Das Paradies als Paradox und Matrix
Aktuell zeigt der Dortmunder Hartware MedienKunstVerein die Ausstellung “The Paradise Machine” des Berliner Künstlers Niklas Goldbach. Am 23. Mai findet im Kino des Dortmunder U begleitend die Lecture Performance “Into The Paradise Machine”, musikalisch erweitert wird der Abend von einem Live Score von Schneider TM.
Thomas Venker hat im Vorfeld Dirk Dresselhaus und Niklas Goldbach zu ihrer Kollaboration befragt.
Niklas, zunächst würde mich interessieren, was für dich den besonderen Reiz an der Musik von Schneider TM ausmacht?
Niklas Goldbach: Für mich ist Schneider einfach unfassbar wandelbar: Wir sind schon seit Ende der 90er Jahre miteinander befreundet und ich war immer großer Fan von seinen Bandprojekten, und habe zu der Zeit auch selber Musik gemacht — Gitarre und Gesang. Schneider hat dann auch das erste Studioalbum meiner Band Super 8 produziert; und von seinem ersten Elekronik-Album als Schneider TM war ich dann ebenfalls schwer begeistert, damals ein Novum in unserer sehr gitarrenlastigen Ostwestfalen Musikszene.
Was gab den Anlass für dich Dirk für eine Performance in deiner Ausstellung einzuladen?
Niklas Goldbach: Schneider und ich haben eigentlich schon immer zusammen gearbeitet — mein erstes Musikvideo war für ihn, und sogar in meinem Bewerbungsvideo für die Kunsthochschule hat er mitgespielt und Musik gemacht. Für sein Drone-Projekt ANGEL habe ich Live-Visuals produziert, für die Band Paincake ein Musikvideo und auch mit dem Hörspielmacher Paul Plamper haben wir gemeinsam gearbeitet. Seit einiger Zeit macht Schneider auch Soundtracks zu Kinofilmen, und von daher war die Wahl ganz logisch, ihn für das einstündige Video “INTO THE PARADISE MACHINE” einzubinden.
Dirk, dieselbe Frage an dich: Was ist es, was dich an den Arbeiten von Niklas besonders anspricht?
Dirk Dresselhaus: Ich mag Niklas Arbeiten sehr und wir haben seit den späten 90er Jahren schon Einiges zusammen angestellt…nicht zuletzt ein paar Video Clips für Schneider TM und Locust Fudge etc sowie recht dada-esque Beiträge für die Sendung Wah2 auf Viva2, als es den Musiksender noch gab.
Ich denke unsere künstlerischen Ansätze sind sich in einigen Punkten recht ähnlich, z.B. was den Umgang mit Metaebenen und assoziativen Querverbindungen unterschiedlicher Betrachtungsweisen in unseren jeweiligen Arbeiten angeht, bei denen es oft mehrere Schichten gibt, die vom Publikum gelegentlich übersehen werden, was allerdings nicht beabsichtigt, sondern Produkt einer Sichtweise auf die sogenannte Realität ist und in welcher Form sie sich einem präsentiert.
Wie gehst du mit einer solchen Anfrage für eine Performance im Rahmen einer Ausstellung um? Wie leicht / schwer fällt es dir, dich darauf einzulassen?
Dirk Dresselhaus: Ich kenne die Arbeit und werde einfach dazu improvisieren, allerdings nicht ganz unvorbereitet sondern in einem zuvor klar abgesteckten musikalischen Rahmen.
Der Auftritt fungiert ja unter dem Namen „Live Score“ und findet im Kontext eines Vortrags zur Ausstellung statt. Sind das denn zwei getrennte Elemente oder fließen beide Dinge immer wieder ineinander?
Dirk Dresselhaus: Mein Live Score untermalt und kommuniziert mit Niklas Narration und umgekehrt. Letztendlich ist es Musik und Stimme, was ja eine recht übliche Kombination ist und man könnte es auch als eine Art Song sehen, die von einem dazugehörigen Video begleitet wird. Interessant wird der Faktor ‚Chance‘ dabei sein, der den Verlauf der Performance in die ein oder andere Richtung beeinflussen wird.
Zudem würde mich interessieren, wie wichtig die Positionierung innerhalb der Ausstellungslandschaft dabei ist?
Dirk Dresselhaus: Soweit ich informiert bin, soll unsere Performance in einem Kinosaal stattfinden.
Niklas Goldbach: Ja, das stimmt. Genauer gesagt im Kinosaal des Dortmunder U’s, da ist einfach mehr Platz als in der Ausstellung, die drei Stockwerke höher im Hartware MedienKunstVerein (HMKV) zu sehen ist. Da ist die Arbeit auch zu sehen, allerdings in einer ausstellungsfreundlichen Variante.
Nun kommt der Ausstellungstitel „The Paradise Machine“ ja sicherlich von dir, Niklas, und doch möchte ich Euch beide fragen, was ihr damit verbindet?
Niklas Goldbach: Erst einmal ist der Name ja ein Paradox, die Begriffe ‘Paradies’ und ‘Maschine’ scheinen einander ja auszuschließen — und für mich gibt es diesen glücksverheißenden Ort eines Paradieses natürlich auch gar nicht. Die Tourismusindustrie und der Immobilienmarkt dagegen benutzt den Begriff schon häufiger, und unser kollektives Bewusstsein assoziiert damit Palmen und Tropenstrände, wie man auch in einer K.I. basierten Fotoarbeit in meiner Ausstellung sehen kann. Für Inke Arns, die Kuratorin des HMKV, ist die Paradies Maschine zum Beispiel. die Architektur.
Dirk Dresselhaus: Paradox würde ich auch sagen, und irgendwas in Richtung Matrix, was ich als Thema auch schon öfter bildlich für systemische Realitätswahrnehmung in Schneider TM Texten verwendet habe.
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“The Paradise Machine“ arbeitet sich ja an den in den Niederlanden (und darüber hinaus) sehr bekannten Familienurlaubsferienanlagen ab, den sogenannten Center Parcs. Ich weiß, dass mein Kaput-Partner Linus Volkmann diese immer wieder gerne für Urlaube aufgesucht hat früher. Sind das denn auch Orte, mit denen du, Niklas, jenseits der künstlerischen Arbeit persönliche Erfahrungen verbindest?
Niklas Goldbach: Die Center Parcs gibt es ja schon seit den 70er Jahren, und sie waren auch während meiner Kindheit im Ruhrgebiet immer eine Art Sehnsuchtsort, wahrscheinlich weil sich die Werbung zielgerichtet an Kinder und die Kernfamilie richtet. Für meine Eltern waren diese Freizeit-Parks aber nichts, die waren eher am klassischen Hotelurlaub interessiert als an Spassbad, Bungalow und Selbstversorgung.
Was hat dich generell an ihnen so sehr gereizt, dass sie zu deinem (Teil)-Sujet wurden?
Niklas Goldbach: Ich bin während der Pandemie wieder auf die Anlagen gestoßen, da sie auf einmal ein Revival hatten als vermeintlich sicherer Urlaubsort vor der eigenen Haustür. Ich habe mir daraufhin den Park in Norddeutschland angeschaut — und war erschlagen und gleichzeitig fasziniert von der Gleichförmigkeit der Bungalowanlagen, die ich dort vorgefunden habe: 600 mal das gleiche Haus, vor wechselnder Landschaft. Für mich als Künstler ein herausforderndes Motiv.
Und natürlich interessiert mich auch, ob du, Dirk, schon einmal in einem Center Parc Urlaub gemacht hast?
Dirk Dresselhaus: Ich (noch) nicht…ich weiß auch nicht, ob das für mich ein wirklicher Urlaub wäre, aber sicherlich interessant für ein Wochenende mit Freuden und den passenden Hilfsmitteln.
Letzte Frage: Welche Song transportiert für Euch den Center-Parc-Vibe am besten?
Lecture Performance „Into The Paradise Machine“ mit Niklas Goldbach und Live Score von Schneider TM
23.05.2024; 19-21 Uhr
HMKV im Dortmunder U, Kino, EG
“The Paradise Machine” ist ein Projekt des Berliner Künstlers Niklas Goldbach. Anlässlich seiner Ausstellung findet im Kino des Dortmunder U am Kleinen Freitag die Lecture Performance Into The Paradise Machine statt. Musikalisch erweitert wird der Abend von einem Live Score von Schneider TM. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, den Künstlern Publikumsfragen zu stellen.
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