Romeo, gib Gift!

“Natürlich beim Saufen” – Felix Scharlau im Interview zu Handy-Chats, die es nie gab

Wenn Felix Scharlau eine Kneipe betritt, verstummen alle Gespräche und die Blicke folgen dem attraktiven Wahl-Kölner. Er nimmt gelassen Platz und bestellt sich ein Getränk. Natürlich ein Bier, das schmeckt ihm am besten. Mit 2 – 3 Promille könne er am besten abschalten vom anstregenden Tagwerk. Felix Scharlau ist Humor-Artist und Familienvater, ein Tausendsassa der ersten Stunde. Er schreibt für die Online-Ausgabe der “heute show” die guten Witze. Doch das reicht dem ehrgeizigen Wassermann längst nicht, so erscheint nun sein zweites Buch. Dem Roman “501 – ein DJ auf Autpilot” folgt “Darauf kannste Gift nehmen, Julia! Dein Romeo”. Hier werden erfundene Handy-Chats präsentiert, von Ernie und Bert, Hitler und Stalin, Barbie und Ken… Wie das funktioniert und wie es dazu kam, erzählt er im Interview.

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[click to enlarge / copyright: Goldmann]

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Herr Scharlau, Handychats aus einer Zeit vor Handychats … wie kommt man auf eine solch verrückte Idee?
Natürlich beim Saufen. Allerdings stellte ich hier im Gegensatz zu sonst verkatert fest, dass die Idee offenbar nicht schon 300 Leute vor mir hatten. Vielleicht habe ich aber auch nur zu schlecht gegoogelt? Habe ich zu schlecht gegoogelt??? Oh je, bitte sag nicht, ich habe zu schlecht gegoogelt!!!

Welche sind denn deine drei Favoriten – und kannst du die Handlung darin unseren Lesern mal kurz anteasen?
Von den paar Testlesern erhielt ich verstörte und daher aus meiner Sicht sehr interessante Reaktionen auf den ausgedachten WhatsApp-Chat zwischen Ernie & Bert aus der „Sesamstraße“. Die Story: Bert muss verreisen und Ernie wird, seines Freundes beraubt, schnell von einer ausgewachsenen Psychose übermannt, die im Suizid endet. An dem Beispiel kann ich auch gut erklären, was mich an dem Buch so gereizt hat: das parodistische Aushöhlen und Erweitern vorhandener Figuren, am liebsten jenen, deren Charakter oder Vita nur sehr holzschnittartig oder stichwortartig vorliegen. Ernie und Bert etwa leben – so die Vorlage der Sesamstraße – in einer ungesunden, aber gerade noch funktionalen Symbiose. Doch was passiert, wenn einer nicht mehr da ist? Genau: Alles stürzt ein. Völlig logisch. Ansonsten gefällt mir sehr gut Arya [„Game Of Thrones“] an King Joffrey. Hier scheitern endlich auch mal die Beteiligten an dem lachhaft komplizierten Fantasyreich von George R.R. Martin – so wie sonst der Zuschauer, der beim Gucken ständig den Stammbaum auf dem Tablet offen haben muss. Außerdem hatte ich beim Schreiben eine diebische Freude an meiner erdachten Annäherung von Markus Lanz an George Clooney. Lanz versucht in dem Chat hochnotpeinlich, Clooney von einem Besuch bei „Wetten dass…?“ zu überreden.

Was sollte dein Buch unbedingt nicht werden?
Ein miserables Toilettenbuch. … Was es werden sollte: ein gutes Toilettenbuch.

07052011566Hand aufs Herz: Zu welchen historischen/fiktionalen Paarungen hast du aber nichts hinbekommen?
Man könnte zu allem irgendwas machen, das ginge schon, nur würde es dann halt das Niveau runterziehen. Die 46 Chats sind nur circa ein Drittel der Personals, das ich noch auf dem Zettel hatte. Kurt Cobain, Karl Marx, Uli Hoeneß, Boris Becker – die sind leider alle nichts geworden. Am schwierigsten sind Figuren, die schon vielfach humoristisch gebrochen wurden oder natürlich die, die in sich schon lustig sind. Eine der ersten Ideen überhaupt war zum Beispiel Sherlock Holmes und Dr. Watson. Da musste ich ein Jahr grübeln, bis mir doch noch ein gutes Grundsetup einfiel. Der Chat hat es als letzter gerade noch ins Buch geschafft.

Was hast Du bei der Arbeit für das Buch über einen Promi oder eine sonstige darin vorkommende Gestalt gelernt, was du vorher nicht wusstest?
Ich habe gelernt, wie die Teletubbies einst gedreht wurden, dass Barbie und Ken getrennt waren, jetzt aber wieder zusammen sind (puh!) und dass „Schneewittchen und die 7 Zwerge“ ganz offenkundig ein kaum verrätselter Missbrauchsplot ist.

20121226_204902Wie hast Du dich auf die jeweiligen Figuren, ihre Sprache, ihre Story eingelassen? Ging es dir mehr um Recherche oder mehr um Phantasie?
Wenn man einen Chat mit Jogi Löw oder Angela Merkel plant, macht es natürlich Sinn, sich des sehr auffälligen Sprachgestus’ zu bedienen. Aber ich habe nicht konsequent die Figurensprache befolgt. Auch, weil es oft schlicht lustiger ist, eine historische Figur wie einen Rapper reden zu lassen und eben nicht so manieriert wie in einem Theaterstück. Stichwort Recherche: Ich habe zu dem Buch tatsächlich viel recherchiert, meist, um einen Handlungsanker für einen neuen Chat zu finden. Aber das darf man nicht übertreiben, sonst schreibt man plötzlich eine historische Abhandlung mit Insider-Gags für Altertumsforscher. Unterm Strich reiht sich alles der Story und der Gags unter. Stimmen die nicht, ist der Chat Mist. Da hilft dann auch keine mimetische Figurensprache und keine Uni-Bib-Recherche mit Mikrofiche.

Was dürfen wir als nächstes erwarten? Und was wäre ein Traum-Thema, zu dem du schon immer gern mal ein Buch machen würdest?
Ich würde sehr gerne wieder einen Roman schreiben und habe einen Ideenansatz, der sich wie beim letzten Buch ganz lose mit dem Motiv Ruhm befasst. Das möchte ich demnächst gerne vorantreiben. Veröffentlichung: circa März 2025.

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Felix Scharlau im produktiven Dialog mit Kaput-Redakteur Thomas Venker. (Foto: Linus Volkmann)

 

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