Record of the Week – Saturday Special Edition

I Break Horses „Warnings“

I Break Horses
„Warnings“
(Bella Union/Roughtrade)

Geschichte: Irgendwas stimmt hier nicht. Smogs E.P. „Kicking a Couple Around“ aus dem Jahr 1996 mit dem mich tief erschütternden Song „I Break Horses“, bei dem ich mir seinerzeit immer Bill Callahan vorstellte, wie er, irgendwie tragisch, sein Lieblingspferd durchbrach, war für mich die Speerspitze – um es mal militaristisch-poppig auszudrücken – des souveränen ‚Leise-ist-das-neue-laut‘. Auch wenig verwunderlich, dass sich in Bill Callahan (Smog) und Steve Albini (Big Black, Rapeman, Shellac), der hier engineerte, diese speziellen Kräfte trafen. Callahan fand mit Smog aus der wunderbar-schepperigen Homerecordinghaftigkeit und Albini aus der klirrenden Noise-Kälte heraus und hinein in etwas fast schon wieder bedrohlich Ausgeruhtes, Sonores.

Referenzen: Am Schillernden dieser Erinnerungen setzt das schwedische Duo Maria Lindén und Fredrik Balck aka I Break Horses mit ihrem neuen, dritten Longplayer an. Die gerade daraus erschienene Single „Death Engine“ über die Gefühle der Generation Z und samt fulminantem Musikclip rührt zutiefst und schlingert doch auch fast frech nah an den Transient Waves oder am unvergesslichen Duo Hope Sandoval und Dave Roback (R.I.P.) aka Mazzy Star und diversen Held_innen des heute immer noch aktiven und wichtigen britischen Labels 4AD vorbei.
Vorbei ist nicht der Dream Pop, wie ihn einst eben noch vor Mazzy Star oder deren viel psychedelisch rockigeren, aber nie rockistischen Vorläufer-Band Opal oder noch weiter davor The Velvet Underground dann hauptsächlich Acts wie die Cocteau Twins, Dead Can Dance, Throwing Muses, Xmal Deutschland oder vor allem die irgendwie aus allen bestehende Supergruppe des verträumten New Wave und Post-Synthie Pop, This Mortal Coil, spielten; später dann Mojave 3 (Slowdives Neil Halstead) oder Lisa Germano. Nähe kann eben sehr angenehm sein.

Photo: Fredrik Balck


Zustände: In neue klangliche Kleider und im weiten Sinn songschreiberische Ideen, Texte und Kontexte wurde das Melancholiebedürfnis bei I Break Horses gepackt – und das auch hier wieder ziemlich toll und ‚cinemascopee’.
Lindén hat sich Chris Coady, der auch schon mit Beach House gearbeitet hat, als Engineer dazu geholt und ein Album mit Songs voller Warnungen und Zwischenstücke produziert, das luzide die allgemeinen Verunsicherungen unserer Welten – auch schon deutlich vor Corona – thematisiert. Lindén selbst sagt laut Info der Plattenfirma: „It’s not a political album, though it relates to the alarmist times we live in. Each song is a subtle warning of something not being quite right.”

Visionen: Große Hymnen können bezaubernd (ver-)strahlen und doch auch gleichzeitig im Schatten der grellen Sonne stattfinden. Krasses Gegenlicht, Changieren zwischen klaren Umrissen und unscharfer Grobkörnigkeit, viele ins Gesicht hängende lange Haare sowie das gehauchte Wort „Suicide“ weisen hier kultürlich den erfreulich unlustigen Weg. Schichten von Synthies türmen sich auf, umgeben von manchmal ganz leicht triphoppigen Beats und Loops, Lindéns majestätisch nachschattengewachsener Stimme sowie einem Hauch Lana Del Rey im Positiven („Turn“, „Silence“). Der Soundtrack zum alltäglich imaginierten Abgang. Gestern sah ich eine alte Dame in einem Fernsehbericht zur Auswirkung von Corona auf die Psyche älterer Menschen, die bezaubernd lächelnd in die Kamera sagte, sie habe alles erlebt, keine Angst, sie sei bereit.
Fazit: Schluck. Mir kamen die Tränen. In meinem Hintergrund lief die Musik von I Break Horses. „I feel a shiver“.

Verlagssitz
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop | Aquinostrasse 1 | Zweites Hinterhaus, 50670 Köln | Germany
Team
Herausgeber & Chefredaktion:
Thomas Venker & Linus Volkmann
Autoren, Fotografen, Kontakt
Advertising
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop
marketing@kaput-mag.com
Impressum – Legal Disclosure
Urheberrecht /
Inhaltliche Verantwortung / Rechtswirksamkeit
Kaput Supporter
Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop dankt seinen Supporter_innen!