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Jede Woche ein Rant. Heute… Rassismus vs. Sexismus

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Konkret dreht es sich hierbei um Feelgood-Hass unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns läuft die Nummer allerdings nur einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Heutiges Thema: Rassismus vs. Sexismus.

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Als ich neulich bei meinen Eltern einen Blick in die Regionalzeitung warf, war ich mal wieder unterwältigt. Nicht nur von den abgebildeten Geigenschülern, mit deren Geschwistern ich zur Schule gegangen war und die unangenehme Erinnerungen an Opportunismus und Aufmerksamkeitsgeilheit bei relativer Blödheit hochkommen ließen, sondern auch von einem Artikel, der von einem Vorfall berichtete, wie er wohl leider kein Einzelfall ist und die Grundhaltung vieler Bauchlinker widerspiegelt:
Ein syrischer Refugee hatte auf einem Weinfest ein Mädchen sexuell belästigt und bedrängt. Aus dem Bericht geht eindeutig hervor, dass es sich nicht um einen „missglückten Flirtversuch“ oder eine “Lappalie” handelte – manchmal wird man halt einfach so Fotze genannt – sondern das Mädchen “gepackt” und von dem Mann “an sich herangezogen” wurde, obwohl sie sich wehrte.
Auszug aus dem Bericht:

„Die 24-Jährige [eine Freundin der Belästigten], sei teilweise resolut dazwischengegangen, habe Polizisten zu Hilfe gerufen, die in der Nähe im Einsatz waren, berichteten die Frauen weiter. Doch selbst da habe der Syrer nicht von der 19-Jährigen abgelassen. Er behauptete immer wieder, sie sei seine Freundin, er wolle mit ihr tanzen. Schließlich ging die Polizei dazwischen und nahm den jungen Mann mit […].” 

Mein mildes what the fuck: Vor Gericht zeigte sich der Mann uneinsichtig und behauptete, die 19-Jährige müsse sich bei IHM entschuldigen. Das größere what the fuck: Tatsächlich wollte die zuständige Oberamtsanwältin das Verfahren gegen Arbeitsauflage einstellen, denn der Mann „käme aus einem anderen Kulturkreis“. Dies gelang ihr zum Glück nicht, da die Richterin damit nicht einverstanden war (lol und props an die Richterin). Daraufhin forderte die Anwältin nur eine sehr geringe Geldstrafe, über die die Richterin sogar in ihrem Urteil hinausging.

Was wir hier sehen, ist leider typisch für ein bestimmtes linkes Milieu: Statt Rassismus UND Sexismus klar zu benennen, wird einem mulmig und man kehrt lieber Sexismus und Belästigung unter den Teppich, statt sich dem selbst empfundenen Risiko, Rassistin genannt zu werden, auszusetzen (schließlich weiß man nicht genau, welche Kriterien dafür nun angelegt werden). Statt sich klar zu positionieren und die Dinge differenziert auseinanderzunehmen, werden zwei Missstände gegeneinander ausgespielt, man „toleriert“ sexistisches Verhalten und rechtfertigt sich mit Kulturrelativismus. Ganz schön dumm.

Natürlich haben es Refugees in Deutschland schwerer als Bio-Deutsche, das muss geändert werden (no countries, no borders und eine befreite Gesellschaft please), aber aus Mitleid oder was auch immer den „anderen Kulturkreis“ rauszuholen, der dann als Entschuldigung für sexistisches Drecksverhalten hinhalten darf, ist einfach die absolute Milchmädchenrechnung und ziemliche Sauerei. Fährt man diese Argumentationslinie weiter, schwächt man nicht nur die Stellung der Frauen in Deutschland/Europa, sondern rechtfertigt damit auch indirekt die patriarchalen frauenverachtenden Verhältnisse anderen Ländern. Im Iran bekommen Frauen, die sich nicht verschleiern, Peitschenhiebe? Tja, das ist halt so, ist ja deren „Kultur“. Da kann man denen da keinen Vorwurf machen. In Afrika werden Frauen genitalverstümmelt ? Total schützenswerte Kultur. Dass das Gerede von Kultur oft nur ein billiger, aber leider gut funktionierender Move ist, um konkrete politische Machtverhältnisse zu verschleiern, sieht man z.B. daran, dass die vermeintlich monolithische „Kultur“ ihre Form sehr abhängig von den jeweiligen Regimes annimmt und damit biegsamer ist als man so denkt: Iran vor 1979 war etwas ganz anderes als heute und wie schnell sich ein halbwegs fortschrittlich geglaubtes Land wieder in eine Diktatur mit willkürlich eingeschränkten Rechten verwandeln kann, lässt sich derzeit live an der Türkei beobachten.

Wie sagt man: Der Gradmesser für die Freiheit einer Gesellschaft (unter den gegebenen kapitalistischen, nationalstaatlichen Bedingungen wohlgemerkt) ist die Freiheit der Frauen.
Übrigens ist die Annahme, jemand aus dem Nahen Osten oder anderen extrem patriarchal regierten Gegenden der Welt KÖNNE den einfachen Grundsatz, dass Frauen freie Menschen sind (oder zumindest sein sollten), nichtmal im Ansatz verstehen, nichts anderes als rassistisch.

So schwer kann das doch nicht sein: Bleiberecht für ALLE. Sexismustoleranz für NIEMANDEN. Gleiches Strafrecht für ALLE.
(Und Kommunismus auch)

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