Ein Beitrag von Jörn Elling Wuttke

Bill Callahan “Shepherd In A Sheepskin Vest” / Stoughton Printing Company

Die Herstellung einer Vinylschallplatte ist immer wieder pure Magie.
Vermutlich hat aus diesem Grund Bill Callahans Label Drag City Records, zur Ankündigung seines neuen Albums „Shepherd In A Sheepskin Vest“, einen kleinen Film-Trailer ins Netz gestellt, in dem der Druck des Doppel-LP-Covers in der kalifornischen „Stoughton Printing Company“ gezeigt wird.

Die von Jack Stoughton 1965 am Santa Monica Boulevard in Los Angeles gegründete Druckerei hat sich darauf spezialisiert, feinste Gatefold Cover in Originaldrucktechnik der 1970er Jahre ( „Oldstyle / Handtipped“) herzustellen. Viele legendäre Schallplattenhüllen sind hier entstanden: „Pet Sounds“ von den Beach Boys, „Rumours“ von Fleetwood Mac, „Hotel California“ von den Eagles und die aufwändig gestalteten Schlauchcover von Led Zeppelin.

Ich persönlich war nie ein großer Liebhaber von Doppelalben. Kein einziges dieser oft etwas aufgeblähten Werke zählte bislang zu meinen Klassikern.
Das könnte sich nun ändern, denn Bill Callahan hat eine zauberhafte Sammlung 20
(!) exquisiter Songs veröffentlicht, die gerade wegen ihres Formats sehr gut funktioniert. Die lange Spieldauer dieses perfekt kuratierten Meisterwerks, das nach rund 60 Minuten in einem Drone-Sound endet, erzeugt einen geradezu rauschhaften Sog, dem man sich kaum entziehen kann.

Bill Callahan (Photo by Jörn Elling Wuttke)

Die minimalistische Produktion von Brian Beattie erinnert an die von Bob Johnstone in den 1960er Jahren eingerichteten, frühen Alben von Leonhard Cohen.
Die sonore Stimme ist ganz weit vorne, die Band dezent und geschmackvoll im Hintergrund platziert. Der Standbass tupft manchmal einige Noten wie bei entspannteren Stücken auf „Transformer“ oder „Coney Island Baby“ von Lou Reed.
Bewegt sich Callahans spröder Bariton in höhere Regionen, denkt man manchmal an Nick Drake.

Trotz allem ist „Shepherd In A Sheepskin Vest“ kein Vintage Album. Es hat in seiner Kargheit einen modernen Sound. Hier singt ein Mann, der nach vielen Jahren der Suche angekommen ist. Nach einer rastlosen Zeit als Musiker, permanent auf Tour, nach einigen unglücklichen Beziehungen – zu den früheren Partnerinnen zählen Joanna Newsom, Chan Marshall (Cat Power) und Cynthia Dal – hat Callahan 2014 die Regisseurin Hanly Banks geheiratet. Ein Jahr später bekamen beide einen Sohn. Daraufhin kaufte er sich, nach einer langen Schreibblockade, in seiner Heimat Austin/Texas, ein Haus, um mit der Familie sesshaft zu werden.

Bill Callahan selbst bezeichnet das neue Album als „Real Life Record“, da die Songs nicht mehr wie auf früheren Platten von Träumen handeln, sondern von konkreten Dingen des alltäglichen Lebens. Callahan ist ein großer Fan des Schauspielers Peter Falk. So präzise wie dieser als Schauspieler seine Charaktere zum Leben erweckt, genau so liebevoll beschreibter als Songschreiber die Personen in seinen Songs. Die Sonnendurchfluteten Stücke klingen derart geerdet, als wären sie direkt im Wohnzimmer aufgenommen worden. Ein Song handelt davon, dass seine Frau im Nebenzimmer mit dem kleinen Sohn die Sesamstrasse schaut.

Schien er als Sänger auf früheren Werken oft isoliert zu klingen, ist er nun organisch mit den Instrumenten seiner Bandkollegen verwoben. Großartige Songs hat Callahan schon immer geschrieben, jetzt hat er die Gelassenheit, sie mit anderen Musikern zu teilen.

Nebengeräusche, wie etwa das leise Quietschen eines Stuhls oder das Knarren einer Tür, wurden von den Aufnahmen nicht entfernt. Manchmal verlässt die gesamte Band den Rhythmus und variiert das Tempo. Die Geschichten drehen sich um Geburt, Hochzeit und Tod aber auch um Themen die von anderen Independent Songwritern eher selten angefasst werden: Das alltägliche Glück in der Familie und die friedvolle Ruhe des eigenen Domizils.

In einer Liveversion des Titels „The Ballad Of The Hulk“, in dem es um das zerstörerische Leben des 70er Jahre Regisseurs und „The Incredible Hulk“- Darstellers Bill Bixby geht, erinnert uns Bill Callahan mit seiner grandiosen Band eindringlich daran, dass man noch schnell Karten für seinen vorläufig einzigen Auftritt am 8. Oktober in Berlin besorgen sollte, bevor sie ausverkauft sind…

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