Record of the Week

Robert Görl „The Paris Tapes“

RG_cdWALLET.inddRobert Görl
„The Paris Tapes“
(Grönland Records)

Wer hätte geahnt, dass derart melancholisch aufgeladene Aufnahmen von Robert Görl existieren? Wo doch sowohl sein Katalog mit der Deutsch-Amerikanische Freundschaft (DAF) als auch die bislang von ihm bekannten technoiden Solosachen aus den 90er Jahren von einer kühlen Coolness geprägt waren. Und so sagen die „The Paris Tapes“, entstanden Mitte der 1980er Jahre, viel über die Gefühlswelt von Görl nach der damaligen Trennung von seinem DAF-Partner Gabi Delgado aus.

Die “Part 1” bis “Part 10” durchnummerierten Stücke, entstanden auf einem ESQ-Achtspur-Gerät mit eingebauten Sequenzer und Soundpalette, klingen unmittelbar nach dem Tagebuch eines Menschen, der mit seiner Existenz hadert. Über den gesamten Aufnahmen liegt eine Patina, die von seiner Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit berichtet und zugleich auch von deren Abwesenheit. Das will so gar nicht zu dem bis dato bekannten Soundgestus von Görl passen. Genauso wenig wie der grundsätzlich sehr verspielte Charakter der Stücke (die ein bisschen an 8-Bit-Musik für Computerspiele denken lassen) und der häufige Einsatz von Flächen, einem Stilmittel, das man in dieser süsslichen Aufladung bei DAF nie zu hören bekommen könnte.
Diese Sound gewordene Krise manifestiert, dass es keinen romantischen Hintergrund für die Stadtwahl Paris gibt. Görl ist in der Stadt der Liebe nur gelandet, da ihm in Amerika das notwendige Visa fehlte, um wie geplant Schauspiel zu studieren, und er in Deutschland zur Bundeswehr eingezogen werden sollte. “The Paris Tapes” ist somit das Dokument einer mehrfachen Ablehnung.

Dass die Tapes erst heute erscheinen, ist einem Autounfall von Görl geschuldet, der die Ausarbeitung der Skizzen, als die er die Aufnahmen damals empfunden hat, verhinderte. Er entkam nur knapp dem Tod und konnte lange weder richtig gehen noch Schlagzeug spielen (sein rechter Arm wurde mühevoll mit Implantaten gerettet). Als er endlich wieder fit war, wollte er sich an das Album, diesen Soundtrack zu unschönen Ereignissen nicht erinnern. Er jetzt, mehr als 30 Jahre später, fühlt es sich für Robert Görl richtig an, die Skizzen mit uns zu teilen. Es ist ein wunderbares Geschenk.
Thomas Venker

Die Besprechung ist in leichte modifizierter Form bereits in der April Print-Ausgabe der Kölner Stadtrevue erschienen.

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