Thank Me Later w/ Jungstötter
„All I know fades from me now, all I know drips off my body now“. Willkommen in der dunklen Welt von Jungstötter. Die Presse nennt ihn aufgrund eben dieser Düsternis und eines gewissen Hangs zu morbider Romantik gern den deutschen Nick Cave, was jetzt vielleicht nicht so falsch aber mindestens genauso unsinnig ist wie es ein Vergleich mit Justin Bieber wäre, bloß weil beide blond sind.
Möchte man die aktuelle EP „Massifs Of Me“ musikalisch einordnen, kommt sie der dramatischen Kammermusik von Anohni zu Johnsons-Zeiten in Instrumentierung und Vortrag ohnehin deutlich näher. Vor allem aber besitzt Jungstötter die Strahlkraft um solche Vergleiche obsolet werden zu lassen. Dieses Format konnte man schon erahnen, als Fabian Altstötter in blutjungen Jahren noch mit Sizarr unterwegs war; die Metamorphose zu Jungstötter schuf endgültig den passenden Rahmen und das Debüt „Love is“ geriet aus dem Stand zu einem beeindruckend reifen Werk.
Auf dem Weg zu Album Nummer 2 legt er nun einen Zwischenstopp ein und veröffentlicht die 4-Track-EP „Massifs Of Me“. Zwei neue treffen auf zwei alte Songs im neuen Gewand, die ohne den opulenten Studio-Sound nun ihre Essenz offenbaren. Man hat den Eindruck, Altstötter, ohnehin nicht gerade ein Vertreter der luftig-leichten Muse, versinkt hier noch mehr in der Schwermut seiner Songs als üblich. Entstanden zu Hause am neuen Klavier – unglaublicherweise tatsächlich sein erstes – zeigen diese Aufnahmen ihre größte Stärke: Intimität. Sie passt perfekt in diese bizarre Zeit, in der so viele Menschen mit ihren Dämonen zu kämpfen haben. Manch einer hält solch tieftraurige Musik vielleicht für kontraproduktiv, für Gleichgesinnte jedoch liegt ein großer Trost in dieser Melancholie und vor allem in dieser warmen Stimme, die den Hörer umhüllt wie die Umarmung eines guten Freundes.
Auf diesen Beistand dürfen wir uns nun häufiger freuen, denn der frisch gebackene Piano-Besitzer hat Blut geleckt: „Wenn ein Klavier da steht und es so gut klingt, will man natürlich auch spielen und aufnehmen“, erzählt Fabian im Gespräch am Tag vor dem Release und kündigt an, in Zukunft mehr Songs dieser Art zu veröffentlichen: „Am Klavier entsteht das Grundgerüst, das reine Songwriting. Das sind die Songs, wie sie sich für mich anfühlen, bevor sie zu Album-Songs werden. Ich möchte in loser Folge öfter solche EPs herausbringen“.
Mit Produzent Tim Roth (aka Sin Maldita) wird ungeachtet dessen gerade an neuen Songs gefeilt, Album Nummer 2 ist noch für dieses Jahr angekündigt und, soviel sei schon verraten, es wird elektronischer. Schon für Mai und Juni sind zudem auch wieder Konzerte in Vorbereitung. Ob diese Pläne derzeit tatsächlich realistisch sind bleibt natürlich abzuwarten. Andernfalls muss man wohl noch einmal auf die Konserve zurückgreifen und hier empfiehlt sich der Mitschnitt des wirklich wunderbaren Auftritts im Rahmen des letztjährigen c/o pop Festivals aus der Kölner Kulturkirche, der weiterhin abrufbar ist.
Trotz Release- und Produktionsstress war Fabian gern bereit, für uns beziehungsweise euch eine Playlist zu zaubern und hat sich wahrlich nicht lumpen lassen; satte 8,5 Stunden umfasst seine Auswahl, die dem Grundgedanken hinter dem Titel „Thank me later“, der Weitergabe echter Geheimtipps nämlich, wirklich alle Ehre macht: Im besten Sinne Abseitiges von Hareton Salvanini, Hikaru Hayahi, Harold Budd, Sarah Davachi und Virginia Astley, bestens geeignet zum Ein- und Abtauchen in Ruhe und Inspiration oder auch zum Einschlafen – der Song „Massifs Of Me“ handelt immerhin von einem Traum, vielleicht entsteht durch diese Playlist ähnlich Schönes – in diesem Fall bitte umgehend eine Kopie an uns!
Vielen Dank an Fabian für die Mühe und euch nun viel Vergnügen. Oder eben süße Träume.