„Ich persönlich bin in Berlin aufgewachsen und an der Stadt zerbrochen.“
Dass es wenig Sinn hat, ein Genre/einen Stil generalistisch zu verurteilen beziehungsweise den jeweiligen Aufstieg oder Untergang zu postulieren, sondern dass man immer einzelne Bands betrachten sollte, lässt sich sehr schön am Beispiel Isolation Berlin erklären:
Ja, die „vier Berliner Jungs“ Tobias „Tobi“ Bamborschke (Gesang, Gitarre), Max Bauer (Gitarre), David Specht (Bass) und Simeon Cöster (Schlagzeug) machen Indie-Rock mit stark betonter Gitarre. Und nein, das ist nicht der x-te Aufguss von etwas, das man sowieso nicht wieder hören wollte. Isolation Berlin sind rein formal ein männliches Four-Piece, und klingen doch so anti-machomäßig, anti-rockig, sprich aufregend, als wär’s für alle, HörerInnen und Musiker, das erste Mal – woran liegt das?
Ganz platt gesagt: Isolation Berlin bringen die Leidenschaft zurück in den Indie-Rock – und nicht nur Leidenschaft, sondern auch Wahnsinn, Romantik, Wut, Skepsis, kurzum: Gefühle im Überschwang, Selbstzweifel und -hass, aber auch Größenwahn. All das in superkluge, in-your-face-streetwise Rotzpoesie gepackt, die von Tobi mal sanft geflüstert oder brachial rausgebrüllt wird – wie sollte man davon nicht umgehauen werden? „DIE PANIK BRICHT SICH WIEDER BAHN“, kreischt Tobi mit umkippender Stimme im Song „Wahn“, und ja, man weiß sofort, wie sich das anfühlt. Isolation Berlin pinseln sich den eigenen Bandnamen auf die Jacke, und erfinden Zeilen, die wiederum andere auf Jacken, Wände und Oberkörper schreiben (sollten): „Ich will doch nur gefallen“, heißt es in „Ich wünschte, ich könnte…“ und klar, das ist kokett. Und ehrlich.
Mit Songs wie „Alles Grau“ oder „Aquarium“ zeigten Isolation Berlin schon im letzten Jahr, dass sie mehr als die nächste Band to watch sind. Ende Februar kommen gleich zwei (!) Alben bei Staatsakt raus: „Aus den Wolken tropft die Zeit“ mit komplett neuen Songs, und „Protopop“ mit vergriffenen EPs. Sie verlangen also einiges von ihren Fans – und geben selbst mit vollen Händen alles, was sie haben.
Ihr bringt auf einen Schlag gleich zwei Alben raus: eins mit ganz neuen, eins mit schon bekannten Songs wie „Alles Grau“. Seid ihr gigantomanisch?
Tobias Bamborschke: Haha, nee, wir hatten einfach viel Material. Die alten EPs sind ausverkauft, wir hatten noch Cover, die wir veröffentlichen wollten und genug Songs für ein neues Album. Wir halten nichts davon, Songs zurükzuhalten, weil ständig neue Songs entstehen. Alles alles rausblasen und sich mit Lust in die Arbeit an neuen Songs stürzen. Das war der Plan.
Offensichtlich fällt euch das Songschreiben ja leicht. Trotzdem interessiert es mich, ob ihr Angst habt vor kreativen Blockaden? Was würdet ihr tun, wenn euch kein Song mehr einfielen?
Manchmal kommt der Gedanke: Scheiße, was ist wenn einem plötzlich nichts mehr einfällt? Das einzige was dagegen hilft ist, sich hinsetzen und schreiben. Wichtig ist es, sich nicht unter Druck zu setzen und alles was kommt, zuzulassen, auch wenn es erstmal vielleicht blöd wirkt.
Wenn einem wirklich gar nichts mehr einfallen sollte, covert man Lieder, die man liebt oder fährt weg, bis irgendwas kommt. Oder man schreibt über Angst und Blockade…
Welche eurer eigenen Stücke findet ihr besonders gelungen und warum? Und gibt es welche, mit denen ihr hadert?
Das ist eine schwere Frage. Puh, wir finden alle Stücke unglaublich gelungen, sonst hätten wir sie nicht veröffentlicht.
Favoriten ändern sich ständig, je nach Gemütsstimmung. Es gibt im Nachhinein immer Dinge, bei denen man denkt, das hätte man vielleicht doch anders machen können/sollen. Sind aber meistens Kleinigkeiten, über die wir uns nicht den Kopf zerbrechen.
Erzählt was über Yannick Riemer, von dem das Cover zu „Aus den Wolken tropft die Zeit“ stammt, und mit dem ihr eine gemeinsame Release-Party veranstaltet: Es ist ja nicht allzu häufig, dass MusikerInnen und Bildende KünstlerInnen solch symbiotische Verbindungen eingehen. Wie kam es dazu, wie lange kennt ihr euch?
Unser Bassist David ist mit Yannick Riemer zusammen aufgewachsen. Vor zweieinhalb Jahren ist Yannick nach Berlin gezogen, direkt zu einem Konzert von uns gekommen und seitdem sind wir Freunde. Ein halbes Jahr lang hat er bei Simeon und David gewohnt, seit zwei Jahren wohnt er mit mir zusammen. Yannick fand die Musik direkt gut und hat Bock gehabt, Sachen für unszu gestalten. Wir treffen uns jeden Tag in unserer Küche und reden. Daraus entstehen dann zum Beispiel Videos und Gestaltungen. Grundlage unserer Arbeit ist eine tiefe Freundschaft und Vertrautheit.
Die MusikjournalistInnen verheddern sich in Referenzen-Dropping: Du würdest wie der junge Rio Reiser klingen, aber auch ein bisschen wie Jonathan Richman. Der Bandsound wird wahlweise mit Franz Ferdinand, Ja, Panik, Sonic Youth und Joy Division verglichen; Joy Division sollen wegen des Begriffs Isolation außerdem Namenspaten für euch sein. Nervt euch sowas oder erheitert euch das eher?
Je nachdem. Dieser ewige Rio-Reiser-Vergleich geht mir schon manchmal auf die Nerven. Aber meistens ist das ja positiv gemeint, von daher passt das schon. In der Regel erheitert es uns, uns darüber aufzuregen.
Und wo wir schon bei Referenzgrößen sind: Habt ihr Vorbilder und welche? Als 4-Jungs-Band landet man schnell in rockistischen Schubladen. Stört euch das?
Vorbilder haben wir nicht, Einflüsse sicherlich eine Menge. Jeder hat Einflüsse aus ganz verschiedenen Bereichen, das ist beim Songschreiben immer sehr spannend. Schubladen sind unumgänglich und für die meisten Menschen sehr wichtig. Wir pfeifen drauf.
Wenn man Artikel über euch liest, spürt man einerseits die einhellige Bewunderung für eure Musik und Texte, aber auch eine gewisse Anspruchshaltung, so nach dem Motto, „Isolation Berlin sind DAS neue große Ding und ICH hab’s ja gleich gewusst.“ Lest ihr Artikel über euch und wenn ja, was denkt ihr?
Wir lesen sie und denken uns: Recht haben sie! Hehe, keine Ahnung. Wir freuen uns natürlich, wenn jemand sich positiv über uns äußert. Viel mehr Gedanken machen wir uns darüber aber nicht.
Isolation Berlin sind Anti-Berlin und Pro-Berlin zugleich – so oder ähnlich steht es in der Presse geschrieben. Da ihr ja die Stadt im Namen tragt: Was bedeutet Berlin für euch, die Musik, die Texte?
Es gibt keine Stadt, die uns so sehr geprägt hat. Ich persönlich bin in Berlin aufgewachsen und an der Stadt zerbrochen. Aber dieses Zerbrechen war wichtig für meine persönliche und künstlerische Entwicklung. Die Isolation und Anonymität einer Großstadt wie Berlin kann sehr zermürbend sein, gleichzeitig aber auch berauschend und unglaublich inspirierend.
Ich habe euch im vergangenen November in Christiane Rösingers Flittchenbar im Südblock am Kotti (Thema: Depression)* gesehen, wo ihr gegen Ende eures Auftritts regelrecht explodiert seid – ist das bei euch immer so?
Wie sich ein Konzert entwickelt, ist immer auch sehr davon abhängig, wie die Stimmung im Publikum ist. Diese “Explosion” kann nur stattfinden, wenn das Publikum auch “explodiert”. Im besten Fall entsteht eine emotionale Verbindung mit dem Publikum wie in der Flittchenbar. Das ist immer ein ganz besonderes Gefühl und durchaus nicht selbstverständlich.
*La Rösinger lud die Band unter anderem wegen des Textes von „Alles grau“ ein – wie gemacht für die Flittchenbar zum Thema November-Depression:
„Alles grau, alles grau in grau,
Alles kalt, alles kalt, kalt, kalt.
Asche zu Asche, Staub zu Staub,
Alles Rauch, alles Schall und Rauch – ich hab endlich keine Träume mehr, ich hab endlich keine Hoffnung mehr“
Isolation Berlin auf Tour:
19.02.16 Berlin – Releaseparty @ Feierhalle
30.03.16 Leipzig – Moritzbastei
31.03.16 Rostock – Peter-Weiss-Haus
01.04.16 Hamburg – Molotow
02.04.16 Münster – Gleis 22
03.04.16 Hannover – Faust
04.04.16 Haldern – Haldern Pop Bar
05.04.16 Wiesbaden – Schlachthof
06.04.16 Nürnberg – MUZclub
07.04.16 Coburg – Sonderbar
08.04.16 Karlsruhe – KOHI
09.04.16 Stuttgart – Goldmark’s
10.04.16 München – Feierwerk
11.04.16 Gießen – MuK
12.04.16 Bremen – Lagerhaus
13.04.16 Oldenburg – umBAUbar
14.04.16 Bielefeld – Nr. z. P.
15.04.16 Düsseldorf – Zakk
16.04.16 Essen – Hotel Shanghai
23.04.16 Berlin – Bi Nuu
28.04.16 Dresden – Ostpol
29.04.16 Chemnitz – Nikola Tesla
26.05.16 Flensburg – Kühlhaus
28.05.16 Potsdam – Waschhaus
23.06.16 Aachen – Musikbunker
24.06.16 Saarbrücken – TBA
25.06.16 Reutlingen – Vitamin
wird fortgesetzt
Wichtiger Teil der Releaseparty am 19.02. sind die Arbeiten von Künstler und Covergestalter Yannick Riemer. Es werden Malereien, Collagen und Zeichnungen ausgestellt, die er gleichzeitig und im selben Raum, in dem Isolation Berlin ihr Album aufgenommen haben, entstehen ließ. Die Ausstellung findet am 18. & 19. auch tagsüber statt.