My Ugly Clementine “Vitamin C” (Ink Music)
My Ugly Clementine
“Vitamin C”
(Ink Music)
Einer der schönsten Hits des belasteten Frühjahrs 2020 stammt von der Wiener Band My Ugly Clementine, heißt “Who” und geht so: „I’ll help you out / I don’t care who you are / I’ll be your guide / I don’t need to know who you are”.
Solche Zeilen sind in schwierigen Zeiten pures Gold wert, verbreiten sie doch Unvoreingenommenheit und Akzeptanz (oder auch: Humanismus aka linksgrünversifftes Gutmenschentum), und das auch noch zum Mitsingen! Wo kommen wir denn da hin? Kann ich euch verraten: mitten hinein ins egalitäre Empowerment-Paradies, wo man sich gegenseitig Clementinen schenkt, siehe Albumcover.
My Ugly Clementine gründeten sich am Valentinstag 2019 (Clementine’s Day sozusagen) und sind eine echte Supergroup: Sängerin und Texterin Sophie Lindinger ist eine Hälfte des Duos Leyya, Gitarristin Mira Lu Kovacs veröffentlicht unter ihrem Alias Schmieds Puls avancierten Singer-/Songwriter-Pop, Nastasja Ronck spielte unter anderem bei The Gap und Lucid Kid, Schlagzeuger:in Kathrin Kolleritsch macht zurzeit mit ihrem queerfeministischen Rap-Soloprojekt KEROSIN95 Furore, das kürzlich für den FM4 Award nominiert war.
MUCs Debütalbum „Vitamin C“ rechtfertigt alle Vorschusslorbeeren, die der Band zuteil wurden – so war zum Beispiel ein Konzert im Wiener Club Rhiz in nullkommanix ausverkauft, obwohl es bis dahin noch keine Musik der Band zu hören gab –, und bestärkt außerdem die Erkenntnis, dass die Zukunft des gitarrenbetonten Indiepop in weiblichen Händen liegt, oder, um es noch konkreter zu machen: im feministischen Ansatz aus Österreich, siehe auch die Kolleginnen von DIVES. Wie diese scheren sich My Ugly Valentine wenig um rockistische Konventionen, packen ihre dezidierte Riot-Grrrl-Attitude in luftigen Indiepop mit Postpunk- und Grunge-Elementen und bringen ganz selbstverständlich auch zwei Balladen unter („Try Me“, „Peptalk“), in denen Power und Tempo etwas gedrosselt werden.
Kolleritsch, Lindinger, Ronck und Kovacs betonen, dass es bei MUC keine Frontperson gibt: die Vocals rotieren, jede Stimme ist gleichberechtigt – diese unprätentiös-demokratische Haltung durchzieht das ganze Album, wobei die Musiker:innen durchaus einige Dinge klarstellen. Zum Beispiel, dass aus gegenseitiger Sympathie noch lange kein Besitzanspruch entsteht („Who“, „Never Be Yours“), oder dass gemeinsame Freunde zu haben nicht gleichzeitig bedeutet, dieselben Ansichten zu teilen („Playground“). Man darf sich My Ugly Clementine aber nicht als todernste Moralistinnen vorstellen: Im „Hairwashsong“ („I don’t care / if you wash your hair / I don’t care / about your dirty shirt”) feiern sie slackermäßige Schluffigkeit, so lange die Haltung stimmt.
Auch wenn Vitamin C nicht gegen Corona hilft – My Ugly Clementines frisch-fruchtiges Empowerment ist gerade jetzt dringend nötig.