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“Wir haben nicht kommen sehen, was wir damit anrichten” – Raketenumschau im Interview

30. Dezember 2024,

Wer sagt, dass Musikvideos nach dem Anklicken sofort losbrettern müssen? Die hochinteressante Gruppe Raketenumschau aus München schaltet lieber mal Making-Of-Passagen beziehungsweise ein bisschen Mockumentary davor. Doch nicht nur das lässt ihren smarten Gitarrenpop auffallend unique erscheinen. Marc Wilde hat für kaput eine Band getroffen, von der noch viel zu hören sein wird. (Titelfoto: Ramon Brussog)

„Ist es die Euphorie“ lautet der Titel eures aktuellen Albums. Könnt ihr euch daran erinnern, wann der Gefühlspegel innerhalb der Band das letzte Mal so richtig ausgeschlagen hat?

Quirin: Ich glaube, das war unser Auftritt in München, im Strom. Das war auch eines der wenigen Konzerte, bei denen wir richtig nervös waren. Wir kennen den Ort vor allem aus der Publikumsperspektive. Im Strom haben wir bisher immer unsere Lieblingsbands gesehen und tolle Abende erlebt, und plötzlich stehen wir da selbst auf der Bühne. Es war aber auch deshalb besonders für uns, weil in München natürlich immer Familie und viele unserer Freunde da sind.

Digitale Burg

Ihr habt inzwischen über 100 Konzerte gespielt und insbesondere als Live-Band auf euch aufmerksam gemacht. Würdet ihr sagen, auf der Bühne zu stehen ist der Grund, weswegen ihr Musik macht? Oder erlebt ihr die anderen Schaffensphasen, also wenn Songs entstehen, wenn ihr im Proberaum steht, oder im Studio, als gleichermaßen euphorisierend?

Leon: Es hat schon wahnsinnig viel Spaß gemacht, uns die Songs fürs Album zu erarbeiten und dann auch aufzunehmen. Gleichzeitig wollten wir, dass unser Album so lebendig wie möglich klingt, um die Dynamik eines Konzerts einzufangen. Weil das ein bisschen zum Zentrum der Band geworden ist in den letzten Jahren. Das sind vielleicht die „pursten“ Momente, die wir als Band erleben. Und gleichzeitig kriegt man das auch von außen immer wieder mit, dass diese Energie sich auch auf das Publikum überträgt. Zum Beispiel passiert es nach fast jedem Konzert, dass da ein paar Leute kommen, die uns vorher noch nicht kannten und dann aber irgendwie total aufgekratzt oder euphorisch sind. Und das sind dann hinterher auch die Leute, die uns auf Spotify hören.

Quirin: Es liegt in jedem Fall nicht an unseren Social Media-Aktivitäten, da sind wir eher nachlässig.

Ihr beide habt euch 2018 während eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) bei den Münchner Kammerspielen kennengelernt. Gibt es etwas, dass ihr aus dieser Zeit für eurer eigenes Künstler-Sein mitnehmen konntet?

Leon: Also ich habe zumindest gelernt, was ein Hospitality- oder ein Tech-Rider ist und wie es hinter den Kulissen aussieht. Während Quirin nämlich in der Tonabteilung gearbeitet hat, war ich bei der Gastspiel- und Konzertproduktion und habe Veranstaltungen betreut. Das war auch die Zeit an den Kammerspielen, in der ab und zu Indie-Bands dort gespielt haben, Die Nerven zum Beispiel. Und wo man dann auch den Betrieb von innen heraus kennengelernt hat. Das ist sicher ein Wissen, von dem wir später auch als Band profitiert haben.

Quirin: Das hat sich tatsächlich alles eher auf der praktisch-organisatorischen Seite abgespielt. Aber ich glaube, das war dennoch hilfreich für uns, weil wir so schon vor den ersten Auftritten einen Peil hatten, wie das mit Konzerten oder bei Festivals funktioniert. 

Raketenumschau // Foto: Ramon Brussog

Wie ist es im nächsten Schritt dazu gekommen, dass ihr angefangen habt, zusammen Musik zu machen?

Quirin: Also letztendlich waren wir ja Arbeitskollegen, sprich wir haben uns so gut wie jeden Tag gesehen. Und so war auch schnell klar, dass es auf beiden Seiten eine große Begeisterung für Musik gibt.

Leon: Außerdem fanden regelmäßig so Seminarwochen im Rahmen des FSJs statt. Da hatten wir auch immer unsere Gitarren dabei und waren im Musikraum zusammen. Zu der Zeit waren wir aber noch unabhängig voneinander unterwegs. Quirin hat damals Musik alleine rausgebracht, ich auch – und dann gab es ein kleines Support-Konzert in der Glockenbachwerkstatt in München, das ich erst alleine spielen sollte. Aber dann kam zuerst Kai, unser ehemaliger Bassist, dazu und hatte Lust mitzuspielen. Und später auch Quirin. Das Konzert hat uns dann so viel Spaß gemacht, dass wir beschlossen haben eine Band zu gründen, in der Quirin und ich unsere Lieder zusammenwerfen.

Hattet ihr von Beginn an eine gemeinsame Idee, wie ihr als Band klingen wolltet?

Quirin: Unsere ersten Stücke waren noch ziemliche Experimente, wir waren uns selber noch nicht sicher, in welche Richtung es gehen sollte. Da ich selbst ein bisschen Schlagzeug spiele, habe ich zunächst auch die Drum-Parts eingespielt, aber das ging dann natürlich live nicht auf. Und so kam schließlich unser Schlagzeuger Paul ins Spiel. Wir sind beide zusammen im gleichen Dorf aufgewachsen, in der Nähe von München.

Kommt ihr eigentlich alle aus München?

Quirin: Ja, bis auf Leon.

Leon: Ich komme aus Rheinland-Pfalz, aus einem kleinen Dorf. Und bin dann fürs FSJ nach München gezogen.

Über euren Bandnamen musste ich eine Weile nachdenken, und so einen richtigen Reim kann ich mir bis heute nicht drauf machen. „Umschau“, das klingt für mich eher nach Mitteldeutschem Rundfunk. Deswegen auch die Frage, ob ihr alle aus derselben Gegend kommt. Also gebt mir jetzt bitte mal die Story zur Namensgebung – ist mir auch egal, ob die stimmt …

Leon: Der Name kam tatsächlich sehr früh auf. Tatsächlich auf den Tag genau fünf Jahre vor dem Termin unserer Albumveröffentlichung, am 13. September – das war auch ein Freitag. Eigentlich wollten wir an dem Tag los in die Stadt, Straßenmusik machen, und hatten uns dafür früh morgens verabredet. Du musst wissen, dass man in München als Musiker erst einmal bei der Stadt vorspielen muss, bevor die dich auf die Straße lassen.

Quirin: Ja, Straßenmusik in München, kuratiert vom Kreisverwaltungsrat …

Leon: Genau, und das sind dann die Leute, die später an der Touristeninformation stehen. Die gucken sich das kurz an und stellen dir dann so einen Wisch aus, der ausweist, wo du wann spielen darfst. Es sei denn du hast eine elektrische Gitarre dabei, dann schicken sie dich direkt wieder nach Hause. So war das jedenfalls bei uns.

Quirin: An dem Morgen ist Leon auf jeden Fall sehr verschlafen angekommen, wir mussten ja alle um sechs Uhr in der Früh antanzen. Und er meinte dann nur, ey, ich habe so eine Scheiße geträumt, über unseren Bandnamen: „Raketenumschau“, total bescheuert, richtig dummer Name. Er meinte das als Witz, aber Kai und ich, wir haben beide sofort gesagt: „Okay, der ist es“.

Live im Strom 09.10.24 // Foto: Kornelia Zimmermann

Wenn man sich eure Bandinfo durchliest, dann wird zum einen die Hamburger Schule als Referenz genannt. Zum anderen fällt häufig der Begriff Schlager bzw. „Post-Schlager“. Was kann man sich hierunter vorstellen?

Quirin: Ich glaube, „Schlager“ ist ein von Anfang an missverstandener Begriff gewesen, der auch von unserer Seite aus schlecht gewählt war. Als wir angefangen haben, fand ich aktuelle deutschsprachige Sachen wie Tristan Brusch total spannend. Und von dort aus habe ich auch direkt eine Parallele gezogen zu Künstlern wie Hildegard Knef oder Manfred Krug. Und das war anfangs auch so die Art von Musik, die ich gern schreiben wollte. Und so kam auch die Verbindung zum Schlager zustande. Wir haben aber nicht kommen sehen, was wir damit anrichten …

Leon: … weil wir nämlich so gut wie in jedem Interview darauf angesprochen werden. Wir dachten halt auch, wir machen uns diesen Begriff zu eigen und schaffen unser eigenes Genre, und das heißt dann eben „Post-Schlager“. Aber jetzt werden wir ständig damit konfrontiert. Und eigentlich ist der Begriff inzwischen auch relativ weit weg von der Musik, die wir jetzt bzw. spätestens seit dem Frühjahr 2022 machen – als wir den Aufritt im Heppel & Ettlich hatten.

Was war daran besonders?

Leon: An dem Abend sind wir zusammen mit der Hamburger Band Swutscher aufgetreten, was sich eher durch Zufall ergeben hat; die Vorband war kurzfristig abgesprungen. Es musste also alles sehr schnell gehen. Swutscher sind so eine geile Live-Band, die haben uns einfach mitgerissen mit ihrer Energie. Und an dem Abend haben wir auch selbst das erste Mal auf der Bühne gespürt, was uns am meisten Spaß macht: live zu spielen und Gitarrenrock zu machen.

Quirin: Es hat also zuerst diesen Bühnenmoment gebraucht, um überhaupt zu verstehen, was wir eigentlich machen wollten.

Leon: Und dann haben wir auch ziemlich schnell alles verbannt, was uns im Weg stand, wie das Klavier oder die Akustikgitarren – alles weg.

Auch wenn ihr die Schlagerhaftigkeit musikalisch hinter euch gelassen habt, so lassen sich aber vielleicht in textlicher Hinsicht Bezüge herstellen. Nehmen wir Blumenfeld zum Beispiel, da ging es teilweise ja auch sehr gefühlig um nicht zu sagen schlagerartig zu. Womit wir auch gleich wieder bei der Hamburger Schule wären …

Quirin: Ich glaube, wir waren vor allem zu Beginn noch in dieser kitschigen Richtung unterwegs. Jetzt ist man hier und da auch ein bisschen verkopfter – am Ende versuchen wir in unseren Texten die Balance zu halten. Das heißt, wir wollen schon möglichst direkt sein und die Dinge beim Namen nennen bzw. Gefühle so ausdrücken, wie wir sie empfinden. Aber dabei muss man auch immer sehr aufpassen, dass es nicht zu plump und plakativ rüberkommt.

Leon: Ja, so sehe ich das auch. Aber zur Hamburger Schule: Die hat uns schon auch beeinflusst, das kam jedoch ein bisschen später. Die Blumfeld-Sachen hatte ich vorher zwar auch schon gehört, aber irgendwann kam Quirin und meinte, höre dir mal die erste Tocotronic-Platte an, die ist einfach brutal gut. Da habe ich mich dann total wiedergefunden.

Quirin: Ich fand das auch deshalb so geil, weil die ähnlich alt waren, wie wir damals, also bei ihrer ersten Platte. Und dann Songs wie „Ich habe 23 Jahre mit mir verbracht“ zu hören, das war einfach nur gut. Ich habe Tocotronic zu dem Zeitpunkt einfach sehr gefühlt.

Lasst uns über eure Texte reden: Die meisten stammen ja von dir, Leon, und in der Regel wird einem auch sofort klar, worum es geht. Meist handelt es sich um Beziehungsthemen: Liebe, Sehnsucht, Trennung oder Einsamkeit. Quirins Texte sind dagegen assoziativer und verschlüsselter. Nehmen wir den Opener, „Ich mach‘s auf“, da war mir bis zum Schluss nicht ganz klar, was da jetzt eigentlich genau aufgemacht wird …?

Leon: … das haben wir uns auch alle gefragt (lacht). Aber ja, du hast schon recht und die Unterschiede zwischen uns beiden treffend beschrieben. Bei mir kommen die Texte meist aus einem konkreten Gefühl heraus. Und sie beschreiben etwas, das ich selbst erlebt habe, wobei sich auch das im Laufe der Zeit verändert hat. Also bei „Fragezeichen“, unserer allerersten Single, da war der Text noch ziemlich diffus. Danach dachte ich, das muss direkter gehen. Ich wollte eigentlich, dass es wie ein Telefongespräch funktioniert und das Publikum sofort versteht, was gemeint ist.

Hast du dir das auch bei den Texten fürs aktuelle Album bewusst so vorgenommen?

Leon: Ja, wobei ich von dem Extrem auch wieder Abstand genommen habe. Der Text kann auch gerne ein paar Rätsel aufgeben – welche, die man dann mit etwas Beschäftigung auch lösen kann. Das mochte ich auch früher schon im Deutschunterricht bei den Gedichtinterpretationen, dass man da viel entdecken konnte. Deshalb wäre es immer noch ein kleiner Traum von mir, irgendwann einmal eine Nachricht zu erhalten, dass ein Text von mir im Unterricht analysiert wird. Und dann schreibt mir ein Schüler so, was ich mit dieser oder jener Zeile eigentlich meine.

Okay, dann steigen wir jetzt mal ein in die Textinterpretation: „Rosamunde Pilcher“. In dem Song wird mit Pilcher und Sartre ein breites Spektrum aufgemacht, wobei die Charaktereigenschaften der beiden Personen, um die es hier geht, kaum weiter auseinander liegen könnten. Das lyrische Ich steht auf Rosamunde Pilcher und das sehnsüchtig begehrte Gegenüber hat es eher mit Sartre. Ich frage als ehemaliger Student der betreffenden Fachrichtung: Wie bist du zu Sartre gekommen, hast du ein besonderes Verhältnis zu Philosophie?

Leon: Ich habe tatsächlich Philosophie studiert, im Nebenfach. Da habe ich mich aber sehr schwergetan und dann auch irgendwann eine Art Abneigung entwickelt. Auch, was das ganze Drumherum anbelangt. Diese intellektuellen Gespräche sind mir jedenfalls zunehmend auf die Nerven gegangen, weil es da eben meist nur um Selbstdarstellung geht. Und Rosamunde Pilcher – auch wenn ich nichts von ihr kenne – ist dann sozusagen der kitschige Gegenentwurf dazu. Wobei ich zugeben muss, dass ich auch von Sartre nichts gelesen habe …

Wirklich? Du zitierst ihn doch in deinem Text.

Leon: Für mich geht es da eher um das Intellektuelle, um sich selbst kreisende Gespräche …

Okay, aber was ich meinte, ist diese eine Zeile: „Ich zeig mich bloß in deinen Augen / Auch ich bin nicht von Charme befreit“. Das ist doch original Sartre, der Blick des anderen. In „Das Sein und das Nichts“ gibt es ein ganzes Kapitel dazu. In seinem Theaterstück spielt das Motiv auch eine Rolle: „Die Hölle, das sind die anderen“ …

Leon: Das ist interessant, weil das habe ich gar nicht so gemeint …

Das soll reiner Zufall sein? Ich glaube dir nicht …

Quirin: … (lacht) vielleicht ist ja doch was hängen geblieben von deinem Philosophiestudium, Leon.

Leon: Dann ist es bestimmt ein glücklicher Zufall gewesen. Im Prinzip wollte ich einfach eine Art emotionaler Nacktheit zum Ausdruck bringen, die hier empfunden wird, während das Gegenüber weiter in diesem intellektuellen Kontext gefangen bleibt. Aber ich will das jetzt auch nicht alles erklären …

Okay, können wir uns zumindest darauf einigen, dass „Rosamunde Pilcher“ die Dancefloor-Nummer des Albums ist – ein Song für die Indie-Party, der auch gut von The Kooks hätte geschrieben sein können?

Quirin: Ja, das war aber auch mit Ansage: Zuerst gab es das Indie-Gitarrenriff und dann sehr früh auch diese blumige Refrain-Zeile: „Ich will nicht für immer, für immer bei dir sein / Nur so lange immer die Sterne über uns scheinen.“ Und dann haben wir uns gesagt, okay, das reizen wir jetzt bis zum Gehtnichtmehr aus und schreiben den klischeehaftesten Indiepop-Song ever.

Um mich jetzt mit den Texten nicht weiter auf’s Glatteis zu begeben – sprechen wir lieber über eure Videos. Hier beweist ihr ja viel Humor, wobei die Songs selbst beinahe in den Hintergrund rücken. Stattdessen macht ihr euch über euch selber und das Drehen von Videos lustig. Bis die Musik einsetzt, dauert es immer eine ganze Weile. Und dieses Prinzip zieht ihr dann bei so gut wie allen Videos durch. Was ich mich gefragt habe: Sind die eigentlich alle an einem Stück gedreht worden?

Quirin: Nein, jedes Video ist an einem anderen Tag entstanden, und die Drehs lagen auch teilweise mehrere Wochen auseinander. Tatsächlich sind wir im echten Leben ähnlich chaotisch, wie wir es in den Videos sind. Wir hatten zum Glück ein kleines Team von Filmleuten, die uns oft genug in den Arsch getreten haben, dass die Videos überhaupt zustande gekommen sind. Und als vor dem ersten Video schon einige Dinge schief gegangen sind und es kurz vorher noch auf der Kippe stand, dass wir überhaupt anfangen zu drehen, haben wir uns gesagt: Okay, dann machen wir jetzt dieses organisatorische Scheitern zum Ausgangspunkt des Videos.

Leon: Das kennen wir ja schon, dieses Scheitern hat uns auch vor und bei den Albumaufnahmen begleitet.

Dafür habt ihr aber einen schönen Running-Gag-Effekt hinbekommen.

Quirin: Es ist uns auch grundsätzlich wichtig, dass wir uns als Band nicht zu wichtig nehmen.

Leon: Ja, wer sind wir denn auch, dass wir uns besonders ernst nehmen sollten?

Ich würde gern zum Schluss noch kurz auf die Produktion des Albums zu sprechen kommen. Ihr habt zusammen mit Willy Löster aufgenommen und Olaf Opal hat gemischt. Wie lief das ab, habt ihr euch eine Zeitlang zurückgezogen und dann in einem Rutsch aufgenommen?

Quirin: Wir hatten von Beginn an vor, die Platte nicht Spur für Spur aufzunehmen, sondern alles live einzuspielen. Also alle vier in einem Raum, damit es möglichst echt klingt.

Leon: Eigentlich wollten wir ja im Notwist-Studio in Weilheim aufnehmen. Zwei Wochen vor dem Aufnahmebeginn hat mich dann aber Micha Acher angerufen und mir gesagt, dass der Raum nicht begehbar ist, weil da gerade 100 Party-Zelte drinstehen und er die nicht rechtzeitig loswird. Und dann hatten wir echt sehr viel Glück, dass wir hier um die Ecke ins Fat Cat, einer Zwischennutzung vom Gasteig, ausweichen konnten. Wir hatten da gottseidank tolle Leute zur Unterstützung, die uns sehr schnell helfen konnten.

Quirin: Wir waren dann ungefähr zwei Wochen mit Willy zusammen in dem Raum. Am Anfang hatten wir auch einen echt guten Rhythmus, da haben wir teilweise zwei, drei Songs am Tag geschafft. Für die letzten paar haben wir dann allerdings deutlich länger gebraucht. „Blaues Auto“ zum Beispiel wurde fünfmal umgeschrieben, mal schnell, mal langsam, mal dieser oder jener Groove.

Leon: Und Willy saß die ganze Zeit, teilweise stundenlang, neben uns – also der hatte wirklich viel zu ertragen mit uns.

Sind eigentlich alle Stücke neu fürs Album entstanden oder habt ihr auch älteres Material mit aufs Album genommen?

Quirin: Die ältesten Songs sind teilweise zwei, drei Jahre alt. „Radar“ zum Beispiel ist schon ewig in der Band. „Das blaue Auto“ ist auch relativ alt.

Leon: Ja, das hat schon mehrere Inkarnationen durchlaufen. Der frischeste Song ist sicherlich „Kehrmaschine“ – der ist eigentlich erst im Studio fertig geworden. Das Stück ist aber auch deshalb besonders, weil es von Erinnerungen an einen Abend in Hamburg durchtränkt ist, als wir zusammen mit Die Sauna im Molotow aufgetreten sind. Nach dem Konzert hatten wir eine sehr witzige Zeit zusammen. Der Song ist eine kleine Hommage an diese Nacht.

„Kehrmaschine“ bricht ja allein schon von der Länge her mit dem Rest. Das ist in jedem Fall kein Indiepop mehr.

Quirin: Ich mag diese Brüche auf der Platte auch. Wobei ich tatsächlich Sorgen hatte, dass der Song live nicht funktionieren würde und die Leute einfach nur quatschen. Tatsächlich ist es aber jetzt auf der Tour immer ein sehr schöner Moment im Set gewesen.

Gibt es eigentlich etwas, wo ihr sagen würdet, das möchtet ihr gerne noch erleben. Also an einem besonderen Ort zu spielen, mit der oder dem Künstler:in einen Song zu machen oder mit einer bestimmten Band gemeinsam auf der Bühne stehen?

Quirin: Ich weiß nicht, für mich ist es wichtiger, Menschen zu begegnen, die einen auf dieser Reise inspiriert haben oder aus deren Schaffen man viel rausgezogen hat. Aber es gibt zumindest einen Traum, den Leon und ich noch haben: irgendwann einmal an den Ort zurückzukehren, an dem wir uns kennengelernt haben und im Schauspielhaus der Münchner Kammerspiele aufzutreten.

Leon: Da müssen wir aber wohl noch ein bisschen artsier werden. Das ist dann eher so eine Sache für das dritte oder vierte Album. Also wenn das Publikum auch schon ein bisschen älter geworden ist und man nur noch bestuhlte Konzerte gibt – in Theaterhäusern.

Ich wäre jetzt schon bereit dafür. Bitte ruft mich an, wenn es soweit ist.

Text: Marc Wilde

(Marc Wilde im Gespräch mit Leon (Gesang, Gitarre), Quirin (Gesang, Gitarre) in München-Haidhausen, Fortuna Cafébar, 18.10.2024)

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