New German Rap – Die entfremdeten Subjekte – Eine Analyse am Beispiel von Sierra Kidd, negatiiv OG, Yin Kalle und Edo Saiya

negatiiv OG: „Diggah, ich habe mehr Drogen im Bauch gehabt, als du in deinem Leben mit deinen bloßen Augen gesehen hast.“

negatiiv OG mit Codein-Flasche im Interview mit „16Bars” Quelle: Youtube-Kanal von 16Bars: https://www.16bars.de/tv/245654/negatiiv-og-interview-schlechtes-karma-drogenkonsum-und-edo-saiya/

„Habe mit 25 den Punkt erreicht, an dem ich Teile von Deutschrap nicht mehr verstehe“, schreibt der Journalist Johann Voigt im April 2020 bei Twitter. Was ist in der Entwicklung von Deutschrap passiert, dass sich ein so junger Autor, der sonst nah an den Pop-Phänomenen seiner Zeit schreibt, von diesen „abgehängt“ fühlt? Spitzen sich die Gräben zwischen den Generationen mittlerweile derzeit schnell zu?

In diesem Beitrag soll es um die Protagonisten dieser neuen Deutschrap-Szene gehen, deren Fangemeinden so rasant wachsen – würde es die Pandemie nicht geben, hätten viele von ihnen 2020 / 2021 ihre erste Headliner-Tour gespielt –, dass es wichtig ist sich mit ihrem Auftreten und den von ihnen vermittelten Inhalten auseinanderzusetzen. Die Bandbreite der Künstler (bewusst in der männlichen Form gehalten) ist deutlich größer, als sie hier im folgenden behandelt wird. Für die Analyse habe ich mir vier Hauptcharaktere ausgesucht, die emblematisch für die Szene stehen: Sierra Kidd, negatiiv OG, Yin Kalle und Edo Saiya.

Mit dem Album „Rest in Peace“ von Sierra Kidd findet 2017 ein Paradigmenwechsel im deutschen HipHop statt. Nach und nach tauchen in der Folge weitere jüngere Rapper auf, die sich demonstrativ auf ihre amerikanischen Vorbilder beziehen und deren Lifestyle auf Deutschland transferieren. Relativ zügig einigen sich die relevanten HipHop-Medien darauf, diese neue Generation der Cloud-Rap-/Trap-Rapper als „New German Rap“ zu bezeichnen. Neben dem aus den Staaten importierten Sound und der Internalisierung des Lifestyles der dortigen Protagonisten eint diese junge Generation vor allem eins: wir haben es mit entfremdeten Subjekten zu tun.

Der Begriff der Entfremdung beschreibt einen menschlichen Zustand der Ohnmacht, der Indifferenz und einer fundamentalen Verlorenheit in der Welt. Karl Marx subsumiert Entfremdungsprozesse in vier bestimmte Kategorien, welche er in kapitalistischen Gesellschaften beobachtet:

  • 1. Die Entfremdung des Menschen zum Produkt seiner Arbeit.
  • 2. Die Entfremdung des Menschen zu seinen eigenen Tätigkeiten.
  • 3. Die Entfremdung des Menschen zu sich selbst.
  • 4. Die Entfremdung des Menschen zu seiner Natur und seinen Mitmenschen

Daran anschließend fokussiert sich die Kritische Theorie in ihrer gesellschaftlichen Analyse auf das Leid des Menschen, welches durch diese Entfremdungsprozesse hervorgerufen wird und sich in den Produktionstechniken der Kulturindustrie vergegenständlicht und so reproduziert wird.

Anlässlich der Veröffentlichung von „Rest in Peace“ kommentiert Sierra Kidd auf „16Bars“: „‘Rest in Peace‘ gilt nicht dazu Sierra Kidd umzubringen, sondern es geht um einen Turning Point in der Musikindustrie. Wir wollen wirklich versuchen etwas zu verändern, und zwar nachhaltig, denn Deutsch-Rap ist ein Algorithmus geworden. […] Wir sind keine Marketing-Kampagne, wir sind keine Promo-Strategie. Wir sind wirklich Artists.“
In einem ersten Schritt dem entgegen zu wirken, hat Sierra Kidd 2015 sein eigenes Label „Team Fuck Sleep“ gegründet. Der Gedanke dahinter: Als Rapper der neuen Generation erkämpft er sich die autarke Bestimmung über seine Arbeit zurück und überwindet somit eine Komponente der Entfremdung. So einfach ist es jedoch nicht und Unabhängigkeit lässt sich damit schon lange nicht erreichen. Denn die Orientierung an amerikanischen Vorbildern sorgt für ein anderes Problemfeld: Authentizität. Die mimetische Imitation des US-Lifestyles sorgt dafür, dass die Texte von Sierra Kidd geprägt sind von glorifizierten Drogenkonsum. Im Track „Xanny“ heißt es beispielsweise: „Puder mir die Nase und dann popp ich eine Xanny / Sober zu sein ist für mich ein Handicap.“
Xanax ist die Modedroge, die immer wieder auch in US-Trap-Songs besungen wird, unter anderen bei Lil Uzi Vert: „Xanny, help the pain, yeah / Please, xanny, make it go away.“

An diesen beiden Beispielen lässt sich sehr gut verdeutlichen, warum Xanax in der Cloud-Rap/Trap-Community so beliebt ist. Das Medikament hilft, extreme Stresssituationen, Angststörungen oder Panikattacken zu überstehen und liefert für viele Rapper gleichzeitig eine enorme Antriebskraft ihrer Produktivität und Inspiration.

Der Rapper negatiiv OG, Aushängeschild des Checkmate Kollektivs aus Braunschweig, das bei Universal einen mutmaßlichen 900.000€-Deal unterschrieben haben, taucht 2019 als Interviewpartner in einer Reportage von BremenNext! auf, die sich speziell mit Xanax-Konsum in der Szene auseinandersetzt. Für ihn geht es darum, einen authentischen Trap-Künstler zu verkörpern, und so spricht er unverblümt über seinen Konsum. Die
Reaktionen auf dieses Interview sind durchweg kritisch, negatiiv OG fühlt sich jedoch falsch wiedergegeben, wie er in einem Gespräch mit Haci von „16Bars“ im April 2020 klarstellt: „Diese Xanax-Doku ist im Frühjahr 2019 entstanden […], der Stand ist jetzt ein ganz anderer, wie ich damals dazu gestanden habe und wie ich jetzt dazu stehe. Ich nehme jetzt nicht mehr so viele Xan’s wie früher. Früher hat es noch viel mehr in meinen Alltag gepasst als jetzt. Ich möchte deswegen auch nicht mehr so gerne mit der Doku assoziiert werden. […] Die haben mich dann so dargestellt, als würde man mich eh nicht ernst nehmen können. […] Aussagen in den Vordergrund gestellt, wo ich eigentlich noch viel mehr dazu erzählt habe.“
negatiiv OG betont in dem Interview, dass er seinen Konsum mittlerweile soweit eingeschränkt habe, dass die Suchtgefahr nicht mehr gegeben sei, sondern Xanax einfach nur ein Mittel zum Zweck, um einen entspannten Flug zu haben, “nicht so wie ein Kek, der sich darauf feiert, Xans zu poppen, weil er Xans poppt.“

Diese halbgare, ignorante Auseinandersetzung mit dem Thema führt zu einem absurden Kurz-Beef über Instagram zwischen negatiiv OG und einem weiteren Vertreter dieser New Generation an Rappern: Yin Kalle. Nach einer Show des Checkmate Kollektivs Ende 2019 konfrontiert Yin Kalle  negatiiv OG damit, warum dieser keine Drogen nehmen würde, er selber müsse Drogen nehmen, um überhaupt funktionieren zu können.  Derart herausgefordert geht negatiiv OG umgehend bei Instagram live, um Yin Kalle in die Schranken zu weisen, was diesem einfallen würde, ihn auf seiner Show wegen Drogenkonsum zu attackieren: „Diggah, ich habe mehr Drogen im Bauch gehabt, als du in deinem Leben mit deinen bloßen Augen gesehen hast.“

Im bereits erwähnten Gespräch mit Haci erläutert negatiiv OG sein damaliges Posting: „Meine Intention hinter der Aussage war einfach, du [Yin Kalle] kommst zu mir, nachdem ich dir einen Gig auf meiner Veranstaltung kläre. Ich reiche dir die Hand und du benimmst dich wie ein Dulli und frontest mich, dass ich kein realer Trapper wäre, weil ich keine Drogen nehme, obwohl du vor einem Monat erst angefangen hast Drogen zu nehmen und ich schon mein Leben lang Drogen nehme. Was willst du mir denn jetzt über Drogen erzählen? Das ist das, worauf ich hinauswollte.“
Anstatt eine andere Lesart zu liefern, perpetuiert negatiiv OG stattdessen das Authentizität-Narrativ. In seiner Wahrnehmung ist er der Ur-Trapper, welcher schon von Beginn an mit den Codes und Zeichen der Szene agiert und dementsprechend integrer aufgefasst werden soll als ein Nachkömmling wie Yin Kalle. Der zynische Umgang mit der Thematik und das zwanghafte Festhalten am Authentizität-Dogma stehen jedoch eher für eine symbolische Gleichgültigkeit, anstatt kompetent und solidarisch gewisse Konsequenzen zu berücksichtigen, die damit verbunden sind.

Yin Kalle hat sich mittlerweile in der Trap-Szene durch sein hedonistisches Image und
zotteligem Auftreten einen Namen gemacht. Sein neustes Tape, das im Dezember 2020 über Sony Columbia veröffentlicht worden ist, zeugt von der sich immer heftiger drehenden Konsumspirale innerhalb des Genres als Folge eines Hedonismus-Lifestyles der als der ultimative Indikator für den sozialen Status der Protagonisten gilt. Paradoxerweise sind wir damit an einem Punkt angekommen, wo die Musiker selbst den Weg in Frage stellen, wie Fridl Achten in der PULS Musikanalyse ausführt. So inszeniert sich beispielsweise Yin Kalle durchaus nachdenklich: „Sorry Shawty, warum hab‘ ich nicht auf dich gehört // Viel zu viele Pillys und viel zu viele Percs // Ich war jeden Abend immer faded an der Church // Ja, ich nehm’ zu viele Drogen, so als wär’ ich Kurt.“

In dem Track „Baby Ja“ wirkt es jedoch so, als würde er zwanghaft versuchen eine
gespielte Einsicht zu konstruieren. Er gaukelt Resignation und auch Einsicht vor, um so zu einem gewissen Grad die Verantwortung von sich abzustreifen, seine Verhaltensweise ändert er aber nicht wirklich.  Im Beitrag für Arte Tracks spricht er sich beispielsweise für eine Bewahrung des Konsums aus, einmal mehr aufgrund von Authentizitätsgründen: „Drogen gehören zu Trap.“
Es wird deutlich: Yin Kalle sieht sich in der Rolle eines Entertainers, der keinen Erziehungsauftrag habe. Naiv negiert er die Vorbildfunktion, die er für andere einnehmen sollte – oder es ist ihm einfach egal. Für letzteres spricht das Interview mit Alex Barbian, in dem Yin Kalle  Trap als Punk der Neuzeit verortet und die Selbstzerstörung des eigenen Körpers als Stilmittel des Aufbegehrens bezeichnet. „Das ist so weird, Diggah. Ich frage mich das selber ganz oft. Ich habe das schon gesagt, als ich noch ganz anders war. Ein Streber in der Schule. […] Da habe ich schon gesagt, ich will mit 20 sterben. Und jetzt bin ich dieses self-destructive life komplett am Zelebrieren. Vor aller Augen, was auch sehr kritisch zu betrachten ist.“
Wobei man bemerkt, wie unangenehm ihm das Thema ist, an einer Stelle spricht er es sogar explizit an. Es scheint die Ohnmacht vor den Sachzwängen zu sein, die das Einhalten der Authentizität mit sich bringt – mit der Konsequenz, dass es schlussendlich zu klassischen Suchtkarrieren kommt. Das strukturelle Umfeld ist hier nicht groß von Hilfe, denn – sicherlich keine neue Erkenntnis – die Kulturindustrie kümmert sich nicht um die mentale Beschaffenheit ihrer Akteur:innen.
Und so gilt für Yin Kalle, um bei unserem Beispiels-Akteur zu bleiben, trotz aller nachdenklicher, reflektierter Züge und Aussagen zur eigenen  mentalen Instabilität weiterhin die Prämisse, dass Drogen dazugehören, auch wenn sie die mentale Gesundheit gefährden.

Ähnliches ist beim Rapper Edo Saiya zu beobachten, einem Protegé von Sierra Kidd und Teil des Team Fuck Sleep Kollektivs. Im Interview mit Haci von „16Bars“ betonte er bereits 2018 , dass er den Konsum nicht verherrliche: “Ich mache den Scheiß und in meinen Texten erkennt man auch wie das einen fertig
machen kann. Wenn es jemanden dazu verleitet Drogen zu nehmen, dann hätte derjenige auch durch irgendeinen anderen Einfluss genauso zu den Drogen gefunden.“
Auch wenn man hier die gleiche fehlende Weitsicht kritisieren kann, wird trotzdem erschreckend klar, warum der Konsum für viele der jungen Rapper so einen immensen Stellenwert hat. Es ist die einzige Chance auf Eskapismus vor den eigenen Dämonen: „Betäube mich selbst mit einer Tablette / Bis jedes Gefühl in mir tot ist / Bis jedes Gefühl endlich los ist / Ich gehe mit doppelter Dosis.“ Es ist das Narrativ einer sich unverstanden fühlenden Wasted Youth, die die Perspektivlosigkeit und Unsicherheit über ihre Zukunft mit Betäubungsmitteln dämpft. Dabei agiert Edo Saiya deutlich konzeptioneller, wenn er zum Beispiel eine EP mit dem Titel „3:28“ veröffentlicht – die Uhrzeit, an der die Songs abgespielt werden sollen und somit ein Verweis auf die Schlaflosigkeit des Künstlers, der mit Einsamkeit, Liebeskummer und Ohnmachtsgefühlen zu kämpfen hat.

Im Juni 2020 veröffentlicht Sierra Kidd sein Album „600 Tage“. Sein Gesicht zieren zu diesem Zeitpunkt einige Tattoos – und die Texte lassen keine Zweifel aufkommen, hier hadert ein Künstler mit seinem Weg. Direkt im ersten Track „Gott“ heißt es: „Vielleicht sind das hier meine letzten Worte / Die letzten Jahre waren ziemlich harte / […] / Jeder weiß von jedem der Probleme / Hab’ sogar ein paar Songs, wo ich sie erkläre / Oder es zumindest versuch’ / Selbst die Tabletten stellen mich nicht ruhig // […] / Ich sagte meinen Freunden ‚Gebt mir zwei Wochen, ich komm wieder klar‘ / Aus zwei Wochen wurden zwei Jahre / Ich bin grad im dritten, mir ist immer noch nicht klar / Werd’ ich je wieder normal?“
Der hohe Leistungsdruck in der Musikindustrie führt nicht selten zu Depressionen, Angstzuständen
und einer permanenten Unruhe. Nicht wenige Künstler:innen fühlen sich innerlich zerrissen, schleppen Traumata mit sich rum, die sie mit ihrer Musik verarbeiten wollen. Doch die Musik kann dieser Ventilfunktion oft nicht gerecht werden, nicht zuletzt da die Strukturen einer Musikindustrie, die aus dem Leid der Protagonist:innen Gewinn zieht, dagegen wirken – und so setzt oft als letzter scheinbarer Ausweg die Spirale der Betäubung ein, die auf den ersten Blick authentisch wirken mag, es jedoch nicht wirklich ist.
In der Dokumentation „Everybodys Everything“ über den Rapper Lil Peep wird diese pervertierte Nahbarkeit durch die Juxtaposition zwischen bornierter Gleichgültigkeit im Exzess und Schmerzbetäubung der Sinne auf erschreckende Art deutlich.

Durch den Tod von Lil Peep und anderen Künstlern findet langsam ein Umdenken statt. In aktuelleren Interviews gibt sich auch Edo Saiya deutlich selbstreflektierter und vorsichtiger: „Ich popp ne Xan, weil ich cool bin, neee, ich popp ne Xan, weil ich uncool bin, weil ich verdammte Probleme habe.“ Außerdem betont er, dass er auf seinen zukünftigen Veröffentlichungen bewusster auf die Messages achten möchte, die er in seinen Songs vermittelt.  Yin Kalle äußert sich im Arte Tracks Interview jedoch skeptisch über solche Entwicklungen: „Du bist weg vom Fenster. Du kannst dein Leben erstmal nicht so führen, wie du es geführt hast. Du kannst deine Kunst auch nicht mehr so machen wie du sie gemacht hast. Es ist dann eine andere Kunst. Und das ist nicht was die Leute von dir kennen und wofür sie dich feiern, dafür werden sie dich dann eher haten als zu sagen ‚Wow, er hört jetzt auf mit diesen schlimmen Drogen. Wow, er bessert sich gerade‘. Diese Industrie will doch nur gute Vibes, Party, ‚Wir sind rich‘, ‚Wir haben Diamonds‘, ‚Wir sind am flexen‘, ‚Hier, meine Schuhe kosten 1.000€‘, die wollen sehen wie du flexxt, nicht wie schlecht es dir geht.“
Damit bringt Yin Kalle das Dilemma sehr gut auf den Punkt. Wenn Sierra Kidd behauptet, dass er als Person keine Mensch gewordene Marketing-Strategie beziehungsweise Promo-Kampagne sein will, vergisst er, dass er durch die äußeren Umstände automatisch dazu gemacht wird. Auch wenn er sich in seinem künstlerischen Schaffen unabhängig macht, ist er trotzdem ein Produkt industrieller  Verwertungslogiken.

In Entfremdungstheorien wird die Selbstverwirklichung des Subjekts und die damit einhergehende authentische Lebensführung als Ausweg aus der Entfremdung verstanden. Warum aber steckt in diesen jungen Rappern dann trotzdem so viel Leid, obwohl sie nach eigenen Angaben alle das Leben leben, worauf sie Lust haben und dabei als authentische Subjekte erscheinen? Weil im kapitalistischen Produktionsprozess die Selbstverwirklichung des Subjekts korrumpiert ist. Es kommt nicht von irgendwoher, dass Post-Moderne beziehungsweise post-strukturalistische Philosophen das Subjekt sogar für tot erklären . Durch gesellschaftlich verankerte Machtverhältnisse im Zeitalter des Neoliberalismus verliert es seine Autonomie und ist nicht mehr in der Lage sich selbst zu produzieren – stattdessen wird es viel eher durch die äußeren Umstände produziert. Für Michel Foucault ist diese konstruierte Form
vom Subjekt eine immanente Komponente neoliberaler Regierungslogik. Mit dem Versprechen der Freiheit offenbaren sich dem Subjekt unendliche Handlungsmöglichkeiten, die jedoch immer im Rahmen einer Nutzenmaximierung des Humankapitals verstanden werden müssen. Durch die neoliberale Ökonomisierung des Sozialen mussder Mensch als Homo oeconomicus produktiv sein, anders lässt sich seine funktionale Freiheit nicht verwirklichen.

Die junge Rap Generation macht die Musik, worauf sie Lust hat, jedoch sind die Protagonisten als Produkte einer neoliberalen Ordnung so weit von sich selbst entfremdet, dass diese Tätigkeit keine
Freiheitsverwirklichung darstellt. Als Getriebene ihrer selbst produzieren sie rastlos weiter, um einzig und allein eine Bedürfnisbefriedigung zu regulieren, die aber nicht zu der Befreiung des eigentlichen Subjekts führt. Sie begreifen sich als Unternehmer ihres Humankapitals, um das auserkorene Ziel eines materiellen Reichtums zu realisieren. Dies spiegelt sich darin wider, wenn ein negatiiv OG mit einem Bündel von 20€-Scheinen auf dem Sofa beim Interview flext, Sierra Kidd den neoliberalen Aufstieg aus prekären Verhältnissen proklamiert (dass es jeder schaffen kann, wenn er nur alles für seinen Traum riskiert) und Edo Saiya und Yin Kalle ihre Musik wie Fließbandware auf den Markt bringen. Das rasante Produktionstempo deutet auf den riesigen industriellen Legitimationsdruck hin, dem nur durch eine Erhöhung der Produktivkräfte beizukommen ist. Paradoxerweise verbirgt sich darin eine fast schon akzelerationistische Reproduktion neoliberaler Ideologie, die durch ihren Wesenskern überhaupt erst für die Abhängigkeiten der Künstler verantwortlich ist. Die eigentliche Befreiung der entfremdeten Subjekte kann nur entstehen, wenn alle kapitalistischen Sachzwänge der Arbeitsproduktion überwunden werden und die Arbeit tatsächlich zur natürlichen Selbstverwirklichung wird.

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