Das deutsche Kino ist nun mal das schlechteste der Welt
Fairerweise muss gesagt werden, mit „Victoria“ von Sebastian Schipper läuft aktuell ein nicht nur guter sondern geradezu fantastischer deutscher Film im Kino. Ohne Schnitte gedreht und – Achtung, Kinokritikerdeppenwort – mutig! Doch von dieser Hochstimmung muss sich niemand seine Verachtung für hiesige Filmkunst beschneiden lassen. Schließlich konnte man im Zuge der „Victoria“-Berichterstattung erfahren, wie schwer es Regisseur Schipper mit der Filmförderung bei dem Projekt hatte. Dieser unglaubliche Trip von einem Film galt erstmal als „zu experimentell“.
Jaja, und hier kommt der Trailer von dem, was uns die deutsche Filmindustrie nämlich eigentlich zeigen möchte: „Heil“…
„Es ist bestimmt nicht leicht,
einen Film zu drehen
Doch es ist fast genauso schwer
Sich einen Film
Zu Ende anzusehen
Von einem deutschen Regisseur“
(„Deutsches Kino“, Jens Friebe)
Eine Nazikomödie mit Benno Fürmann, dem Moritz Bleibtreu für den schmaleren Geldbeutel.
Der vom „Heil“-Regisseur (Name nicht nachgeguckt, um ihn zu dissen) angepeilte Humor zeigt sich erprobt an Nichtskönnern wie Detlev Buck – kann aber selbst diese knöchelhöhe Marke nicht erreichen. So sieht man sich eher zurückversetzt in die Zeiten, in denen Öffentlich-Rechtliche Comedian-Clowns wie Dieter Hallervorden oder Otto Waalkes Filme drehen durfte. Und ich meine nicht deren paar gute. Sondern die vielen miesen. Okay, warum sich dieser Film auf einem selbst für deutschen Humor arg deformierten Gag-Level aufhalten darf? Völlig klar, es liegt daran weil die Grundidee so – Achtung, noch ein Kinokritikerdeppenwort – frech ist! Der vom vielen Til-Schweiger-gucken übermütig gewordene Zuschauer darf über Faschos im Osten lachen. Doch damit es nicht zu real wird, muss das Ganze durch beleidigend doofen Slapstick abgemildert werden. Benny Hill war dagegen subtil.
Tabu, Tabu!
Unerträglich ist aber auch dieser eitel tabubrecherische Gestus (Nazikomödie, höhö!), der doch schnell nichts anderes als die Frage aufwirft: Was für ein Tabu denn eigentlich? „Sieg heil“ von comichaften legasthenischen Knallchargen in einem völlig abgesicherten Rahmen blöken zu lassen? Wohl kaum.
„Heil“ geilt sich letztlich bloß an dem ewigen deutschen Fetisch auf. Also Hitler und Nazis. Angenehmer Grusel, der die eigene Identität parallel noch mit Bedeutung auflädt. Und da sich Film und Zuschauer selbst nicht als Teil eines Problems sehen können, spielt das Ganze in einer harmlosen Fantasy-Gegenwelt – nur halt gedreht im tiefsten Osten. Zum Schluss kommt ohnehin alles ins Reine, die Moral steht – und Nazis sehen aus wie schlecht kostümierte Gegenspieler eines „Dick und Doof“-Films. Deutsches Kino, ein Genre ohne echte Menschen, ohne interessante Dialoge, ohne Witz, ohne Erkenntnisinteresse, aber dafür mit Benno Fürmann u.ä.
Ach ja, stilsicher wird natürlich auch der Soundtrack verhunzt, indem die aufgesetzteste Neo-Punkband des Jahres, Adam Angst, ihr letztlich völlig einverstandenes Gekeife über den (noch mal:) frechen Streifen kübeln darf. Eigentlich aber auch schon egal.
„Wenn dir die Mischung aus
Wird dir dann klar
Wenn’s das nicht eh schon war
Dass etwas Wichtiges nicht stimmt
Mit diesem Volk, mit diesem Land
Mit seinem Herz, seinem Verstand
Es ist ja nicht so, dass man bei so etwas gerne Recht behält
Doch das deutsche Kino ist nun mal das schlechteste der Welt“
(„Deutsches Kino“, Jens Friebe)
Nachtrag…
Dieser Rant hier hat ja ganz schön Kreise gezogen. Dann sage ich auch noch mal selbst was dazu: Also, ich hatte ich eine wirklich schlechte Zeit bei und mit „Heil“, infolgedessen habe ich mich entschlossen, die Kaput-Kolumne mit meinem Geschmacksurteil zum Film zu bestreiten. Und das ist kein Gutes. Davon werde ich sicher auch nicht abrücken. Allerdings ging es in der Verkürzung (hier handelt es sich ja nicht um eine episch smarte Filmkritik – wer das will lese Friebe über Andreas Dresen auf Kaput) darum, das Machwerk zu dissen. Dabei bediene ich mich Punkten, die natürlich bewusst überzogen formuliert sind. Da der Text aber doch mehr als die Incrowd der Kaput-Posse erreicht hat, möchte ich klarstellen: Ich glaube nicht wirklich, dass der Regisseur es leicht gehabt hat mit diesem Stoff, ich glaube sogar allgemein, kaum ein Filmemacher abseits von ganz etablierten Zusammenhängen hat es leicht, Kohle für sein Projekt aufzutreiben. Und garantiert ist Brüggemann mit der Idee „Nazi-Komödie“ nicht durch offene Türen gestolpert. Zudem denke ich, es ist durchaus auch ehrenwert, sich an diesem Thema zu versuchen. Insofern steht mir der Stoff natürlich näher als der sonstige Schrott, bei dem man sich ja noch nicht mal gemeint fühlt. Allerdings resultiert gerade daraus meine Enttäuschung über die letztliche Umsetzung. Wenn einem eine Toco-Platte nicht gefällt, ist man doch umso unzufriedener, als wenn man die Diskographie von Florian Silbereisen oder Frida Gold nicht diggt.
Dass ich meine Kritik nun aber bewusst so verdichtet habe, um den Anschein zu erzeugen, ich hielte „Heil“ für schlimmer als Rosamunde Pilcher und den Regisseur für von der Filmförderung geküsst – das scheint mir bei einer größeren Verbreitung des Text‘ bisschen ungerecht. Das tut mir leid.
Ich werde dieses Posting auch dem Webseiten-Text selbst als Apropos beifügen. Und freue mich über die rege Diskussion, die Zustimmung und die Beleidigungen so far.
PS: Noch mal inhaltlich was zum Film… Richtig draußen bin ich mit der Darstellung von Nazis, die nicht rechtschreiben können. Dieses Reizthema ist gerade sehr around, wenn man Seiten wie „Hooligans gegen Satzbau“ oder „rhetorische Perlen von Frei.Wild-Fans“ bzw „… aus Freital“ liest. Und dieser Ansatz besitzt schon seine Berechtigung. Statt dem unsagbaren Schrecken steht man vor der Banalität des Bösen beziehungsweise der Legasthenie des Bösen. Why not? Das ist eine hilfreiche Erkenntnis, die aus Tätern Trottel macht. Doch die damit einhergehende Selbstvergewisserung der eigenen Bildung, die sich konkret erhebt über Leute, die vielleicht weit weniger Privilegien besitzen, ist einfach Klassismus – und für mich Teil des Problems und keine hilfreiche Perspektive – im Gegenteil.
PPS: Ansonsten ist es ganz einfach mit dem Film… Es wird darin viel über Humor transportiert und zu dem gibt es mehr als eine Meinung. Leute, die ich für zurechnungsfähig halte, fanden „Heil“ mitunter gar nicht so schlimm. Im Kino wurde sogar laut gelacht. Daher vertraue jeder seinem eigenen Urteil und nicht meinem, guckt euch das Ding einfach an. „Die Justiz ist auf dem rechten Auge blind!“ und dann hat der eine vom Gericht ein trübes Glasauge rechts sitzen und tadelt den, der den Slogan von sich gab. Klar, das ist fraglos eine Pointe. Zu mir spricht sie nicht. Aber wem sie gefällt, der kriegt hier einiges mehr davon geboten.