Prefab Sprout - Revisited

“Ich bin wie Robinson Crusoe.”

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Collage: Sarah Szczesny

Paddy McAloon ist äußerst scheu. In den 26 Jahren, in denen es seine Band Prefab Sprout mittlerweile gibt, hat er nur vereinzelt Journalisten empfangen. Bedingt durch ein schweres Augenleiden und einen hartnäckigen Tinnitus sind die Audienzen im letzten Jahrzehnt sogar noch rarer geworden. Anlässlich des neuen Albums “Crimson/Red”, den ersten neuen Aufnahmen seit zwölf Jahren, stimmte er einem Treffen mit Alex Mayor und Thomas Venker aber überraschend zu. In seiner nordenglischen Heimatstadt Durham sprachen die drei über die Kunst des Songwritings, das Leben auf einer einsamen Insel und wie man bei einer so schweren Erkrankung überhaupt noch Musik produzieren kann.

Als ich ein Kind war, träumte ich immer von den Sternen, der Unendlichkeit des Universums und all dem, was dies für unsere eigene Existenz bedeutet. Ein Thema, das sich auch durch dein Werk zieht.
Da ist was dran, man findet die Sterne in vielen meiner Songs. Ich schreibe oft phonetisch, arbeite gerne mit schönen Vokalen. Die erste Zeile kann bei so einer Arbeitsweise schon mal ein bisschen dümmlich sein, zum Beispiel “oh, the stars”. Zunächst will ich es verwerfen, da ich es so oft benutze, aber dann gebe ich doch dem Impuls nach und schaue, wohin es mich führt.
Schon als Teenager las ich alles über die Musik von Pink Floyd und Stockhausen, der ja Musik als eine Konstellation von Sternen beschrieben hat. Dieses Bild von Stockhausen hat sich in mir festgeschrieben. Die Sterne sind eng mit unserem Schicksal verknüpft, zumindest wurde darüber viel philosophiert, von den alten Griechen bis zu Shakespeare.

Die Sterne führen zu den beiden anderen großen Themenfeldern von Prefab Sprout: Religion und Liebe.
Richtig. Mein Dreh ist, das Einfache mit dem ganz Großen zu verbinden. Wenn man also eine Referenz an das Universum in seinem Song bringt, dann ist es reizvoll, sie in die eigene Umgebung und das eigene Leben zu transformieren und so einen Kontrast zu erschaffen. Das hat Tradition in der Poetik, es ist das modernistische Experiment, alles auf ein kleines Detail herunterzuholen, sagen wir auf eine Schuhsohle, eine Zigarette oder einen Aschenbecher. Eben die Welt als Mikrokosmos zu erschaffen. Es ist die Kunst, die quälenden Dinge greifbar zu machen.

“Crimson/Red” ist nicht nur das erste Album mit neuen Aufnahmen seit einem Jahrzehnt, es ist auch das erste Mal, dass du ohne die anderen Bandmitglieder gearbeitet hast. Wie fühlte sich das an?
Ich bin gut darin, den Eindruck zu erwecken, die Band sei erledigt. Dem ist aber nicht so, die Ereignisse haben einfach dahin geführt. Die anderen wurden von mir nicht verabschiedet, mein Bruder berät mich noch immer viel, und ich habe ein schlechtes Gewissen, dass er nicht aktiv am Album beteiligt ist. Aber da ich den Sound einer ganzen Band nicht mehr verarbeiten kann, bastle ich ihn so zusammen. Da die Musikindustrie nicht mehr dieselbe ist und wir nicht live auftreten können, um das Budget für die Aufnahmen einzuspielen, war ich ehrlich gesagt sehr froh, als Martin und Wendy andere Jobs fanden. Die Konsequenz muss ich tragen. Vielleicht muss das Album ein paar Abzüge in der B-Note akzeptieren, aber so ist das eben, wenn ein auf der Insel Gestrandeter ein Studio für sich entdeckt. Ich bin wie Robinson Crusoe, der ein voll funktionstüchtiges 16-Spur-Studio entdeckt hat.

Alles selbst einzuspielen ist also der Weg?
Ich würde sagen, man kreiert so eine andere Art von Album. Es ging darum, zu sehen, ob man eine Band faken kann, ohne dabei nach Computer zu klingen. Meine Unzufriedenheit resultiert dabei daraus, dass diese alten Maschinen und Boxen immer die gleichen Sounds liefern. Da frage ich mich schon, wie lange ich das den Hörern noch zumuten kann. Aber andererseits: Geht es den Musikern nicht auch so? Spielen sie nicht auch immer Ähnliches ein? Auf meiner Insel ist es nun mal so, dass ich diese Limitierungen habe, diese beschränkte Farbpalette, aber das muss nichts Schlechtes sein. Wie wir alle wissen, führen Limitierungen zu Form.

Klingt doch alles ganz gut, oder?
Die Ungeduld ist mein Problem. Ich habe zwar einen Laptop, um die Dinge auch selbst machen zu können, aber ich kann ihn nicht benutzen. Ich kann noch nicht einmal eine E-Mail verschicken oder eine CD brennen. Aber dafür weiß ich, wie ich alles ans Mischpult anschließen muss – und ab da kann es mein Ingenieur in die Hand nehmen und ausbalanciert abmischen. Ich muss mich, wie gesagt, nur leider auf die Leute verlassen, die all die Preset-Sounds anlegen: Auf dass sie wissen, was sie da tun. Vor fünfzehn Jahren wollte ich ein neues System angehen, aber all diese Handbücher … Und dann war da noch diese Schere als Symbol, die ich hasste, ich mag einfach keine intuitiven Dinge.

Das Album-Cover verweist in seinem minimalen Expressionismus auf die Textzeile “See what the blind man paints? Abstract expressionist saints” im Song “List Of Impossible Things”. Ist das für dich eine besonders wichtige Textzeile?
Es ist eine dieser Textzeilen, die einen großen Verweisraum aufmachen. Besonders, wenn der Künstler, der sie geschrieben hat, nicht sehen kann, wie gut seine Arbeit ist. Ich habe damit nicht direkt auf meine Probleme anspielen wollen, zumindest nicht nur. Es geht um den mysteriösen Prozess, wie Dinge in die Welt kommen. Als Künstler tut man Dinge, damit sie einen im besten Fall überleben.
Am Anfang des Schreibens steht immer die Leere. Insofern bin ich selbst überrascht, wenn etwas herauskommt, das zu hören es wert ist. Ich bin kein Billy Bragg, der mit der Ungerechtigkeit der Welt hadert und darüber schreiben muss. Bei mir entsteht alles aus dem Tag heraus – und aus einem ersten gefundenen Bild, das alles Folgende ermöglicht. An “List Of Impossible Things” habe ich lange geschrieben. Nicht dass der Song so kompliziert wäre und dies ihn besser machen würde, es war nur so, dass ich für jede Zeile ein starkes Startbild suchte, das in der Summe zu dem führt, was einen Menschen ausmacht. Zeilen wie “engage in a new noble cause” … Acht Jahre hat das gedauert. Fast gut ist eben nicht gut – man muss den Nagel ganz reinschlagen.

Guter Punkt. Da passt die kokette Zeile aus dem Song “Billy”: “Ive got no gift for music … tell me all your secrets.”
Dieser Song hingegen entstand sehr schnell. Er war sofort zur Gänze in mir präsent, sodass ich ihn beim ersten Mal gar nicht beendete, da ich wusste, ich könnte immer wieder zurückkehren und ihn dann fertigstellen. Vielleicht handelt der Song vom Songwriting – viele Songs thematisieren diesen Prozess. Natürlich ist es lustig zu texten, man habe kein Talent für Musik. Aber es gibt diese Tage wirklich, an denen ich denke, niemand mag meine Musik. Und selbst wenn dem so wäre, dann würde das noch lange nicht bedeuten, dass es so bliebe.

Deine Songs schienen schon immer in der Tradition von Leuten wie George Gershwin und Irving Berlin zu stehen, bei denen der Prozess des Schreibens die Hauptaktivität war und es nicht unbedingt darum ging, wer wo später mit ihnen leben würde.
Ach, beides stimmt irgendwie. Es ist jedenfalls kein gutes Gefühl, auf Inspiration zu warten, denn so schreibt man einfach weniger Songs im Lauf der Zeit. Ich habe keine Musiktheorie studiert, das hätte den Prozess für mich nur länger und schmerzhafter gestaltet. Wenn ich auf die Songs von einem Album wie “Swoon” zurückblicke, so wirken sie heute seltsam auf mich: die Bilder, die Akkorde, aus einem Nebel der völligen Ignoranz zu mir kommend. Aber mir ging es immer auch darum, etwas Gutes zu machen. Mit der Zeit lernt man, und das hat etwas von Berlin und Gershwin, geschäftstüchtiger zu werden. Deadlines helfen. Selbst wenn ich keine habe, sage ich manchmal zu mir, dass das Stück bald für einen imaginierten Film fertig werden muss.

Das funktioniert?
Was wäre die Alternative? Manche Songwriter warten, bis die Zeit richtig scheint, aber wenn man es nicht aktiv beeinflusst, ist sie das vielleicht nie. Es gibt Musiker, die hören ganze Melodien im Kopf, aber sie wollen nicht rauskommen ohne diese eine Stimulation. Deswegen sind Songtitel so wichtig für mich. Ach, ich nehme alles als Startpunkt.

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Collage: Sarah Szczesny

Du sagtest einmal, dass du es nicht magst, wenn Texte Botschaften in sich tragen. Ist das nicht sehr gewagt für einen Texter, der sich mit dem Universum, der Religion und der Liebe beschäftigt?
Das war auf Propaganda-Songs bezogen. Das Genre kennt zwar auch einige schöne Beispiele, aber da komme ich eben nicht her. Ich musste glücklicherweise nie einen Song wie “Strange Fruit” [Dead Kennedys] oder “What’s Goin’ On?” [Marvin Gaye] schreiben, bei denen man sofort spürt, welch schwere Aufgabe auf den Songwritern lag. Darin wäre ich auch gar nicht gut. Bob Dylan hat es irgendwann gehasst, dass er zum sozialen Gewissen Amerikas geworden war – er hörte daraufhin auf, Songs mit erhobenem Zeigefinger zu schreiben. Sonst betrachten dich die Leute als selbstgerechten Politiker.
Für mich ist ein Song eine Ansammlung von Bildern, die in sich ein offenes Ende trägt. Nicht dass man die Dinge obskur und unzugänglich machen muss, aber ein bisschen Poetry darf es schon sein, das macht doch die Schönheit des Songwritings aus.

Adolescence” ist ein sehr persönlicher Song über die Teenagerzeit. Geht es da um dich, oder hast du den Song für deine Kinder geschrieben?
Beides. Für den Song habe ich bewusst mit sehr starken Bildern gearbeitet, das geht nicht immer, aber hier passte es: “Adolescence what’s it like, it’s a psychedelic motorbike.” Wenn ich so lyrisch schreibe wie hier, dann geht es um den richtigen Ton. Wenn man an die Pubertät denkt, dann kann man alles sagen, es muss nur unangenehm sein – man sollte dabei schwitzen und unglücklich sein, aber irgendwie auch erregt. Darum geht es mir im Kern, weniger um meine eigene Jugend, auch wenn das eine oder andere Bild im Songtext auf mich zutrifft; übrigens nicht die, von denen man es denkt.
Wenn ich an meine Teenagerzeit denke, dann kommt mir meine erste Zigarette in den Kopf – das war mit 15 im Kino bei Franco Zeffirellis “Romeo und Julia”. Damals durfte man noch im Kino rauchen! Was für eine Kombination: Teenager sein, rauchen und einen Film über die Pubertät schauen – kein Wunder, dass ich “Cigarette” mit “Juliet” in den Reim schicken musste. Die Arbeit an dem Song begann vor neun Jahren! Als ich ihn letztes Jahr wieder hervorholte, fand ich einige Dinge nicht mehr so richtig gut, ergänzte den letzten Vers um das Bild des Astronauten, der in eine purpurrote Explosion hineingerät, jene Titel stiftende Farbe, die wir alle aus den Teenagerjahren von unseren Wangen kennen.
Meine Kinder sind nicht so sehr an meiner Musik interessiert. Sie wissen, was ich tue, aber ich bin halt ihr Vater. Wahrscheinlich interessieren sich ihre Lehrer mehr für mich. Die fragen tatsächlich manchmal, was ich so treibe – und meinen Kindern fällt dann erst auf, dass sie selbst schon lange nicht mehr gefragt haben. Insofern stimmt es schon: Der letzte Vers ist für sie geschrieben, eine Nachricht für den nicht mehr weiten Tag, wenn sie alt genug sein werden.

Fühlst du denn noch das Wunder der Jugend in dir? Es scheint, als schlenderte der blauäugige Junge noch immer durch die Songs auf dem Album.
Dieser Zustand der Unschuld, auf den ihr anspielt, wo noch kein Geld involviert war, es nur um Leidenschaft ging, der ist immer das Ziel, auch wenn es einem nicht an jedem Tag gelingt, die Welt so unverbraucht zu sehen. Aber man muss immer versuchen, die Filter einzustellen, gerade mit wachsendem Alter, sonst überrollt einen die Welt.

Man will nicht die Midlife-Crisis riskieren, wo man sich plötzlich eine Harley kauft?
Genau. Sonst spart man sich am Ende tatsächlich noch ein psychedelisches Motorrad zusammen und endet wie die anderen traurigen alten Männer, die das Boot der Liebenden ohne sich davonpaddeln sehen.

Spielen dir deine Kinder viel Musik vor?
Ich würde es so ausdrücken: Sie hören Musik, die ich dann auch zu hören bekomme. Neulich war das ein Song, der wohl ein Hit ist. Der Text ging so: “I crashed a car into a bridge, and I love it.”

“I Love it”, die Single des schwedischen Electro-Pop-Duos Icona Pop.
Das Motiv gefiel mir: ein Auto, das des reinen Spaßes wegen zu Schrott gefahren wird. Das ist gut. Ein starkes Bild. Es kommt öfter vor, dass sie etwas spielen, das eigentlich eine Coverversion ist, sie das aber nicht wissen, da das Original uralt ist. Wenn ich dann mitsinge, wundern sie sich, wieso ich den Song bereits kenne. Dann erzähle ich ihnen eine Geschichte aus alten Tagen. Würde ich einer meiner Töchter von meinem Song “When Love Breaks Down” erzählen, es würde sie relativ kalt lassen. Aber wenn ich sie nach Snow Patrol frage, reagieren sie euphorisch – und wenn ich dann erwähne, dass die mein Stück gecovert haben, dann ist plötzlich alles sehr spannend. Aber so muss es auch sein. Als ich 14 war, dachte meine Mutter, ich würde nie mehr aufhören, “Ride A White Swan” von T-Rex zu hören. Meine Ableitung: Ich kommentiere so was nicht.

Was denkst du, woher dein Sinn für Musik kommt? Von deinen Eltern?
Meine Eltern waren musikalisch, aber sie stammen aus einer Zeit, als nicht viel Geld da war, um sich Musik zu kaufen. Meine Mutter hätte die Beatles sicher schon gemocht, als sie aufkamen; so entdeckte sie “Sergeant Pepper” erst fünf Jahre nach Erscheinen.
Mir war früh bewusst, dass ich musikalisch bin. Niemand sagte es zu mir, ich war auch nie im Schulchor oder so, sondern las stattdessen die Sportseiten der Zeitung. Trotzdem fing ich irgendwann an, auf der Gitarre rumzuklimpern, und andere Lads sangen dazu. Ich wollte damals auch schon singen, wusste aber noch nicht wie. Alles war ein glücklicher Verlauf: Ab 1970 öffnete sich die Welt für mich, plötzlich waren all diese Leute mit Gitarren um mich und wurden zu Vorbildern. Aus dem Radio kam all diese tolle Musik mit Melodien, in der ich mich total verlor: The Beatles, Simon & Garfunkel, T-Rex, Sly Stone, The Four Tops, Jimi Hendrix.

Dachtest du je, dass du es in diese Aufreihung von Künstlern schaffen könntest?
Nicht diese Frage, bitte! Darauf kann man ja nur mit einem Witz antworten, oder? Sonst kommt man wie der letzte selbstbesessene Typ rüber. Ganz ehrlich, ich bin überrascht, wohin ich es geschafft habe. Aber das ist die Magie von Platten: Du machst sie und denkst nicht mehr daran – allein schon, da sie dir auch nicht helfen, wenn es an die nächste geht. Wenn du Bob Dylan ein Kompliment für “Lay Lady Lay” machen würdest, dann fragte er bestimmt, wo der Kerl mit der Stimme geblieben sei. Er würde so gerne noch mal so einen Song produzieren!

Du hattest nie einen großen Hit, hast aber kontinuierlich viele Platten verkauft. Es gibt Leute, die sagen, dass die wirklich großen Karrieren dann zustande kommen, wenn jemand immer warm bleibt, aber nie heiß läuft.
Da ist was dran. Erst neulich fand ich heraus, dass Prefab Sprout Millionen an Platten verkauft haben. Keine 100 Millionen, aber eben auch nicht nur ein paar Hunderttausend. Ihr fragt euch jetzt sicher, wieso ich das nicht schon längst wusste … Nun, die Alben, die ich aufgenommen habe, kosteten immer viel Geld, und Sony, mein Label, war ganz clever beim Erstellen der Abrechnungen. Egal, ich habe jedenfalls eine einstellige Millionen-Zahl an Platten verkauft – was mich dazu brachte, über all die Leute nachzudenken, die sich enthusiastisch über meine Musik freuen, nicht zuletzt dank des Internets. Das ist doch beachtlich, wir haben ja nie in Amerika getourt, wir hatten außer “Steve McQueen” nie das große Album, aber dein Status als Geheimtipp trägt dich trotzdem irgendwohin. Gut, vielleicht ist Geheimtipp bei mehreren Millionen Alben nicht der richtige Ausdruck, ein Smash-Hit war man aber auch nie, wenn man keine Nummer-eins-Singles im Katalog zu führen weiß. Es stimmt also, wir sind in dieser seltsamen Zone des Populären gelandet, die nicht “Abba-populär” meint.

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Collage: Sarah Szczesny

Fühlt sich der Mann, der einst “I had a dream that we were rockstars …” sang, betrogen um seine wilden Rockstar-Momente?
Oh nein! Du spielst auf den Song “Electric Guitars” an. Das ist ein Porträt der Beatles. Mein Bruder Martin sagt immer: “Wenn es dir gelingt, eine Band zu haben, deren Name bekannter ist als dein Gesicht, so wird dein Alltagsleben sehr viel angenehmer ausfallen.” Es ist deutlich besser, wenn nur die Schönheit der Musik im Mittelpunkt steht. Auf der Straße erkennt man mich zwar manchmal als den “King of Rock’n’Roll”, aber den Namen dazu, meinen, den kennen nur alte Leute oder der eine Radiojournalist, der hier lebt.

Du hast Zeit deines Lebens im Norden Englands gelebt. Deine Songs sind aber reich an Referenzen an den Wilden Westen, an Los Angeles, an Manhattan – wie kommt das?
Eine äußerst europäische Frage. Sie kommt öfter, ich selbst stelle sie mir aber nicht. Diese Referenzen an “Jesse James” oder “Hey Manhattan”, da geht es um eine imaginierte Welt außerhalb meiner eigenen. Warum ich noch immer in Durham lebe? Weil ich in meinem eigenen Kopf existiere. Für mich spielt es keine Rolle, wo ich lebe. Ich bin hier, da ich hier geboren bin und es hier liebe. Mein Songwriting speist sich einzig und allein aus der herbeifantasierten Welt.

Heißt das auch, dass wenn der Teufel wie in dem Stück “The Devil Came A-Calling” vorbeikäme, du nicht unterschreiben und mit ihm abhauen würdest?
Wer weiß das schon! Das ist ja die zentrale Zeile im Text: “I’m sure that I declined … but I’m not certain.” Ganz so final weiß man es eben doch nie, ob man unterschreiben würde.

Eins noch: Ebenfalls in “The Devil Came A-Calling” gibt es diese Stelle, an der die Frauen vor dem Protagonisten, der deinen Namen trägt, auf die Knie fallen – eine in deinem Werk sehr ungewöhnliche explizite Formulierung.
Als Autor muss man der Geschichte immer treu bleiben. Die Stimme des Protagonisten gibt das Thema und die Ausgestaltung vor. In “Mysterious” geht es um Bob Dylan, also stammen die Bilder alle aus seinem Leben. Bei “Devil Came A-Calling” ist der Teufel ein verführerischer Charakter, das verlangt, dass er all die zügellosen Dinge offeriert. Aber ihr fragt auch, da ich meinen eigenen Namen in dem Stück verwende. Nun, ich dachte natürlich daran, einen anderen zu verwenden. Aber das wär feige gewesen. Es ist doch angebrachter, den eigenen Namen zu verwenden, aus dem Spiegel hervorzutreten und sich der Frage zu stellen, wo man selbst in dem faustischen Handel steht. Ihr habt recht, in der Tat ungewöhnlich für mich, aber ich benutze in “Best Jewel Thief In The World” ja auch das Wort “assholes” und auf “Let’s Change The World With Music” “that mother’cker miles” …

Danke für deine Zeit.
Danke für euer Interesse an meiner Musik und mir.

 

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