moers festival 2016

Das Genre-Gefängnis verlassen

Von oben links nach unten rechts: Jóhann Jóhannsson in seinem Studio in Reykjavík 2001, die Natur von Island, die seine Musik so intensiv prägt, und Jóhannsson an der Seite von Kristín Björk Kristjánsdóttir, mit der er in den frühen Nullerjahren das Label Kitchen Motors betrieb.
Jóhannsson stellt am 13.Mai gemeinsam mit Hildur Ingveldardóttir Gudnadóttir und Robert Aiki Aubrey Lowe im Rahmen des moers festivals sein Album “End of Summer” vor.


Festivals mit ambitionierten Programm haben es gemeinhin nicht leicht. Man sollte jedoch meinen, dass die Positionierungskämpfe der Vergangenheit angehören, wenn man erst einmal 45 Jahren erfolgreich bewältigt hat. Dass dem leider nicht so ist, zeigte  Anfang März das Drama um die kurzzeitig im Raum stehende Absage des diesjährigen moers festivals. Am Ende ging sich das düstere Szenario dank des Einsatz des ganzen Teams aber nochmals gut aus. 

Kaput sprach mit Programmdirektor Reiner Michalke über die Probleme im Vorfeld, die Tradition des Festivals und die Absenz von Genregrenzen bei der Kuration des Programms. 

Reiner, das Festival wurde ja bereits 1972 gegründet und hatte seitdem eine lange Liste namhafter Musiker zu Gast, die von Cecil Taylor, Anthony Braxton, Archie Shepp, Ensemble of Chicago, Sun Ra und Ornette Coleman bis hin zu Peter Brötzmann reicht.Welche Rolle spielt beim Zusammenstellen des Programms die Historie? Ist sie Druck, Verpflichtung, Inspiration? ….

Ein Festival, das jetzt im 45igsten Jahr existiert, hat natürlich selbst eine lange und stolze Geschichte, die es immer wieder zu reflektieren lohnt. Und wenn man nach vorne will, und das will das moers festival, ist es gut zu wissen, wo man herkommt. In diesem Sinne bemühen wir uns auch immer wieder MusikerInnen der frühen Jahre einzuladen. Natürlich vorausgesetzt, dass das künstlerisch Sinn macht.

Ich habe bei der vorherigen Frage die Aufreiung sehr bewusst mit einem deutschen Musiker enden lassen. Ist das Spannungsfeld aus Internationalen und Nationalen Musikern ein Thema für euch bei der Kuration des Lineups?
Auf jeden Fall. Das Festival wurde schließlich von lokalen Musikern ins Leben gerufen. Es waren die beiden Wuppertaler Peter Kowald und Peter Brötzmann, die 1972 die Idee dazu hatten. Und deshalb hat das moers festival nicht nur die Pflicht, sondern die angenehme Aufgabe auch immer das zu zeigen, was gerade in der Region an aktuellen Entwicklungen passiert. Natürlich auch hier vorausgesetzt, es macht künstlerisch Sinn.

Aus der Kaput Perspektive reizen mich im Lineup besonders Jóhann Jóhannsson, dessen Album “End of Summer” es zuletzt bei uns zur Record-of-the-Week geschafft hat, und Hauschka, beides Musiker, die schon seit Jahren auch in der einschlägigen Musikpresse zwischen Intro und Spex thematisiert werden, wohingegen das sonstige Lineup doch eher nur in Jazz- und Avantgardekreisen reflektiert wird. Ist das nur meine Wahrnehmung oder teilt ihr diese Sicht – und was bedeutet das für die Programmierung eines Festivals wie des euren?
Schade! Ich dachte ihr bei Kaput hättet das selbstgewählte Genre-Gefängnis von Intro und Spex längst verlassen. Aus Musiker- und Kuratorensicht haben diese Genregrenzen längst keine Bedeutung mehr. Und gerade das moers festival hat seit seiner Gründung für sich in Anspruch genommen, immer weit über die Kategorie “Jazz” hinauszugehen und sich bemüht das zu zeigen, was wichtiger ist, als das andere. Dabei hat man in Moers auch traditionellerweise weniger auf die Frisur geachtet. Ich denke, du weißt, was ich meine.
Wir haben in diesem Jahr in Moers MusikerInnen, die ausschließlich improvisieren, wie zum Beispiel Warped Dreamer oder Hauschka, andere verfolgen Konzepte, wie beispielsweise. The Liz oder Jóhann Jóhannsson, und wieder andere spielen ausschließlich auskomponierte Stücke, wie Dawn of Midi oder The Real Me. Das alles gehört zu Moers.

Reiner, ich bedanke mich für das Gespräch – und die Playlist, die ihr für uns zusammengestellt habt.

 

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