Record of the Week

FKA twigs “M3LL155X-EP”

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“M3LL155X-EP”
(Young Turks)

 

Daran, dass Katy Perry, Beyoncé und Lily Allen in Klatschzeitschriften auftauchen, hat man sich gewöhnt – schließlich ist ihre Musik mainstreamig genug, dass man sich Schnittmengen zwischen dem typischen Bunte– und Gala-Lesepublikum (sofern es das gibt) und Chartpop-KonsumentInnen gut vorstellen kann. Wahrscheinlich sind diese Schnittmengen sogar recht groß, und genau so wahrscheinlich taucht Katy Perry neben Helene Fischer auf unzähligen Playlists auf.

Daran, dass FKA twigs in besagten Heftchen zu sehen ist, muss man sich erst noch gewöhnen: Seit Tahliah Barnett alias FKA mit „Twilight“-Star Robert Pattinson liiert ist, hat die MOR-Presse gesteigertes Interesse an ihr und stellt brennende Fragen, beispielsweise ob FKA twigs es denn auch wirklich ernst meine mit dem von den Frauen (= Kristen Stewart) arg enttäuschten Pattinson, oder ob die Avantgarde-R’n’B-Künstlerin mit dieser Liasion ihrer Karriere auf die Sprünge helfen wolle.

Tja, die Bunte glaubt halt nicht an wahre Liebe, und ich glaub’ vorerst nicht an die Schnittmenge von FKA twigs-hörenden Bunte-LeserInnen: mit ihrer neuen EP „M3LL155X“ (Mellissa – twigs’ Name für ihre kreative, feminine Energie) baut twigs keine Brücken über den Mainstream, nach wie vor nicht. Klar, wenn man sich ihre Auftritte anguckt wie unlängst den beim schwedischen Way Out West-Festival, mit supersexy Kostümen und Tänzern und Vogueing-Moves und allem, kann man nicht anders als „wow, wie professionell!“ ausrufen – FKA twigs ist eine hart arbeitende Tänzerin/Performerin, das sieht man ihrem Körper an und ihren kleinsten Bewegungen. Perfekt vorbereitet für die ganz große Show. Ihre Musik hat allerdings wenig gemein mit dem konfektionierten Hochglanz-Breitwand-R’n’B einer Beyoncé, FKA twigs hat kein Interesse an hymnischen Refrains und Koloratur-Gesang. Ihre Version von R’n’B ist zersplittert, gebrochen, verbogen, in sich verdreht, beginnt zart und endet dornig. Die Bässe wummern, doch kein Timbaland-Beat führt uhrwerkartig auf die Tanzböden. Die fünf Tracks auf „M3LL155X“ werden von aufwändigen Videos begleitet, die den Transformationssprozess von Ideen auf intensive und schmerzvolle Weise bebildern – FKA twigs will ein Gesamtkunstwerk schaffen und sein. Man kann Stücke wie „I’m Your Doll“ und „In Time“ zugänglicher finden als das Material der „LP1“ und „EP 1 & 2“, aber nur dann, wenn man diese Veröffentlichungen auch kennt, man mit FKA twigs’ Arbeitsweise sozusagen vertraut ist. Anderen dürfte die fragil verknüpfte Mischung aus HipHop, Soul und Drum’n’Bass surreal vorkommen, geheimnisvoll, kompliziert. twigs’ Gesang ist vielgestaltig, mal hauchend, raunend, ätherisch, dann plötzlich fest und ganz klar – und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wirkt FKA twigs auf mich wie eine Wiedergängerin Kate Bushs mit anderen Mitteln. Bleibt zu hoffen, dass sich twigs wie Bush die künstlerische Kompromisslosigkeit bewahrt – und dass die Produzentin der „Twilight“-Filme Melissa (sic!) Rosenberg heißt, ist Zufall, oder nicht?
Christina Mohr

 

 

 

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