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“Zwischen Dosenbier und Sprüchestickern des Jugendhaus-Klos” – Das Egon-Forever!-Interview

2. Dezember 2024,

Er hat schon witzige und nerdige Outsider-Comic-Kunst gemacht, da gab’s noch nicht mal ISDN, er hat in den Zehner Jahren auf Facebook bereits die Meme-Kultur vorweggenommen, die erst in diesem Jahrzehnt via Instagram zum Humor-Mainstream wurde. Die Rede ist natürlich von Egon Forever! alias André Lux. Bester Typ, beste Strichmenschen. Aktuell erscheint nun seine Comic-Sammlung “Der große Durchbruch”. Linus Volkmann hat sich mit ihm über jenen unterhalten.

Du mischst immer mal wieder Zeichnungen bei dir unter, die Jahrzehnte alt sind und sich aber immer noch in den Fluss aktueller Sachen einreihen lassen. Dennoch: Was für eine Entwicklung hat deine Kunst genommen? Was würdest du heute nicht mehr machen?

Egon Forever! hat über die letzten Jahre inhaltlich so eine Art Zick-Zack-Entwicklung hinter sich. Ich habe ja als Kind damit angefangen, damals war das natürlich alles noch überhaupt nicht auf irgendeine Pointe hin geschrieben oder hatte gar einen humoristischen Anspruch. Das waren einfach nur völlig stumpfe Hau-Drauf-Geschichten, Parodien und Verwurstungen von Sachen die mich für die  künstlerische Selbstverwirklichung inspirierten. Also Gags über die Kelly Family oder was für ein Wichser der ein oder andere Klassenkamerad ist, würde ich heute ganz eventuell nicht mehr machen. Kurz bevor Egon Forever! dann Ende der 2000er im Internet auftauchte und auch dank dir eine größere Reichweite bekam, war der Humor noch ziemlich anarchisch, albern und teilweise surreal, die breitere Aufmerksamkeit sorgte dann zunehmend dafür, dass ich mich auch immer mehr Tagespolitischen Themen widmete oder Alltagsbeobachtungen verarbeiten wollte. Heute würde ich sicherlich den ein oder anderen Prolo-Joke oder irgendwelche Ficki-Ficki-Sachen ohne erkennbaren doppelten Boden oder Nonsense-Twist nicht mehr veröffentlichen. Die Cartoons und Comics aus stabileren Lebensphasen und welche ich immer noch gelungen und zeitlos finde, gibt es immer mal wieder als Repost unter dem Hashtag #egonclassic – was eine Anspielung auf die Simpsons Folge mit dem Pool ist in der Bart so Das-Fenster-zum-Hof-mäßig mit Gipsbein die Ferien in seinem Zimmer verbringen muss. Da schaltet er den Fernseher ein, um sich wenigstens von der Krusty-Show entertainen zu lassen, die zeigt allerdings in der Sommerpause nur öde Classic-Wiederholungen in Schwarz-Weiß.

In deinem neuen Buch steht in deiner Bio “Lux lebt in Stuttgart”, dabei bist du doch seit einiger Zeit schon ins Ländliche ausgewandert. Als ich von Köln nach Frankfurt zog, unterschrieb ich lange noch aus Scham meine Mails mit “Grüße aus Köln”. Hat das bei dir ähnliche Gründe oder wie kommt es zu der Angabe?

Ach, du weißt doch, wie das bei den Verlagen ist, da wird die Künstler*innen Bio nur alle 10 Jahre mal aktualisiert. Zudem sind die Ventils nun mal sehr urbane und kosmopolitische people, auf deren Karte tauchen provinzielle Regionen wie Südhessen oder Oberschwaben gar nicht auf.

Apropos wo nimmt der Ortswechsel auch Einfluss auf deine Kunst?

Natürlich erlebt man auf dem Land andere Situationen, vor allem Zwischenmenschlich. Ob sich meine Zeichnungen und Witze nun durch den Umzug merklich verändert haben kann ich bisher noch nicht sagen, denn als ich mit Egon Forever! anfing, lebte ich noch kaffiger als jetzt. Ich wusste also, worauf ich mich einlasse mit so einem Wohnortwechsel. Außerdem bin ich trotzdem noch jedes zweite Wochenende in Stuttgart, denn meine Dauerkarte [vermutlich für die Stuttgarter Kickers, Anm.] wollte ich schon noch behalten. Inspiration hole ich mir auch nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung sondern auch durch andere Medien, mitgehörte Dialoge oder wenn der Gedankenapparat kurz vorm Einschlafen auf Hochtouren läuft und da kann jegliche Art von Story stattfinden, völlig unabhängig von dem Ort, an dem ich mich gerade befinde.

Aus “Egon Forever – der große Durchbruch” (Ventil Verlag)

Dadurch dass du oft “Classics” raushaust, lässt sich deine Produktivität schlecht abschätzen … Wie viele Comics zeichnest du in der Woche. Oder ist deine Arbeit nicht so stetig?

Die Classics haben es dir ja ganz schön angetan. So ein richtiger Repost-Skeptiker bist du. Ich zeichne meistens an zwei bis drei Abenden im Monat am Stück einen prächtigen Batzen Cartoons und Comics. Manche davon werden direkt oder ein paar Wochen später online veröffentlicht oder landen exklusiv in meiner DIY-Heftreihe BORLECK! Magazin, welches es in meinem Etsy-Shop zum Kaufen gibt.
Zur Zeit habe ich leider weniger Kapazitäten, um direkt den Gedankenfluss aufs Papier zu bringen, daher bin ich nebenher viel mit Notizen schreiben beschäftigt. Diese werden dann wiederum in freien Momenten nachbearbeitet und als Bild umgesetzt. Gelegentlich habe ich so richtige kreative Impulse und es fließt nur so aus mir raus. Da muss dann aber auch das Setting und die Tagesform stimmen. Zwischendurch müssen die Sachen dann auch mal noch eingescannt werden. Das Veröffentlichen im Internet ist übrigens ebenfalls mittlerweile sehr viel Arbeit, weil man ja beinahe 10 Plattformen bedienen muss, um wenigstens ein paar Menschen mit der Kunst digital zu erreichen. Hinzu kommen die Buchveröffentlichungen, Promo und Besuche von Conventions und auch das Designen und teilweise Herstellen von Merchandise-Artikeln, meine Shirts und Beutel bedrucke ich nach wie vor selbst.
Noch schnell was zu den Classics: Die Hardcore-Egon Forever!-Fans, das sind nicht viele, aber die, die es gibt, sind alle supercool, warten ja sogar auf den ein-oder-anderen „Traditionspost“ beispielsweise der Adventskalender mit der Zwiebel drin oder Jesus der sich an Ostern über seine Situation beschwert. #egonclassics sind also wie Evergreens und Jahrhunderthits von Bryan Adams oder Stefanie Schrank die unter keinen Umständen aus der Setlist verschwinden dürfen. Und die Newbies freuen sich über eine noch unbekannte Kracherpointe.

Die neue Scheibe von André Lux a.k.a. Autobot

Du hast zuletzt auch wieder eine Autobot-CD veröffentlicht. Was fällt dir leichter, was macht dir mehr Spaß: Zeichnen oder Musik? Stehen die in Konkurrenz?

Kreativ zu sein macht prinzipiell sehr viel Spaß, egal ob Zeichnen, Gitarreklampfen, Estrich verlegen oder sich bauerige Deutschpunksongs ausdenken. Letztere sind natürlich ultraflott geschrieben, denn mensch braucht nur vier Akkorde und ein paar gäggige Reime dafür, also wenn man den geschmacklichen Anspruch da ansetzt, wo er bei mir zu finden ist (irgendwo zwischen günstigem Dosenbier und Spruchsticker von der Jugendhaustoilette). Das macht mir wahnsinnig viel Spaß, das interessiert nur nicht so viele Menschen, daher ist die Arbeit hier ziemlich überschaubar. Auch Live macht das als Autobot immer noch total Bock, zumindest mir. Egon Forever! ist ja noch viel mehr als nur das Zeichnen der Comics und Cartoons, da steckt ja wie gesagt auch noch viel Arbeit drumrum drin, vor allem wenn man wie ich das Meiste davon selbst macht beziehungsweise machen muss. Vieles davon ist toll, vor allem der kreative Part, auch das ganze analoge Zeug wie Eintüten und Verschicken macht mir überraschenderweise ebenfalls viel Spaß, also wenn man wirklich so haptisch spürt dass was passiert, man mit echten Leuten interagiert und man nicht nur ab und zu Likes oder Kommentare abnickt. Weisch was ich mein?

Aus “Egon Forever – der große Durchbruch” (Ventil Verlag)

Hörst du Musik beim Zeichnen oder brauchst du einen ablenkungsfreien Raum?

Das kommt ganz drauf an. Über die letzten Jahre muss ich ehrlich zugeben: Der Zahn der Zeit nagt auch an mir. Daher habe ich es am allerliebsten komplett ruhig und lasse mich ungern von lauter Technomusik im Café oder grölenden Jugendlichen im Park (mit ihrer Technomusik) ablenken. Wenn Musik, dann Zeug das ich in-und-auswendig kenne und wie weißes Rauschen durch meine Öhrchen schleicht wie beispielsweise völlig abgeschmackter Skatepunk oder so Zeug, was wir beide geil finden (Thrash-Metal, Pop-Musik der frühen 2010er).

Comic, Fanzines, Podcasts, Musik… wo wird Anfang des nächsten Jahres dein Fokus hingehen, weißt du das schon?

Ganz ehrlich: Ich wollte schon 2024 mal bissle weniger machen, nachdem ich 2023 wieder drei Releases auf meinem DIY Label That Lux Good Entertainment hatte und auch in Sachen Egon Forever! ganz schön viel unterwegs war. Jetzt hab ich dieses Jahr einfach fast doppelt soviel gemacht mit zwei Büchern, dem Autobot Album, Podcast und einem weiteren Label-Release, Buchmesse, Comicsalon und noch viel mehr. Gerne würde ich mich 2025 nach dem 30 Jahre-EF!-Marathon und dem großen Durchbruch mal nur einer einzigen Sache widmen. Immerhin habe ich ja auch noch einen Dayjob. Ein sechstes BORLECK! Magazin, da hätte ich brutal Bock drauf weil ich da einfach komplett aufdrehen kann was die Kreativität angeht.

Das Interview führte Linus Volkmann

Der neue Band von Egon Forever! “Der große Durchbruch”

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Aus “Egon Forever – der große Durchbruch” (Ventil Verlag)

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