Die Gallery of Hōryū-ji Treasures
Man kann Hideaki Ishi (aka Dj Krush) nun wirklich nicht vorwerfen, dass er für seinen Auftritt im Garden Beyond des Tokyoer National Museums nicht alles bis ins letzte Detail perfekt geplant hätte An jenem 14. Oktober 2014, als ihm die große Ehre widerfuhr vor der Gallery of Hōryū-ji Treasures aufzutreten, wo die Schätze der japanischen Unvergänglichkeit ausgestellt werden, stimmte fast alles: die auf einer kleinen Insel gelegene Bühne war stimmungsvoll beleuchtet, das Publikum erwartungsfroh und sein aus fünf klassisch ausgebildeten japanischen Musikern bestehende Orchester viel versprechend besetzt – einzig das Wetter wollte nicht so recht mitspielen, und so musste kurzfristig ein Zelt über den Musikern als Schutz aufgebaut werden, mit allen Soundnachteilen, die so etwas nunmal mit sich bringt.
Thomas Venker traf Hideaki Ishi am nächsten Tag, um mit ihm über den speziellen Sound von japanischen Instrumenten zu sprechen, die den Grundcharakter des Auftritts prägten.
Hideaki Ishi, es ist mir ein Vergnügen. Beginnen wir mit der gestrigen Performance im Garten des National Museums. Wie hat sich der Auftritt für dich angefühlt? Selbst in deiner langen Karriere muss es doch ein besonderes Ereignis gewesen sein.
Wir hatten das große Glück, das aufführen zu dürfen, was wir uns ausgedacht haben. Leider können wir Menschen die Kräfte der Natur nicht bezwingen, und so durchkreuzte der Regen etwas unsere Pläne. Mein Ziel war es, den Besuchern eine 200%ige Performance zu bieten, so sind es nur 120% geworden. Dadurch, dass wir ein Zelt über uns aufspannen mussten, wurde die Soundqualität etwas geschmälert. Beim Soundcheck klangen wir noch deutlich besser. Aber wenn man diesen Aspekt beiseite lässt, dann bin ich sehr zufrieden.
Nun ist es für jeden Musiker ein spezieller Moment, wenn es sein Kunst ins Museum schafft. Bei einem Clubmusiker wie dir, wo das noch weiter weg erscheint als, sagen wir bei einem konzeptionellen Klangkünstler, muss sich das besonders ungewöhnlich anfühlen, oder?
Nun, es ist in der Tat auch für mich eine besondere Örtlichkeit. Ich habe aber so etwas nicht zum ersten mal gemacht. In der Vergangenheit bin ich beispielsweise auch schon in einem großen Tempel in Tokyo aufgetreten, da mich der Tempel Älteste, ein großer Musikfan, angefragt hatte. Wir haben damals in der Haupthalle des Tempels, wo die Mönche selbst immer Musik machen, den Boden in Form einer 8 aufgesägt und Boxen in der Öffnung angebracht. Als dann die Leute sich zum beten vor der großen Buddha Statue einfanden, saßen sie quasi genau vor unseren Boxen und spürten den speziellen tiefen Sound während dessens. Insofern kannte ich solche Situationen bereits, aber das National Museum ist ohne Frage ein sehr eigener Ort.
Du bist als Kind von der Schule geflogen. Jetzt trittst du vor dem japanischen Heiligtum, der Gallery of Hōryū-ji , auf. Vielleicht eine etwas ungewöhnliche Frage, aber warst du eigentlich gut in Geschichte?
Nicht wirklich, aber ich war sehr gut in Kunst. Ich habe sogar ein paar Preise für meine Bilder und Basteleien aus dieser Zeit erhalten. Eine Bild von mir, das ein Monster zeigt, wurde sogar im Fernsehen als besonders gelungenes künstlerisches Werk präsentiert.
Wann begannst du dich für die traditionellen japanischen Instrumente zu interessieren, die im Rahmen des gestrigen Auftritts eine große Rolle spielten?
Die Kinder in Japan wachsen nicht wirklich mit traditionell japanischer Musik auf. Wenn man das Radio anmacht, dann hört man jede Menge moderne, internationale, westliche Musik, und auch japanische Popmusik. Ich war insofern ein Kind wie jedes andere auch. Mein Interesse an traditionellen japanischen Instrumenten entstand erst nachdem ich meine Karriere als DJ begonnen habe und viel international zu reisen begann. Das war um 1995, als ich mein Album „Meiso“ betourte. Durch die Erfahrungen im Ausland begann ich über meine japanische Heimat und meine japanische Identität nachzudenken. So erkannte ich erst wie sehr sich doch unser Land von den übrigen unterscheidet.
Wenn ich mir die sehr lange Liste an traditionellen japanischen Instrumenten betrachte, die ich bei meiner Recherche gefunden habe – es sind um die 100 Stück -, dann frage ich mich natürlich wie du deine Auswahl für den Auftritt getroffen hast.
Es geht mir darum eine Soundlandschaft zu zeichnen. Es ist wie bei einem Feld, das den Blumen das Wachsen erlauben soll. Oder nimm das Bild eines Schwimmbeckens, das man ja mit Wasser füllt, damit man darin schwimmen kann. Wer aber letztlich darin schwimmen wird, das weißt du im voraus nicht. In diesem Sinne gesprochen war die Shakuhachi, eine Bambus Flöte, die zumeist bei der Zen Meditation benutzt wird, und die der Gentleman der direkt neben meinen Plattenspielern gestanden hat, spielte, der Ausgangspunkt aller weiterer Soundentscheidungen. Ihr Klang ist sehr emotional, ihr Ton sehr speziell. Alles fließt so frei. Das berührt mich sehr. Was die Trommelangeht, so war es sehr schwierig sie in diesen Klangfluss einfließen zu lassen.
Würdest du mal eben auf die lange Instrumentenliste schauen? Danke. Welche anderen Instrumente darauf magst du denn noch besonders und warum?
Da finden sich ja sehr viele tolle. Ich muss dir ein Kompliment für deine umfangreiche Recherche machen.
Also die Koto schätze ich auch sehr. Dabei handelt es sich um eine lange Zither, deren Ton sehr distinguiert ist. Wir Japaner empfinden ihren Klang als sehr heimatlich. Die Koto wird zu allen besonderen Ereignissen, zum Beispiel an Neujahr, überall gespielt. Es gibt viele verschiedene Kotos, die alle toll sind.
Auch die Taiko, die große Trommel mag ich sehr. Ihr Klang ist so gewaltig. Es gibt nicht viele Instrumente, die eine derartige Vibration auszulösen vermögen. Man schlägt sie nur einmal an, das reicht. Man sieht die Taiko sehr oft, wenn man sich auf Straßenmärkte und Karnevalsumzüge begibt. Wir Japaner pflegen ja die Tradition der Straßentänze. Die Taiko befindet sich dabei immer im Mittelpunkt, so dass die Kinder an sie herantreten können und sie anschlagen dürfen. Sie ist ein wichtiger Bestandteil unserer Geschichte. Ihr Klang löst sehr viel in mir aus.
Wie bist du an die Auswahl der mit dir auftretenden Musiker herangegangen?
Mit den beiden Mönche, die während des Auftritts im Gagaku Stil gespielt haben, eine sehr eleganten musikalischen Ausdrucksformen, die ihren Ursprung im 7ten Jahrhundert hat und vor allem währen der Heian Periode in königlichen Palast aufgeführt wurde, hatte ich bereits vor einigen Jahren, bei dem vorhin erwähnten Tempelauftritt das Vergnügen zu kooperieren. Sie spielten diesmal das Hichiriki, ein doppelt mit Schilf bedecktes Instrument, sowie die Sho, eine aus 17 Rohren bestehende Mundorgel. Mit dem Musiker, der die Taiko, die große Trommel, spielte, habe ich zum ersten mal zusammengearbeitet. Aber ich habe in der Vergangenheit bereits zweimal Taiko-Tracks remixt, insofern besteht bereits eine Vorgeschichte von mir zu dem Instrument. Mit dem Gentleman, der die Shakuhachi, die Bambus Flöte spielte, musizierte ich bereits auf zwei Stücken meines Albums „Jaku“ zusammen. Er hat mich 2004 auch auf meiner Europatournee begleitet, was sicherlich nicht einfach für ihn war, da er schon damals sehr alt war.
Wie oft und wie lange habt ihr denn geübt?
Dreimal.
Oh, das überrascht mich. Ich hatte mit mehr Proben gerechnet. Bestehen denn Pläne, die Musik aufzunehmen und ein Album herauszubringen?
Ja, jedoch nicht beschränkt auf die traditionellen japanischen Instrumente. Wenn, dann multikultureller. Ich möchte ein Album produzieren, auf dem man seltsame und spezielle Instrumente aus vielen Kulturkreisen hören kann.
Gibt es dafür schon ein grobes Planungsdatum?
Nein. Es ist lediglich eine Idee, die ich aber ernsthaft verfolge.
Ich hake so bestimmt nach, da es schon lange her ist, dass das letzte DJ Krush Album erschienen ist. Zwischen dem 1994 veröffentlichten „Krush“ und „Jaku“ aus dem Jahr 2004 erschienen immerhin acht Alben, nach 2004 kein einziges mehr.
Das Auflegen hält mich am laufen. Aber da mich langsam wirklich jeder danach fragt, denke ich es ist an der Zeit mich ernsthaft hinter das Album zu klemmen.
War für dich als DJ die Umstellung hin zum Bandleader eigentlich eine schwerer Rollenwechsel?
Es ist schon so, dass ich teilweise die Rolle des Bandleaders eingenommen habe, vor allem mit den Gagaku Spielern, da sie, die normalerweise nach sehr strikten Regeln spielen, in diesem Fall sich außerhalb ihrer gewöhnlichen Formen bewegten und deswegen ein bisschen Anleitung brauchten. Generell ist es jedoch so, dass all diese Musiker Meister in ihrem Bereich sind und ihre Instrumente schon so lange spielen, dass ich nun wirklich nicht in der Position bin, ihnen Befehle zu erteilen. Da sie alle aber bescheidene und freundliche Menschen sind, haben sie großzügigerweise immer wieder bei mir nachgefragt, ob alles so in Ordnung ist wie sie es angehen.
Was ist deine erste musikalische Erinnerung an Japan?
Das geht in meine Kindheit zurück. Ich saß damals vor dem Fernseher und habe Shows mit Power Rangers und Godzilla geschaut. Die Musik aus diesen Shows ist mir nachhaltig im Gedächnis geblieben.
Hideaki Ishi, vielen Dank für das Gespräch.