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Jede Woche ein Rant. Heute… Jugendliche

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Konkret dreht es sich hierbei um Feelgood-Hass unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns läuft die Nummer allerdings nur einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Heutiges Thema bezieht sich auf eine besonders tödliche Gruppierung: Jugendliche.

Jugendliche, ein langweiliges Thema, da hat ja schon Aristoteles drüber gerantet. (Um mal mit einem uncoolen Lehrerwitz einzusteigen.) Auch wenn über die Jahrtausende schon viel Schlechtes über die Jugend gesagt wurde: Man kann sie auch heute noch scheiße finden – und zwar zu Recht. Jugendliche sind im Jahr 2019 so nervig wie eh und je. Ich durfte jüngst ein Wochenende mit 70 von ihnen verbringen und habe dabei festgestellt, dass ich mich zwar nicht über die gleichen Verhaltensweisen aufrege wie meine Mutter damals bei mir (Alkohol, Spaghettiträger und mein Emo Boyfriend Vincent), aber dass Teenies immer noch genauso viel Stoff für Ärger liefern wie ich damals.
Dass Markenklamotten wieder das Statussymbol Nr. 1 geworden sind, kann ich leider nicht kritisieren, weil in meinen linken Strukturen auch alle Fred Perry und Ellesse tragen und ich’s ja irgendwie auch toll finde. Wenn 14-jährige in Outfits zur Schule gehen, die ich eher ins Berghain anziehen würde, voll geil, sollen sie machen, und sie sollen auch am Handy hängen und Anglizismen verwenden dürfen ohne Ende. Finde ich super. Finde ich ehrlich gesagt sogar ziemlich nice. Dazu sind alle auch noch total#woke, wachsen mit feministischen tumblr-Blogs auf und erreichen krasse Meta-Ebenen mit Memes.
Es könnte also alles so schön sein, wenn Jugendliche nicht immer noch so unendliche Knechte wären, wie schon vor 15 Jahren. Wenn man sich das Balzverhalten von Teenies anschaut, sieht man, dass sich absolut nichts geändert hat. Peinliches Suchen nach Körperkontakt gipfelt immer noch in patriarchalen Rollenspielen. Heraus kommen die Teenager-Panini-Sammelbildchen »Junge schmeißt Mädchen ins Wasser«, »Händchen halten weil *sie* kalte Hände hat« oder »Auf der Parkbank gefingert, weil man denkt, es ist LiebeTM«
Man fragt sich, wofür ist das Internet eigentlich gut, wenn Jugendliche heute immer noch sagen »Französisch ist eine schwule Sprache«, und alle lachen? Keine andere Spezies auf dieser Welt braucht so lächerlich lange, um sinnloses Gekreische und dabei auch noch total unförmig aussehen zu überwinden. Wieso jugendliche Schönheit als Ideal gilt, wenn Akne, zu lange Extremitäten und hormongeschwängerter Schweißgeruch (name a more iconic trio) eigentlich prägend sind in dieser Zeit – niemand weiß es. Dazu kommen die komischen sexuellen Entgleisungen, in die einen die Pubertät treibt. (Heimlich in der Schule masturbieren, man kennt’s.)
Wenn Jugendliche es dann mal schaffen, sich unabhängig von Selbstdarstellungsposts auf Social Media politisch zu engagieren (»ich kann nicht glauben, dass leute trump wählen, so DUMM einfach, die welt ist so unfair einfach ich KANNS nicht verstehen leute, es gibt keinen Planet B!!!«), wird auch noch so getan, als hätte noch nie jemand für irgendwas protestiert. Aktionen für ein strengeres Waffengesetz? Future Leaders! Etwas Besseres, als die Jugendlichen in das aktuelle Leistungssystem einzuordnen, fällt nämlich niemandem ein. Vor allem nicht den Jugendlichen, die ja auch mal sagen könnten, dass sie kein Bock haben, die Leaders von morgen zu sein. Kapitalismus? Find ich super. Mannschaften wählen im Sport Unterricht, bei denen immer die gleichen Leute übrig bleiben? Auch.
Während wir heute die definitiv vorhandene Nazivergangenheit unserer Großeltern unter den familiären Esstisch kehren, fragen sich Jugendliche wahrscheinlich, welche komische Vergangenheit in der 68er Bewegung ihr Opa wohl hatte. Holocaust? Kenn ich niemanden von. Ich werfe Jugendlichen hiermit also vor, dass sie zu spät geboren sind, obwohl sie da nun wirklich nichts für können, aber seien wir ehrlich: Es nervt.
Jugendliche checken Geld, Arbeit und Klassenkampf nicht und wollen es auch gar nicht, weil man ja auch stattdessen versuchen kann, mit dem schönen Noah aus der Parallelklasse zu knutschen. Und bis das irgendwann klappt, drei Stunden nebeneinander im Kino zu sitzen und dabei millimeterweise die Hände immer weiter aufeinander zuzuschieben, bis sie sich berühren. Jugendliche wissen nicht, wie man Fenster putzt, ein Seriendruckfeld in Word einfügt oder wie man illegal Musik runterläd. Dabei blöken sie die ganze Zeit, wie erwachsen sie schon sind und wie viel Mitsprache sie eigentlich verdient hätten.

JT1R fordert: Wahlrecht ab 39! Abisternchenthema »Feuchtgebiete«! JT1R for future leaders!

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