Marcus Schmickler erinnert seinen Freund, den Musiker und Editions Mego Labelbetreiber Peter Rehberg

Twisted Audio: Peter Rehberg, 29. Juni 1968 – 22. Juli 2021

Peter Rehberg


Das erste mal erlebte ich Peter Rehberg alias Pita in Köln circa 1995 auf einer “Cosmic Orgasm-Mego”-Nacht im Rhenania. Was hier im Laufe des Abends als immer offensichtlicher werdendes Booking-Missverständnis einer vermeintlichen Rave-Nacht geschah, hatte für mich allergrößten Unterhaltungswert. Techno (oder IDM, nur den Begriff gab es noch nicht) war hier kaltschnäuzig, rotzfrech und experimentell und konnte, wie bei General Magic und Pita, nur aus Kühlschranksounds bestehen. Genau genommen war es nicht klar, ob das überhaupt Techno ist oder etwas anderes – und das, was Autechre-Freund und -Kollaborateur Russell Haswell später am selben Abend unter gleichzeitiger Verzweiflung der Hosts als Hard-Disk Jockey abzog, war genre-verleugnend, wild und befreiend: INA-GRM und Bernard Parmegiani meets Masami Akita, Black Metal, und Underground Resistance. Aber es war technisch und modern und total nach vorne. DAS war Techno war für mich. 


Peter und ich lernten uns 1998 bei einer a-Musik Nacht im Kölner Gebäude 9 kennen. Ich hatte gerade ein Konzert gespielt, war noch etwas von der Rolle und er war Backstage und begeistert und enthusiastisch. Er wusste das Erlebte sofort einzuordnen und brauchte dafür nicht viele Worte. Aber umso mehr konnte er andere davon überzeugen und ließ dabei nicht locker. Er war ein Typ, den man nicht vergisst, wenn man ihn trifft, denn er hatte eine Message: seine Vorstellung von Sound. Seine beharrliche Art konnte einem auf die Nerven gehen, oder man konnte seinen trockenen Humor lieben, aber man wusste in jedem Fall, mit wem man es zu tun hatte, denn sein Enthusiasmus war ansteckend.

Peter Rehberg & Friends in Japan (Photo: Shun Okada)

1999 lud ich ihn nach Köln ein und wir spielten das erste gemeinsame Konzert in der U-Bahn Haltestelle Dom/HBF in Köln und wurden beide Mitglied einer Gruppe namens MIMEO, einer aus ganz Europa zusammengewürfelte 10-köpfige Band mit Fennesz, Kaffe Mathews, Keith Rowe, Jérôme Noetinger und anderen, mit der wir in den 00er Jahren regelmäßig auftraten.
2000 tourten wir mit Fennesz und Kevin Drumm zwei Wochen durch die USA, wurden an der kanadischen Grenze festgenommen und wieder freigelassen. Während meine Erinnerungen hier zum Teil im Ungefähren bleiben, hatte Peter diese Ereignisse alle genau im Kopf sortiert. Er liebte Ordnungssysteme und Codes. Er sammelte unter anderem Landkarten, an jeder Tankstelle auf unserer Tour kaufte er neue. Aber er kaufte auch ständig Platten, die er schon hatte, weil die nochmal mit neuen Details auf dem Cover erschienen waren und erfreute sich an dieser Beute. Mir ging das oft zu weit, aber man konnte mit ihm Spaß daran haben. So liebten wir es, bei indischem Curry über Kraftwerk und Politik zu spekulieren oder über seine nächsten Releases. Seine Einsichten waren dabei immer entwaffnend: “Es bringt nichts zu sagen früher war alles besser oder die heutige Jugend kennt ja überhaupt nichts. Das ist ja gerade das Interessante, es wäre ja langweilig wenn alle alles kennen würden.”

Wir waren gleich alt und auch daher war er etwas wie ein Bruder für mich – man konnte ihn lieben und gleichzeitig für seine Art hassen, aber ich war immer stolz auf ihn. Er war bewusst ein professioneller nicht-Musiker und alles Muckertum war ihm im Grunde genommen zuwider. Genauso wie die “composerly people”, zu denen er mich auch manchmal zählte und wo er gern, kaum merklich, die Augen rollte. Unsere Arbeit im Studio, zum Beispiel an R/S “One (Snow Mud Rain)“ (erschienen 2007 auf Erstwhile Records) oder auch mit KTL war außergewöhnlich: Ein Track sollte im besten Fall vormittags fertig eingespielt sein, denn er wollte ja rechtzeitig zum ausschweifenden Lunch; nachmittags dann nochmal zwei Stunden Mischen. In zwei, drei Tagen war ein Album im Prinzip fertig. “Done, shall we go for lunch, then?” 
Sein Studio nannte er “twisted hard disc”, der Begriff “twisted” war für ihn eine Auszeichnung im Bereich Sound, genau wie “wicked”.

Cafe Oto, London, 20212 (Photo: Scott McMillan)

Ein besonderes Highlight war unser Konzert bei einer PAN Label-Nacht im Cafe Oto in London 2012, bei dem alle besonders viel Spaß hatten, und die gegrölten Kommentare (“more, more, louder, louder” etc.) aus dem Publikum gut auf der Aufnahme zu hören sind.
Zu den vielen MusikerInnen, die er unterstützte, war er unglaublich loyal. Bei jedem Release ging es immer nur darum, die Idee der KünstlerIn umzusetzen, keine Idee war zu abwegig, keine Kompromisse wurden gemacht. Wie alles von Factory Records, liebte er ja auch New Order’s “Blue Monday” mit dem von Peter Saville gestalteten, super aufwendigen Floppy-Disc 12” Cover, bei dem Factory Records angeblich bei jedem verkauften Exemplar 50 Pence draufzahlten. Aber den Erfolg seines Labels verdanken wir auch einem unglaublichen geschäftlichen Instinkt: Unser Konzert auf dem No-Fun-Fest in Brooklyn 2008 dauerte nur 13 Minuten, aber er signte am gleichen Abend noch The Emeralds und Oneohtrix Point Never. Er war schnell.

Ich hatte Glück, Peter Rehberg gekannt und mit ihm gearbeitet zu haben – und sein Freund gewesen zu sein. Ich habe ihm unglaublich viel zu verdanken, er hat nicht nur mir vieles ermöglicht.

Was er mit Editions Mego Label und den Sublabels erreicht hat, werde ich hier nicht versuchen zu beschreiben, diese Mischung aus Konstanz und Veränderung über 25 Jahre auf hohem qualitativen und quantitativen Output, sucht seinesgleichen. Er mochte keinen Pathos, keine schwülstigen Gesten. Er mochte es kurz und knackig, auf den Punkt, so ist jetzt sein Abschied: over and out. Peter wird eine große Lücke hinterlassen.
Freund, ich werde Dich mein Leben lang vermissen, mach`s gut!

Peter Rehberg & Marcus Schmickler, Paris, Densités

 

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