Das Community Festival: Week-End Fest

Das Week-End Fest findet am 7. und 8. November bereits zum viertzehnten Mal statt. In den letzten Jahren hat sich das Festival immer mehr von seinem ehemals klassischeren Festivalformat gelöst und ist mittlerweile ein etabliertes Labor, in dem Musik als Form des Denkens, der Selbstermächtigung und der sozialen Choreografie begriffen wird und eben nicht nur die gleichen Künstlerinnen wie überall präsentiert werden.
Seit seinen Anfängen schreibt das Week-End Fest seine eigene Kuratierungsgeschichte – eine Chronik wider die Gewöhnung. Ob afrospirituelle Tiefenbohrungen mit dem Sun Ra Arkestra, feingliedrige Pop-Avantgarden mit Jessica Pratt oder Disco-Archäologien à la Nicky Siano: Das Festival war immer ein Resonanzraum für das, was sich nicht sofort einordnen lässt.
2025 führt diese Haltung in neue Territorien – zwischen Jazz, Elektronik, Literatur und Soundpoetik. Charles Tolliver steht exemplarisch für diese Haltung. Mit seinem Label Strata-East Records gründete er 1971 eine Infrastruktur künstlerischer Autonomie; Jazz als soziale Bewegung, nicht als Genre.
Ein weiteres gutes Beispiel ist Carl Craig, der am Festival Freitag nicht nur auflegen wird, sondern bereits am Nachmittag mit Week-End-Festivalmacher Jan Lankisch und mir über den aktuell in die Kinos kommenden (und im Kölner Filmhaus an diesem Tag gezeigten) Dokufilm „Desire – The Carl Craig Story“ über sein Leben sprechen wird. Craig übersetzt Detroits industrielle Melancholie in Techno als Raumphilosophie – eine Ökologie aus Maschine, Groove und Erinnerung.
Die britische Musikerin und Produzentin Emma-Jean Thackray wiederum dekonstruiert die Trennung von Jazzband und DAW (Digital Audio Workstation), Funk und Elektronik und präsentiert Musik als vegetativen Klangorganismus.
Mit A Guy Called Gerald tritt zudem ein Archäologe des UK-Acid auf, dessen Klassiker „Voodoo Ray“ den Club als gesellschaftlichen Mythos mit Revolutionspotential begreift, nicht als Ort.
Und dann ist da noch Céline Dessberg. Die französisch-mongolische Sängerin und Songwriterin bringt Harfe, Stimme und Mehrsprachigkeit in Verbindung – ihr Song „Chintamani“ öffnet den Zutritt zu einer zauberhaften Klang-Topografie zwischen Folk-Artefakt und Clubritual.
Last nut not least bei diesem Schnellüberblick aus dem noch viel umfangreicheren Programm: Polypixa, das Projekt der in Transnistrien aufgewachsenen und in Köln studierenden Künstlerin Polina Korovina, formuliert mit „Queer Criminals“ ein queeres Manifest lokaler Selbstermächtigung.
Es wird deutlich: Das Week-End verschiebt mit seinem Lineup in diesem Jahr den Fokus auf Haltungsfragen: Wie klingt Selbstermächtigung unter Bedingungen algorithmischer Reproduktion, digitaler Überwachung, schwindender Club-Infrastrukturen?
Festival bedeutet hier somit (nicht nur) Ekstaseversprechen, sondern auch explizit Zeitgeschehenverhandlung. Es wird ganz gezielt eine Verbindung zwischen Konzertsaal und Clubraum aufgemacht, (Jazz)geschichte und Dancefloor-Drift in Dialog gebracht. Oder um es direkt zu sagen: Das Week-End ist der bewusste Entwurf eines kleinen Rahmens gegen die Makrostruktur des Eventkapitalismus.
Und ja: gefeiert und getanzt werden darf natürlich trotzdem.








