiver Affekte zu fungieren, reicht der klassische Illusionismus einer Bühne und einer Reihe von Scheinwerfern nicht aus. Stattdessen müssen sie in ein Umfeld sensorischer Überreizung des Publikums eingebettet werden. 50 000 Menschen auf einmal sensorisch zu überreizen ist nun tatsächlich eine Aufgabe für eine ganze Industrie.
Man muss hier das traditionelle kulturkritische Konzept der Kulturindustrie wörtlich verstehen. Gerade in der Veranstaltungsbranche, werden Pop-Events tatsächlich industriell produziert. Das fängt schon bei ihren technischen Komponenten an. Macht man eine Ausbildung in dem Bereich, wird man lernen, dass die Technik, die zur Realisierung großer Veranstaltungen benötigt wird, eigentlich aus der Schwerindustrie kommt. So spielt sich ein großer Teil der Arbeit im Bereich von Schwerlastträgern ab. Traversen, Stahlseile und Motoren, die der Bewegung schwerer Lasten dienen, werden für „Einsatz über Personen“ umgenutzt und dürfen dabei aus Sicherheitsgründen nur die Hälfte der Lasten tragen, für die sie eigentlich konzipiert wurden. Die gleichen Firmen, die Konzerte bedienen, versorgen auch Messen und sogenannte „Industrieevents“ mit Personal, also Veranstaltungen, bei denen Firmen ihre Produkte präsentieren. Pointiert könnte man sagen, dass das Großkonzert den klassischen Illusionismus des Theaters mit den übermenschlichen Dimensionen der Schwerindustrie multipliziert. Events als warenförmige Manifestationen sozialer und kultureller Affektverarbeitung und die industrielle Produktion von Gebrauchsgütern gehen hier nahtlos ineinander über.

 

 

4 Entmystifizierung der Körper

Die Beste Art, diesen Illusionismus der Industrie für sich selbst zu entmystifizieren ist es, selbst eine Weile bei solchen Events zu arbeiten. Oft habe ich Gespräche mit Kolleg:innen geführt, die behaupteten, sie würden privat nicht mehr auf solche ein Konzert gehen. Dabei scheinen alle einen ähnlichen Prozess durchzumachen. Anfänglich gibt es da eine gewisse Begeisterung über die Gelegenheit, bei so auratischen Veranstaltungen, für die andere enorme Ticketpreise zahlen, hinter den Kulissen mitzuwirken. Je länger man das macht, desto mehr erscheint einem das Event aber einfach als Arbeitsplatz und der Anblick von Fans, die schon mittags vor den Toren der Konzerthallen kampieren einen nach der Show hysterisch um Setlists anbetteln, wirkt bizarr. Ebenso suspekt wird einem zunehmend die künstliche Abriegelung der Stars gegenüber der Masse der Menschen, die in ihrem Gefolge arbeiten. Während der Produktion vollkommen abwesend, ist der Star einfach das leere Zentrum eines Netzwerks von Unternehmen, die in der einen oder anderen Weise von dessen Zugkraft zu profitieren versuchen.

Obwohl die sorgfältig inszenierte Wirkung der Events, auch an den Arbeiter:innen nicht spurlos vorbeigeht, lässt sich die Disproportionalität von Produkt und Produktion irgendwann nicht mehr übersehen. Besonders auffallend ist dabei der langen zeitliche Rahmen, in den man das Event eingebettet sieht. Im Gegensatz zum Publikum, das der ganzen industriellen Infrastruktur fertig und bei voller Leistung gegenübersteht, beobachtet man als Arbeiter:in Tagelang deren Konstruktion, sieht sie dann für kurze Zeit mit dem Auftritt der Künstler:innen zum Leben erwachen und ihre multisensorischen Effekte in die Masse abstrahlen, nur um sofort danach ihrer Zerlegung in ihre kleinsten Bestandteile beizuwohnen. Das Gefühl, einer Form von unglaublicher Ressourcenverschwendung beizuwohnen, lässt sich dabei schwer unterdrücken.

Nicht selten kommt es dazu, dass Arbeiter:innen und Künstler:innen sich für einen Moment begegnen. Bei großen internationalen Stars, wird dies weitestgehend vermieden. Man darf sich ihnen nicht nähern und es werden Korridore aus Sicherheitspersonal geschaffen, die dem Star das sofortige Untertauchen im Nightliner oder den Tiefen der Location erlauben. Bei deutschen Produktionen wird das oft etwas lockerer gehandhabt und so hat mir etwa Bela B von den Ärzten im Vorbeigehen einmal ironisch zusalutiert, als ich auf einer Kiste sitzend meinen nächsten Einsatz abwartete. Selten dürfte in der Arbeitswelt ein solcher Schnittpunkt sozialer Wirklichkeiten zu erleben sein, wo der Körper des Stars am Gipfel der sozialen Prestigepyramide kurz als ganz normaler Körper dem der einfachen Arbeiter:in gegenübersteht.
Der Arbeitsbereich des Konzertbaus, zusammen mit der Eventbranche selbst, ist erst im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte professionalisiert worden. Besonders der Arbeitsbereich der Stagehands dient dabei als eine Art von Auffangbecken für Leute an, die vorläufig keine Lust haben, sich von den regulären Gepflogenheiten und Verpflichtungen eines regulären 9 to 5 Jobs absorbieren zu lassen. Früher wurde der Konzertbau oft schwarz, von spontan eingestellten Tagelöhner bewältigt, und ein gewisses „wildes“ Klima hat sich in dem Bereich bis heute erhalten. So findet man hier oft Langzeitstundierende, Künstler:innen, Punks, Aussteiger:innen, frisch eingewanderte Migrant:innen, Leute die keine Lust auf ihre alten Jobs hatten und sich „umorientieren“, zusammen mit vielen anderen interessante Milieus. In der Abwesenheit innerer Hierarchien stellt sich eine große Solidarität zwischen eigentlich disparaten Gesellschaftsschichten ein. Für viele ist diese Arbeit eine Übergangsphase, man verdient sich während des Studiums etwas hinzu, überbrückt Jobs oder motiviert sich nach einer längeren Phase des „Durchhängens“ wieder zur Arbeit. Die Einsatzzeiten sind flexibel. Man kann im Rahmen der vertraglichen Absprachen eigentlich so viel oder so wenig arbeiten wie man möchte. Die Verantwortung ist gering und die eigene Leistung wird von vielen Händen abgefedert.

Bald bemerkt man, dass der Umschlagplatz verschiedener divergierender und oft unangepasster biografischer Werdegänge und Erfahrungen, das dieses Milieu ausmacht, viel interessanter ist, als das Event selbst. Vor die Wahl gestellt, sich kurz nochmal das Ende von Machine Gun Kellys oder Apache 207s Show anzuschauen, oder vor der Halle ein Schwätzchen mit Kollegen zu halten, entscheide ich mich immer öfter für letzteres. Die Aura der Stars verliert etwas von ihrem Glamour, wenn man es gewohnt ist sie als das zu betrachten, was sie aus der Perspektive der Eventbranche sind: Top-Dienstleister auf dem Gebiet „nicht-alltäglicher Erfahrung“.

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