André Aciman: “Ich glaube an Fluidität, in jeder Hinsicht: Religion, Nationalität, sexuelle Orientierung.”
„Call Me By Your Name“ ist ein popkulturelles Schwergewicht, gerade weil es so leicht ist: La dolce Vita, Mitte der 1980er, irgendwo in Norditalien. Zwei Männer, die sich lieben, Elio 17, und Oliver, 24. Der Film, nach wie vor ein Publikumsfavorit im Freilichtkino, wurde zum instant classic im queer cinema – und prompt für vier Oscars nominiert, darunter auch für Sufjan Stevens‘ Song „Mystery of Love“.
R&B-Gott Frank Oceans zählt zu den Fans. Massenweise Menschen essen nun mehr Pfirsiche oder lassen sie sich tätowieren. Ganz neue popkulturelle Codes. Youtube-Popstar Troye Sivan hat bekundet, er hätte die Rolle des Elio am liebsten selbst gespielt, auch wenn Timothée Chalamet das freilich schon super erledigt habe – immerhin war er für die Rolle der jüngste Schauspieler, der jemals als bester Hauptdarsteller bei den Oscars nominiert war. Demnächst wird er übrigens Bob Dylan spielen. Jedenfalls war „Call Me By Your Name“ ein Wendepunkt auf dem queeren Buch- und Filmmarkt: Plötzlich wird durch den enormen Erfolg vieles möglich, was sich die Verlage und Studios zuvor nicht getraut haben. Anlässlich der Buch-Fortsetzung „Find Me“, die gerade auf deutsch erschien, haben wir mit dem Autor André Aciman gesprochen, dem Erfinder der beiden wohl bekanntesten fiktiven bisexuellen Charaktere der Gegenwart.
Interview: Stefan Hochgesand
Herr Aciman, wann war Ihnen klar, dass die Verfilmung Ihres Buches der große queere Film der Dekade werden würde?
Als der Film auf dem Sundance Festival gezeigt wurde, bekam ich eine Einladung. Ich wollte nicht zum Sundance, es war kalt und die Hotels waren ausgebucht. Ich hab abgesagt, da ich dachte: Das ist ja bloß ein kleiner Film, er kommt eh bald auf DVD, und dann ist gut. Als dann die Premiere war, bekam ich eine Million Nachrichten. Luca, der Regisseur, schrieb: „Krass, die Leute applaudieren seit 20 Minuten!“ Da war auch mir klar, dass ich hätte hingehen sollen. Also kam ich zur Europa-Premiere auf der Berlinale, ein paar Wochen später.
Was oft übersehen wird an Ihrem Buch „Call Me By Your Name“ und an der Verfilmung: Elio und Oliver scheinen eher bisexuell als wirklich schwul zu sein. Jedenfalls schlafen beide auch mit Frauen.
Ich glaube an Fluidität, in jeder Hinsicht: Religion, Nationalität, sexuelle Orientierung. Ich glaube, wir sind fluide, mit unterschiedlichen Identitäten. Auch wenn sich viele wohler damit fühlen, nur eine Identität zu haben. Wunderbar! Ich will das niemandem streitig machen. Du kannst deine Religion haben, die man am Freitag, am Samstag oder am Sonntag zelebriert. Ich würde an keinem dieser Tage feiern. Oder an allen. Elio und Oliver hätte ich niemals ausschließlich homo oder hetero gewollt. Die inneren Konflikte Elios hängen genau damit zusammen: Ja, er ist jüdisch, aber er will es nicht zeigen.
Elios Mutter sieht die Familie als „diskrete Juden“. Ging das Ihrer jüdischen Familie auch so, da Sie in Ägypten aufgewachsen sind?
Sehr sogar. Als Jude in Ägypten damals gab es schon ein antisemitisches Umfeld, das ich an meiner Schule gespürt habe und auch sonst überall. Wir haben nicht gesagt, dass wir Juden sind. Aber beim Schwimmunterricht hatte ich immer eine Entschuldigung, dass ich die Grippe hätte. „Ohne Fieber?“ – „Naja, ich hatte gestern Fieber.“ Ich konnte mich nicht ausziehen, weil sie sonst gesehen hätten, dass ich beschnitten bin. Und sie wussten, dass ich kein Moslem bin. Ich hatte mich die ganze Zeit zu verstecken. Niemand wusste Bescheid. So bin ich aufgewachsen. Elio geht es ähnlich. Viele Juden in Italien verstecken nicht direkt, dass sie jüdisch sind, aber sie rufen es auch nicht zum Fenster raus.
Wie hat Sie das als Mensch und insbesondere als Künstler geformt, so oft migriert zu sein?
Ich habe an unterschiedlichen Orten gelebt, und jedes Mal dachte ich, ich würde dort bleiben. In Ägypten. In Frankreich. In Italien. Und dann bin ich in den Vereinigten Staaten gelandet. Alle Orte sollten mein Zuhause sein, aber ich hab mich niemals zugehörig gefühlt. Ich bin auf eine britische Schule gegangen, aber Großbritannien ist der letzte Ort, an dem ich mich zuhause fühlen würde. Viele Menschen haben eine emotionale Verbindung zu ihrer Flagge. Ich nicht. Ich fände das auch lächerlich. Ein Stück Stoff mit ein paar Farben drauf. Und so geht es mir mit jeder Form von Identifikation mit einem größeren Gebilde. Ich möchte in keine fertige Kategorie gesteckt werden. Ich erfinde meine eigenen Kategorien, Aberglauben, Rituale. Ich bin nicht religiös, aber doch spirituell. Meine Rituale bedeuten mir was. Und wohl auch nur mir.
Der Vater von Elio, Samuel Perlman, der nun zu Beginn von „Find Me“ sogar die eigentliche Hauptperson wird, deutet in „Call Me By Your Name“ an, dass er auch homoerotische Gefühle hatte. War das ausgeschlossen, dass Sie für ihn auch eine schwule Liebesgeschichte schreiben?
Im Buch „Call Me By Your Name“ fragt Elio, ob Mama Bescheid weiß. Ich meinte damit: „Weiß Mama, dass ich eine Affäre mit Oliver hatte?“ Aber im Film betonen die beiden Schauspieler die Zeilen so, dass die Frage eher daraus hinauswill, ob die Mutter davon weiß, dass Samuel mal eine schwule Liebschaft hätte haben können. Rückblickend finde ich die Bedeutung im Film sogar besser als die in meinem Buch! Ich liebe es, wenn Leute mein Buch interpretieren. Einige Interpretationen sind phantastisch! Dann sag ich: „Du hast Recht, ich hatte Unrecht.“ Der Vater hätte eine schwule Liebschaft haben können, aber ich denke, letztlich hatte er sie nicht.
Am Ende von „Call Me“ gibt es ja schon Zeitsprünge, die der Film weglässt. Haben diese Zeitsprünge die Buch-Fortsetzung „Find Me“ nun vereinfacht oder erschwert?
Das war schon gut, dass der Film das ausgelassen hat. Der Film hat ein perfektes Ende. Plotmäßig kann danach wenig passieren. Wenn Elio und Oliver sich im Film wieder getroffen hätten danach, ja, was dann? Der Film endet brillant, basta! Aber ich als Autor war noch nicht fertig. Und wahrscheinlich werde ich mein ganzes Leben lang immer wieder überlegen, was ich der Geschichte noch hinzufügen kann.
Idealisiert der Film diese Utopie noch mehr als das Buch? Das Buch macht ja deutlicher, dass es sich um nachträgliche Erinnerungen handelt, die durchaus nostalgisch überschrieben worden sein könnten im Gedächtnis von Elio, der zugleich der Ich-Erzähler ist.
Das Buch ist geschrieben als ob es aus der Rückschau erzählen würde. Aber ich glaube, eigentlich ist es das nicht. Es ist eine Story, die ganz gegenwärtig in den 1980ern spielt. Und ich muss Ihnen widersprechen: Die Geschichte ist keine Utopie. Denn es ist absolut möglich, dass zwei Männer die Liebe ihres Lebens finden. Viele schwule Paare, die ich kenne – und ich kenne viele – sind seit dreißig, vierzig Jahren zusammen.
Im „Call Me By Your Name“-Film haben Sie einen interessanten Cameo-Auftritt, Sie sind darin Teil eines schwulen Paars, das seine Liebe nicht versteckt. Elio ist eine popkulturelle Ikone für viele Queers, aber in dieser Szene agiert Elio sehr homophob gegen die Männer.
Witzig, dass Sie diese Szene erwähnen. Meine Frau saß neben dem Regisseur Luca Guadagnino, als wir diese Szene drehten. Peter Spears, der den Film auch mitproduziert hat, rubbelt meinen Kopf. Wir hatten eine gute Zeit! (lacht) Mein Ansatz bei der Szene war, mit den Klischees zu spielen, die hetero Männer von Homosexuellen haben: dass sie sich lächerlich verhalten würden. James Ivory lässt im Drehbuch den Vater auf Elios Reaktion eingehen, lässt ihn fragen: „Liegt es daran, dass sie lächerlich wären? Oder dass sie schwul sind?“
Der „Call Me“-Drehbuchautor James Ivory hat den Film nachträglich kritisiert: Er hätte auf explizitere Nacktheit verzichtet, um sich bei einem größeren Publikum anzubiedern. Was denken Sie?
Vielleicht hat er es übertrieben. Ich für mich habe einen Punkt erreicht, wo ich keinen Sex mehr in Filmen sehen will. Zumindest keinen Hetero-Sex. Wenn sie sich umarmen, okay, aber wenn sie bumsen…
Mit Verlaub, Sie schreiben doch auch übers Bumsen in Ihrem Buch.
Entschuldigung, wenn ich das so sage, aber in Filmen ist es doch so: Die Frau hat die Decken immer hochgezogen, um die Brüste zu bedecken. Vom Mann sieht man den Torso. Ich finde das verdrießlich. Von mir aus sollen sie sie kuschelnd zeigen. Vorspiel ist in Ordnung. Aber der ganze Vorgang? Ich muss den nicht sehen. Luca, der Regisseur, ging in vielerlei Hinsicht auf Nummer Sicher. Und das war keine schlechte Entscheidung. Es gibt aber auch die Pfirsich-Szene. Im Buch isst Oliver den Pfirsich mit Elios Sperma drin. Das ist ein Symbol dafür, wie sehr die beiden schon ineinanderfließen. Im Film hätte das zu viel sein können. Die Regie war da aber einigermaßen diskret. Mich stört es nicht. Fürs größere Publikum hat es funktioniert. Ein bisschen mehr erregt im Bett hätte man Elio und Oliver aber schon zeigen können, wenn es nach mir geht.
Zu der famosen Pfirsich-Szene in „Call Me“, wo Elio in den Pfirsich hinein wichst: Hat das viel Spaß gemacht, die zu schreiben?
Elio geht also ins Schlafzimmer und hat diesen riesigen Pfirsich bei sich. Lecker und sehr saftig. Er tropft auf ihn, als er reinbeißt und er wird erregt. Wir wissen, wie es weitergeht. Als er fertig ist, dachte ich mir, ah, ja, Oliver könnt jetzt reinkommen. Was, wenn er Bescheid wüsste? Das wär’s doch! Da hatte ich viel Spaß beim Schreiben. Es gibt diese Pflanze namens Chèvrefeuille: Heckenkirschen. Die kommen auch bei „Tristan und Isolde“ vor in einem Lied vor. Beide sind sie tot, aber vom Boden her setzen diese Pflanzen, die sich miteinander verschlingen, ihre Liebe fort. Mir gefällt dieses Bild sehr. Bei Ovid gibt es einen Charakter, der bestraft wird, weil er die Götter beleidigt hat. Er wird in einen Pfirsich verwandelt. Ich habe in meiner Pfirsich-Szene nichts verschleiert; die Szene ist ja sehr offen. Und trotzdem war ich beim Schreiben drauf aus, klassische Referenzen zu finden. Zum Einbetten, aber nicht zum Verstecken. Klassische Referenzen sind in meiner Welt nicht dazu da, um zu vernebeln, sondern um zusätzliche Bedeutungsschichten hinzuzufügen. Für mehr Resonanz. Ich dachte, die Szene würde aus dem Film geschnitten werden am Ende. Aber die wollten sie unbedingt mit drin behalten! Meinetwegen. (lacht)
Hätten Sie das Buch eigentlich auch früher schreiben können? Oder hätten die Verlage da nicht mitgemacht? Immerhin hatten es queere Storys auf dem Buchmarkt und im Film recht schwer vor „Call Me“.
Ich hab ja recht spät in meinem Leben angefangen zu veröffentlichen. Da war ich schon in meinen 40ern. Davor war ich nicht bereit. Mein erstes Buch war ein Memoir. Die Sache war nicht, dass ich mich damit unsicher gefühlt hätte, eine schwule Story zu schreiben. Sondern mir war allgemein nicht wohl bei der Vorstellung, ein Schriftsteller zu sein. Es sollten viele Essays folgen auf das Memoir. Und dann erst „Call Me By Your Name“.
Wie können wir mehr Aufmerksamkeit für queere Liebesgeschichten generieren?
Ich weiß nicht recht. Ich hoffe, dass diese Tage vorbei sind, als Queers fühlten, dass sie ihre Storys nicht erzählen können. Ein für alle Mal. Das war lang genug so!
Sie wollten absichtlich nicht über Aids schreiben. Dabei ist das doch schon so ein Tabu, so ein Vakuum im kollektiven Gedächtnis.
Finden Sie, es ist ein Vakuum? Ich glaube das nicht. Das MoMa hatte eine wunderbare Ausstellung über Aids, sogar insbesondere über die Abwesenheit von Stimmen. Sehr kraftvoll. Nein, der Grund, warum ich Aids nicht in der Story wollte, war… Es gibt im Buch einen ganz kleinen Moment, in dem Elio Oliver fragt, ob er okay ist, und der sagt, ja, du hast mich doch schon mal gefragt… und das ist alles, was ich wollte. Die Worte Liebe, schwul, Aids tauchen in meinem Buch nicht auf. Mein Interesse gilt der Romanze zweier Menschen, die tiefer verliebt sind als sie selbst gedacht hätten.
Lassen Sie uns über Proust reden. Elio tendiert ja auch dazu, sich um Sachen zu sehr einen Kopf zu machen, sich in Gedankenspiralen zu drehen. Das erinnert mich schon auch an den Ich-Erzähler der „Recherche“.
Ich würde sagen, dass wir Menschen grundsätzlich so sind. Wir grämen uns zu viel. Auch wenn man uns zum Gegenteil rät. In „Call Me By Your Name“ achtet Elio auf Olivers Badehose und entwickelt eine Theorie darüber, wie sich Oliver an dem Tag verhalten wird, wenn er eine gelbe oder eine rote Badehose trägt. Wir wissen – und er weiß es wohl auch -, dass da nichts dran ist. Natürlich stimmt die Theorie nicht. Aber so gehen wir oft mit der Welt um, die uns Rätsel stellt. Wenn Ihnen jemand eine Telefonnummer in die Hand drückt und sagt „ruf mich doch an“, macht man sich hinterher drei, vier Tage Gedanken, ob die Person es wirklich so meinte. Sowas machen wir die ganze Zeit. Das Geniale bei Proust ist ja: Er sagt uns nichts, was wir nicht insgeheim schon wüssten.
In Ihren Geschichten kommen sich Menschen oft über Kunstwerke näher. Sind Kunstwerke Möglichkeiten für ängstliche Menschen, einander zu berühren, sich zu verbinden?
Es ist die Welt, in der ich lebe. Ich liebe es, mit jemandem über das Leben zu sprechen. Und über Kunst. Musik. Bücher. Ich bin nicht der Richtige, um über Autos zu plaudern. Angeln interessiert mich auch nicht. Ich hasse Golf. Ich besuche keine Bars. Ich verstehe nichts von Wein. Suchen Sie aus, ich hab keine Ahnung!
Aber Elio und Michel in „Find Me“ gehen ja in eine Bar.
Ja, Michel kennt sich aus, Elio sagt: „Bitte bestell für mich!“ Ein wundervoller Moment, wenn man sich jemandem überlässt. Das sagt doch: „Ich bin empfänglich für dich.“ Michel kennt sich mit Drinks aus, Elio mit Musik.
In „Call Me“ fühlt sich Elio Oliver gegenüber minderwertig, weil er sich sexuell weniger erfahren glaubt. Oliver hingegen wird unsicher, da er nicht aus reicher Familie stammt und es ihm mangelt an Wissen über Tischsitten. Er schlingt den Aprikosensaft hinunter und weiß nicht, wie man ein weichgekochtes Ei köpft. Ist dieses Macht-Ungleichgewicht etwas, dass sie einander anzieht? Oder müssen sie es überwinden? Elio und Michel in „Find Me“ überwinden das ja nie, würde ich sagen.
Ich weiß nicht. Macht oder Ohnmacht. Das ist kein Konzept in meinem Leben. Ich verstehe Menschen nicht, die machtgeil sind. Auch Neid und Eifersucht verstehe ich nicht gut. Aber wissen Sie was, Amerikaner essen weichgekochte Eier einfach nicht auf diese Weise. Deshalb weiß Oliver nicht Bescheid. Und den Aprikosensaft kippt er so schnell hinunter, weil er sein ganzes Leben lang nur Apfel- und Orangensaft getrunken hatte. Aprikosensaft kann man nicht so schnell trinken – das wäre als würde man zehn Aprikosen auf einmal einatmen. Deshalb muss man sich Zeit lassen. Aber was wir sein sollten: offen, etwas zu entdecken, das wir noch nicht kennen. Das Universum eines anderen. Darum ging es mir. Elio ist jünger, aber hat mehr Bücher als Oliver gelesen. Oliver ist baff, dass Elio sich mit Paul Celan auskennt, von dem er selbst noch nie gehört hatte. Und andersherum auch: Oliver kennt sich mit Etymologien aus, von denen Elio und nicht mal sein Vater je gehört haben. Ist das Macht? Ich denke das lieber als Austausch. Wissen Sie, manchmal sprechen zwei Menschen miteinander, dann kommt ein lautes Geräusch, sodass sie schweigen müssen. Danach sagt einer: „Du warst eben noch mitten dabei, etwas dazu zu sagen.“ Wundervoll! Es gibt aber auch Leute, die dir nicht aufmerksam zuhören und nach so einem Geräusch in Gedanken schon ganz woanders sind und einfach über etwas ganz anderes reden, so als hättest du nichts gesagt davor.
Ihre Charaktere sind immer aufgeschlossen.
Ja, das ist mir wichtig. Ist das nicht wundervoll, wenn jemand ein Universum mit sich trägt, von dem du noch nichts weißt und man das dann teilt? Meine meisten Figuren sind liebe, sanftmütige Menschen. Großzügig. Sie tragen keinen Groll oder Gehässigkeit in sich. Sie sind nicht bloß ausgeglichen, sondern heiter. Ich liebe das an Menschen.
Sie leben ja in New York City. Die Corona-Krise und „Black Lives Matter“ werden nicht spurlos an Ihnen vorbeigehen.
Diesen Teil der Nachrichten verfolge ich durchaus! Aber ich habe dem nichts hinzuzufügen. Meine Stimme ist da nicht von Belang. Was ich dazu sagen könnte, wäre das, was jeder gewöhnliche Intellektuelle sagen würde. Ich habe da keine tieferen Einsichten. Über Corona hab ich einen Essay geschrieben, weil ich mir Sorgen darüber mache, wer wir nach Corona sein werden. So bin ich drauf. Aber dieser eine Text war genug. Bei „Black Lives Matter“ sprechen schon so viele Menschen, und die sind viel besser informiert als ich.
Noch mal zur Filmfortsezung von „Call Me“: Die wird wahrscheinlich nicht auf Ihrem neuen Buch „Find Me“ beruhen. Haben die denn alle Lizenzen von Ihnen gekauft und können jetzt damit machen, was sie wollen?
Nein, die müssen die Lizenz erneuern. Das verhandelt mein Agent. Ich hab keine Ahnung, wie Sie sehen. (lacht)
André Aciman: „Find Me – Finde mich“.
Aus dem Englischen von Thomas Brovot.
dtv, München 2020, 269 Seiten, 22 Euro