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Jede Woche ein Rant. Heute… Übergriffig? Wetter ist schuld!

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Konkret dreht es sich hierbei um Feelgood-Hass unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns läuft die Nummer allerdings nur einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Das heutige Thema greift dem Jahreszeitenlauf dabei voraus: “Übergriffig? Wetter ist schuld!”

Man kennt’s – bzw. die Hälfte der Menschheit „leider“ nicht: Sobald man wieder mit Recht von sommerlichen Temperaturen sprechen kann, werden einige patriarchale Abgründe erst richtig sichtbar.
Vor meiner Haustür etwa kann man dann einen auf einer Bank sitzenden „älteren Herren“ antreffen, dersich seinen Rentenalltag dadurch versüßt, jedem „jungen Mädchen“ so originelle Sprüche wie „Mamma mia! Bella, bella!“ über einige Meter Entfernung zuzurufen. Ach wie nett, dieser Signore, mag sich so manche italophile Seele denken – bis man bei ihm stehenbleibt, um ihn zurückzugrüßen und er sogleich vorschlägt, man könne doch mit ihm in seine Wohnung gehen, um ein paar unanständige Dinge zu tun. No thx, du Ekel-Greis.

Es ist erstaunlich, wie viele unterschiedliche Geräusche und Lippenleckbewegungen das männliche Mundwerk, das sich dazu ganz selbstverständlich berufen fühlt, produzieren kann – von ganz unverblümt schmierigen Sprüchen mal abgesehen. Dazu Augen groß wie Teller – ebenfalls überraschend, wenn man bedenkt, dass mittlerweile nahezu jeder Knecht über eine stabile Internetverbindung verfügt und sich mindestens so viele Pornos reinziehen kann, wie zwischen Feierabend und Nachtruhe passen (und ggf. noch der Ehefrau verheimlicht werden müssen). Da müssten doch ein paar nackte Waden bei Sommeranfang nicht mehr so unglaubliche Wallungen auslösen?
Diese Lellecks stehen jedoch unheimlich auf das Durchbrechen der vierten Wand.
Verständlich wird das mit der Einsicht, dass Lust und Macht in unserer aller Sozialisation Hand in Hand gehen. Es ist eben nicht nur unvermittelte ungezügelte Geilheit, die da aus ihren geifernden Mündern tropft, sondern auch die ganz selbstverständliche Rückversicherung und Bekräftigung männlicher Dominanz. Ich bin auch heute, 2019, immer noch Boss, sagen sie, und du das Objekt. Pornos, von denen der Großteil genau dieses Machtverhältnis auf verschiedene Weise abbildet, verstärken das Problem nur.

Leider können manche Männer je nach Situation wirklich gefährlich werden. Doch in den meisten Situationen (tagsüber, an belebteren Orten) kann und sollte ordentlich zurückgeschossen werden. JT1R fordert: Keine Gnade mehr mit diesen Kunden! Statt Scham müssen uns Wut oder Verachtung steuern. Oder wollen wir den Rest unseres Lebens in diesen ominösen Safe Spaces, die ja angeblich so zahlreich in Großstädten existieren, verbringen? Ich nicht.

Also: Starrt zurück, bis ihnen die Pupillen brechen. Fragt sie herausfordernd: „Na, Sie auch hier?“, wenn diese Witzfiguren glauben, sie hätten euch durch ihre lüsternen Blicke im Griff. Holt euer Handy raus und fragt, ob ihr mal kurz ein Foto machen könnt, denn das Gegenüber erinnert euch an jemanden (nämlich den letzten Ekelhansi, dem ihr begegnet seid). Mustert sie mit interessiertem, aber abfälligen Blick ganz langsam von oben bis unten. Zeigt sie an, wenn sie verbal belästigen oder grabschen. Wenn sie euch verfolgen, verfolgt sie. Wenn sich in einer vollen U-Bahn jemand absichtlich subtil an euch reibt, gebt ihm einen ordentlichen Klaps auf den hässlichen Arsch und kneift ihm in die Wange. Wer nichts anderes vorhat, kann natürlich auch richtig zuschlagen.

Die Hauptsache ist natürlich, die Ohnmacht zu brechen, egal wie. Ablehnung oder Beschimpfung kann für viele Typen — gerade in Gesellschaft – sehr unangenehm sein; andere sind das jedoch möglicherweise schon gewohnt und geilen sich nicht selten auch noch daran auf. Unerwartet ist, wenn sich das Objekt sich in ein Subjekt verwandelt und sie selbst objektifiziert werden. Huch, ICH??! Ja, du. Du stinkendes Stück gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang, dich meine ich. Your time is up.

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