Interview

„Der Reiz am Reduzierten“ – Sophia Kennedy über ihr neues Album „Squeeze Me“

Sophia Kennedy (Photo: Rosanna Graf Presse)

„Squeeze Me“ ist ein Album für die süßen Pop-Momente des Sommers. Sophia Kennedy bringt auf ihrem dritten Album  verträumte Melodien mit frischen Beats und lyrischer Deepness zusammen. Die Platte ist aufgeräumter als ihre vorherigen, mit mehr Struktur und rotem Faden: „Ich bin sehr eklektisch und habe daher oft einen Mischwarenladen am Start. Dieses Album wollte ich es etwas fokussierter und gebündelter halten. Der Reiz lag für mich darin, reduzierter zu sein und nicht alles zu überladen.“

 

Und das steht ihr gut. Die zehn Songs fließen wunderbar ineinander, mit instrumentalen und elektronischen Passagen. Es gibt hier und da ein paar Ausreißer („Oakwood 21“ beispielsweise), aber nur wenige. Schräge Synthesizer blitzen immer wieder durch die ansonsten hübsch aufgeräumte Pop-Fassade hervor, die für sie typischen Moll-Akkorde haben öfter mal ein Schmunzeln im Gesicht. Überraschungen oder gar Störfaktoren warten diesmal hinter der Bühne auf ihren Einsatz. Hier und da fehlt vielleicht ein bisschen Grid, ein kleiner Zufall, Mut zur Lücke, aber man verliert sich gerne in ihren zuckerweichen Soundwelten und harmonischen Klavierakkorden. Dabei bleibt sie ihrem Stil treu, wirkt nur etwas erwachsener, ernster, vernünftiger.

„Growing up to learn to, laugh at things that hurt so.“

Sophia Kennedy’s hat „Squeeze Me“ wieder zusammen mit ihrem Co-Produzenten und Lebenspartner Mense Reents in Hamburg aufgenommen. Nach knapp zehn Jahren sind die beiden ein eingespieltes Team: „Als ich 2017 mein Debütalbum mit Mense aufnahm hat er meine musikalische Welt erweitert und bereichert. Das ist bis heute noch so. So eine Album Produktion ist ja immer sehr durchwachsen. Es gibt Höhenflüge und auch Zweifel. Zu zweit zu sein und sich die Bälle zuzuspielen ist extrem wertvoll. Gerade um nicht im eigenen Sumpf stecken zu bleiben. Trotzdem arbeite ich im Entstehungsprozess oft erstmal allein, weil ich mich unbeobachtet fühlen muss.“

Musikalisch repräsentieren der bereits angesprochene Track „Oakwood 21“ sowie „Upstairs Cabaret“ die Underdogs-Seite des Albums (und sind meine heimlichen Favoriten). „Oakwood 21“ klingt wie ein gruseliges Schlaflied, das wahrscheinlich seinen Zweck verfehlen würde. Auf bedrohlichen Sohlen schleicht es langsam ums Bett herum und blitzt verstohlen ums Eck. Ob es uns gute oder böse Träume bringt? „Upstairs Cabaret“ gibt uns Hoffnung und führt uns in eine heile Welt aus Klang und Harmonie, mit einem Tupfer Plantasia à la Mort Garson und Italowestern-Nostalgie. Schade, dass dieser kleine, experimentelle Ausflug dann auch schon vorbei ist.

Mense Reents und Sophia Kennedy (Still from Video by Jan Höhe)

„I’m gonna paint my lips, I won’t hit the brakes“

Die Hamburgerin ist schon seit Jahren eine feste Größe in der deutschen Indie/ Pop-Szene. Sie schlüpft auf ihren Songs immer in eine andere Rolle, manchmal erinnert ihre tiefe, kraftvolle Stimme an eine moderne Version von Hildegard Knef. Manchmal haucht sie uns mit ihrer lasziven Kopfstimme ins Ohr. Von wem hat sie sich diesmal inspirieren lassen? „Mir schwebte keine konkrete Referenz vor, ich suche eher nach einer Haltung, wie ich den Song vortrage. Das kann je nach Song variieren, ob es eher eine expressive, kraftvolle Stimme braucht oder eine Lässigkeit. Das hängt immer auch mit den Lyrics zusammen und welches Stimmungsbild ich erzeugen möchte.“

„Wouldn’t it be scary to realize it’s you who need me?“

Mense Reents und Sophia Kennedy bei den VIA Awards 2022 (Photo: Thomas Venker)

Man kann das ganze Album problemlos an sich vorbei ziehen lassen, es will nicht zu viel von einem. Doch wer genau hinhört, entdeckt die vielen scharfsinnigen Zeilen in Kennedys Texten. Wie auf ihrem Song „Rodeo“, da heißt es nicht umprovokativ „Warum soll ich mich schuldig fühlen, (nur weil) ich immer besser werde?“ – ihre Art über die eigene  Rolle als Frau im Musikbusiness nachzudenken. In die gleiche Kerbe schlägt „Feed Me („I’m just like a balloon (…)“ waiting for you to blow me up“)“, bei dem es um das Versprechen geht, groß raus gebracht zu werden. Versprechen, die oft von Männern in der Branche gemacht werden, die am längeren Hebel sitzen, nicht unbedingt schlecht gemeint, aber auch nicht auf Augenhöhe.

Sophia Kennedy ist in ihren Texten nicht unbedingt politisch – aber auch nicht unpolitisch. Die Deutung ihrer Lyrics liegt zu einem Großteil im Verständnis der Betrachter:innen.

Der letzte Song „Hot Match“, einer der Hits des Albums, lässt ebenso viel Raum für Interpretation. Mit quietschenden Reifen und dreckigen E-Gitarren-Riffs verabschiedet sich Kennedy nach dem zehnten Track – und lässt uns, bisschen ratlos und verloren, vor ihrem brennenden Haus zurück. „Kratz die Reste vom Boden auf, jetzt ist auch alles egal“ heißt es übersetzt im Text. Ein politisches Zeichen? Irgendwie ja, aber irgendwie auch nicht, sagt sie der taz im Interview. Einerseits gehe es um die ganz normale Paranoia, den Herd angelassen zu haben. Andererseits könne der Text auch für die Krisen unserer Zeit stehen. Vielleicht ist es ein Mix aus Bedeutung und Banalität. „Ich habe keine Ahnung wie sich die politische Lage in meiner Musik wiederfindet“, gibt sie mir zu verstehen. „Ich glaube, das wird man erst in ein paar Jahren wissen. Vielleicht weiß die Musik jetzt schon mehr als ich.“

Im Oktober geht Sophia Kennedy auf „Squeeze Me“ Tour in Deutschland, Österreich und der Schweiz, den Auftakt macht sie am 08. Oktober in Köln im Bumann & Sohn.„Wir arbeiten gerade an einem neuen Live-Konzept. Uns wird der fantastische Drummer Manuel Chittka begleiten. Darauf freuen wir uns schon!“

 

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