10 Thesen über die Band Heavy Metal

Googlen Sie doch mal ‘Heavy Metal Band Interview’

Heavy Metal machen Punk. Man findet die Band nur auf der mega Underground-Plattform Bandcamp und im Facebook-Stream von altgewordenen Punk-Papis, die seltenes Vinyl abfeiern wie die Jugend in Berlin Bauchtaschen mit MDMA. 2017 hat sie mit “LP II” und LP “III” gleich zwei Platten rausgebracht. Promotion gab es so gut wie keine. Dennoch waren die Pressungen schnell vergriffen. Über Ursprung, Mitglieder und Geschichte weiß man nur, dass man nichts weiß, außer dass die Gruppe aus Berlin kommt. Was macht diese Band aus, die sich auf dem Sleeve ihres letzten Longplayers als „The Nietzschean Supermen of Dustbin Rock“ bezeichnet, alles in den Dreck zieht und „Stumpf“ übers Steißbein tätowiert hat? Michael Morgenbesser nähert sich dem Phänomen und schlägt zehn Thesen an die digitale Tür des Gotteshauses.

These I
In Sachen Abgeschmacktheit und Stumpfheit kaum zu übertreffende Songs wie „Heavy Metal for Sexpeople“, „Dingo ate your Baby“ oder „See you through your window tonight“ sind die einzig logische Konsequenz auf das von weißen Männern in Machtpositionen salonfähig gemachte, öffentliche Frohlocken der von C.G. Jung als „Schatten“ bezeichneten dunklen Seiten ihrer eigenen Persönlichkeit. Die einen hinterziehen Steuern im Milliardenbereich um noch reicher zu werden, die anderen prahlen damit, dass man Frauen einfach „bei der Pussy grabben“ kann. Wieder andere legitimieren sich vor aller Augen selbst als quasi-Diktator, lassen reihenweise kritische Journalisten einsperren und machen sukzessive den Weg zum totalitären Staat frei. Konsequenzen gibt es so gut wie keine, weil Kohle und ergo Macht im Übermaß vorhanden sind – oder vice versa. Was als abnormal gilt, wird normalisiert. Die Normalisierung wird über den konstanten medialen Skandal und das beständige Davonkommen intensiviert. Die Schatten, deren Verhalten „nicht den expliziten Werten des sozialen Umfelds“ entsprechen (C.G. Jung), treten aus der Dunkelheit ins mediale Licht. Und fühlen sich dort wohl. Genau dann braucht es ein paar Songs, die diesen Männern das Zepter der Stumpfheit aus der Hand reißen und krawallen: Wir können noch stupider. Wir können noch abnormaler. Wir können noch absurder. Irgendwie muss man ja noch schockieren als Punkband.

These II
Die Tierchen auf den Sleeves der drei Platten von Heavy Metal sind eine Appropriation des Begriffs der „Animalisierung der Kunst“ von Franz Marc. Die kreatürliche Unschuld der Tiere soll dabei die Bestialisierung des Mesnchen und seine zunehmende Disharmonie zur Umwelt unterstreichen. Außerdem sind die Tiere voll lieb.

These III
Heavy Metal haben ihre Lo-Fi Riffs, die Tonlage ihrer Krakeelerei, die vereinzelten Synthies, die minimalistischen Drums und die Produktions(un)qualität ihrer Songs mit solch einem Feingefühl gewählt, dass sie bei Hörern der betagten, snobistischen Punk-Fraktion zu einem orgiastischen Referenzen-Circle Jerk führt. Ekstatisch schwitzend und sich gegenseitig übertreffen wollend schießt uns die Riege jener sodann Namen wie Flying Nun, The Fall, Pisse, Nikki Sudden, Weirdos, Urinals, Sleaford Mods, Wire, ATV und viele mehr um die Ohren. Ach wie schön, dass niemand von ihnen weiß, dass dieser geniale Schachzug nur zur völligen Implosion der Verweise-Wichserei führen soll. Wir vermuten, dass dem Pulk das Stück „Do you remember the memories“ gewidmet ist.

These IV
Die Verwendung von Film-Schnipseln als Samples ist Heavy Metals versteckter Versuch der neuerlichen und diesmal unpeinlichen Annäherung von Rap an Punk fernab solch trauriger Kapitel der Musikgeschichte wie Limp Bizkit oder der Bloodhound Gang. In diesem Sinne wird bei „Winds of Tomorrow“ von LP II auch phantasmagorisch gespuckrappt. Das auf LP III verewigte Cameo-Cover „Wort ab“ ist etwas weniger subtil.

These V
Heavy Metal haben es sich zum Ziel gesetzt, die unvollendete Theorie Sigmund Freuds zu komplettieren. Angesichts der verrohenden Devolution der Menschen bedarf es der Addition des „Unter-Ichs“ zur von Freud entwickelten Struktur der Psyche des Menschen, die bisher aus dem Ich, dem Es und dem Über-Ich bestanden hat. Das „Unter-Ich“ konstituiert sich nach Heavy Metal aus dem Überhandnehmen des Es – der pervertierten Triebe des Menschen – das unter dem Banner alternativer Fakten dazu führt, dass sich die rationale Kontrolle des Ichs ins Irrationale verkehrt. Unvernünftiges Denken, unkritisches Handeln und lästerliche Wertvorstellungen führen dazu, dass soziale Konflikte nur noch dekonstruktiv gelöst werden. Damit erklärt sich auch, warum Kommentare unter Spiegel Online Posts in kürzester Zeit in wüste Beschimpfungen ausarten. Danke für die Erklärung, Heavy Metal!

These VI
Das offensichtlich aus den Untiefen der englischen Sprache geflüchtete, auf deutsch einkrakeelte Stück „Explosionsgefahr“ der “LP III” beschreibt einen Gedankenausflug in die Rückappropriation des muttersprachlichen Gesangs der deutschen Wohlfühl-Indie-Kacke von nicht-deutscher Auflehnungsmusik. Der Song ist eine versteckte Kritik an der Verweichlichung der Gitarrenmusik der Bundesrepublik, die von der Hamburger Schule ausging und mit Annenmaykantereit ihren Kuschel-Höhepunkt erreicht hat. „Genug!“ grölen Heavy Metal mit englischem Akzent. Und fordern die Ungemütlichkeit der Kartoffelmusik zurück.

These VII
Der Bonus-Track „Do you think I’m sexy?“ der “LP II” mit dem tollen Untertitel „Smash Criticism Smash Optimism Smash Arachnophobia“ ist die moderne Version der Dylanschen Frage „How many roads must a man walk down, before you can call him a man?“.

These VIII
Eine Liste von zehn Punkten pflichtgetreu abzuarbeiten würde Heavy Metal auf jeden Fall ablehnen.

These IX
Die Wahl des Bandnamens ist ein Genie-Streich im Widerstandskampf gegen die Datenkraken der digitalen Meinungsmache-Monopole. Denn alles, was über diese Band je im Netz geschrieben wird stehen, wird in ebendiesem unsichtbar bleiben. Glauben Sie nicht? Googlen Sie doch mal „Heavy Metal Band Interview“. Na also.

These X
Jegliche erklärende Thesen über Heavy Metal sind hinfällig, da sich die Band im nebulösen Bereich zwischen Intelligenz, Ironie und Idiotie befindet, der Erklärungen generell ablehnt und idiotische Möchtegern-Intellektuelle, die in ironischem Ton mit Fremdwörtern um sich werfen, sowieso.

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