Oile Lachpansen vs. Egon Forever – Das große Winterinterview
Oile heißt eigentlich Sebastian und wohnt in Dresden, kommt aber aus NRW. Er macht poppige Gitarrenmusik, singt sagenhaft gut und schrieb früher ausgelassenere Texte als heute. André Lux alias Egon Forever hat ihn fürs Kaput-Magazin interviewt. Fotos: Privatarchiv Oile Lachpansen.
LUX: Ich war gestern mal wieder beim Sonderverkauf im Second Hand Records in Stuttgart und erinnerte mich an die erste Woche nach den Herbstferien 2014. Da tauchtest du bei mir zu Hause in prekärem Zustand auf und verbrachtest ein paar Tage in meiner geilen 1-Zimmer-Bude. Irgendwann saßen wir beisammen und du zeigtest mir eine gebrannte CD mit neuen Songs von dir. Eine Art Konzeptalbum. Warum hat es 2 Jahre gedauert, bis du diese Lieder nun in gepresster Form zum greifen und auflegen veröffentlicht hast?
OILE Ja, an die Zeit erinnere ich mich mehr als gut. In diesen Herbstferien wollte ich mein Album aufnehmen und reiste für die zwei Wochen nach Pulheim zu meinem Kumpel Micha Benjamin. Ich hatte gerade eine schwierige Phase mit meiner Frau und wir wollten die paar Tage nutzen, um etwas Abstand voneinander zu bekommen. Nach einer Woche skypte sie mich dann im Studio an, erklärte mir, sie habe einen Anderen und machte Schluss. Ich hatte noch nicht viele Texte oder Songs fertig und so floss natürlich einiges dort hinein. Stichpunkt: eine Art Konzeptalbum, wobei die Texte jetzt nicht allesamt von der Trennung handeln. Nach den Aufnahmen ging es zurück nach Dresden zur Aussprache und dann brannten bei mir alle Zylinder durch und ich fuhr mit den Jungs von MONTREAL auf Tour, achtete nicht wirklich auf mich und strandete dann wenige Tage darauf bei dir. Seitdem war dieses Album und die Arbeit daran wie eine Art Eigentherapie. Zunächst wurden die Rough Mixe als einzelne EPs auf Bandcamp veröffentlicht, wozu du ja auch fünf Cover gezeichnet hast. Dann wurden die Songs nochmal bearbeitet, ein paar Spuren kamen hinzu, bei 7 Songs hat mein lieber Freund Don Cardeneo noch Schlagzeug eingespielt, die wundervolle Käte Coroly hat noch ein superschönes Coverartwork gezeichnet und dann musste das ganze Zeug noch ins Presswerk. Richtig, das hätte man alles auch locker in einem halben Jahr über die Bühne kriegen können. Aber ich arbeite nebenher auch noch Vollzeit als Lehrer. Da musste ich mir manchmal n bisschen mehr Zeit lassen. Hätte ich den ‘Spatz’ und die Arbeit an diesem Projekt jedoch nicht gehabt, wäre es gut möglich, dass ich diese Zeilen heute aus dem Irrenhaus beantworte.
Die Platte klingt für mich an manchen Stellen nun wie deine persönliche “Chinese Democrazy”: Hier noch ein eingesungener Chor oder zwei (“AAAAHHH!” “Uuuuuhh! Dibaduuu!”), da noch ein nachträglich reingestelltes Schlagzeug und die Stimme wurde in manchen Songs bis zur vollen Silbrigkeit gedoppelt – Warum hast du manche Lieder nochmal so abnormal durchgeknetet und nur ein paar im Akustikzustand gelassen?
Das kommt jetzt ganz darauf an, was man als abnormal bezeichnet. Als ich 2006 mit Oile Lachpansen anfing, hab ich mein erstes Album “Oilerboy” in meinem Schlafzimmer in der WG in Köln-Mülheim aufgenommen. Damals war es mir wichtiger, mir noch n paar Gilden Kölsch vom Kiosk zu holen und Civilization IV zu zocken als 4 Gesangsspuren einzusingen. Auf dem zweiten Album “Lachpansia”, welches schon beim Sebastian Blaschke im Studio aufgenommen wurde, hab ich mich in der Hinsicht aber schon weitaus mehr ausgelebt. Auch da gibt es Schlagzeug, teilweise Bandbesetzung, Geigen, Background Vocals und die komplette Sibrigkeitsdoppelaction. Dass ‘Spatz’ aber noch weitaus voller klingt, ist korrekt. Seit 1996 mach ich jetzt Musik, die meiste Zeit davon in Bands. Mir hat es bei Aufnahmen immer den größten Spaß bereitet, die Hintergrundchöre einzusingen und so die Platte noch zu füllen und abzurunden. Es macht mir zunehmend Spaß, mich da weiterzuentwickeln und mich bei jedem neuen Album auf eine Reise zu begeben, die musikalisch erst vorbei ist wenn der letzte Ton eingespielt und alles abgemischt ist. Ich möchte mit jedem Song ja auch ein gewisses Gefühl rüberbringen. Und da helfen mir verschiedene Gesangstile, unterschiedliche Instrumentierung und ein paar abwechselnde Rhythmen natürlich ungemein.
Der Text von “Spatz” wurde offensichtlich komplett umgeschrieben! Wenn du mir 450 Euro zahlst, veröffentliche ich die Ur-Version NICHT im Internet. Du bist ja von Beruf Lehrer, da verdient man ja schon was.
Dass das Erpressung ist, ist Ihnen ja hoffentlich bewusst, Sie mieses Schwein! Die Story über den “Originaltext” von “Spatz” ist kein Geheimnis. Der erste Entwurf behandelt komplett die Beziehung zu meiner damaligen Frau. Von Anfang bis Ende. Und auch ausschließlich an sie gerichtet. Ich kam ja gerade frisch aus dem Studio, als ich dir die CD mitgebracht hab. Nachdem der erste Schock und Schmerz jedoch vorüber war, wurde mir bewusst, dass solch ein Lied auf einem Album nichts verloren hat. So verwarf ich den Song zunächst komplett, fand aber nach einem knappen Jahr wieder großen Gefallen an der Instrumentierung und Struktur. Also schrieb ich einen Text über den Spatz, dieses Projekt, was mich jetzt schon so lang begleitete.
In meinem Lieblingslied “Einmal gut” singst du entnervt vom öden Touralltag als Künstler und schließt quasi damit ab (“Irgendwann ist alles einmal gut.”). Hab ich dir nicht letztens eine Whatsapp-Nachricht geschrieben und gefragt, wie deine Tour läuft?
Ja, genau. Und ich schrieb dir zurück, sie sei ein voller Erfolg. Der Text zu ‘Einmal gut’ ist vor 6 Jahren im Tourbus entstanden. Zu der Zeit war ich mit meiner damaligen Band MOFA unterwegs, wir hatten einen Platten- und Management-Deal, eine Bookingagentur, eine Promotionsfirma und spielten 100 Shows im Jahr für umgerechnet 0 Euro. Leider waren wir alle so Ende 20 und mit Ausbildung und Studio fertig. Wir wussten zwei Jahre lang oftmals nicht, wie wir die Miete bezahlen sollten. Privat ging bei uns auch vieles ab. Meine Mutter verstarb nach langer Krankheit, bei meinen Bandmitgliedern gab es ersten Familienzuwachs, ich zog zu meiner späteren Frau nach Dresden. Uns fehlte der lange Atem. Vielleicht hätten wir ein Jahr später schon größere Erfolge erzielen können. Wir zerstritten uns jedoch gnadenlos mit unserem Management und legten die Band bis auf ein paar wenige Auftritte komplett lahm. Ich bin aber trotzdem noch Musiker. Und obwohl ich in einem Beruf arbeite, lebe ich den Scheiß in meiner Freizeit. Hinzu kommt der Unterschied zwischen 100 Shows im Jahr und vielleicht 30. Ich kann also in meinen Ferien durch die Gegend fahren, meine Musik mit anderen Menschen teilen, viele alte Freunde und auch neue Freunde treffen. Dann fahr ich wieder nach Hause, mich erwarten die eigenen vier Wände, eine wundervolle Freundin und ein Job, der mir darüber hinaus noch viel Freude bereitet. Da kann ich nur noch ALARMSTUFE GERD zitieren: “Hier ist alles geil!
“Stress mit dem Management” haben sie doch alle irgendwann mal. Welche Songs auf der Spatz-LP hätte das damalige MOFA-Management und Label wohl gestrichen und warum? Und welche hätten denen voll getaugt?
Die Frage stellt sich nicht, da die meiner Meinung nach keinen Solotypen signen würden. Aber hätte ich solche Songs mit ner Band vorgestellt, wären vermutlich nur Songs auf ein Album gekommen, welche keine Ecken und Kanten haben. Weder im Songwriting, noch im Klangbild. Vielleicht ‘Silberne Handschuh’ oder ‘Die Schönste Frau der Welt’. ‘Las Vegas’ vielleicht auch noch, aber dann mit kompletter Bandbesetzung. Aber das ist ja auch das schöne. Dass ich niemandem Rechenschaft ablegen muss, warum welcher Song so klingt wie er eben klingt. Das Album ist eine Momentaufnahme von nem ziemlich fertigen Typen, der gerade gesteckt bekommen hat, dass er betrogen und verlassen wird. Es gibt Momente im Gesang, da weiß ich halt ganz genau, in welchem Zustand ich bei der Aufnahme war. Es gibt auch andere Songs, da weiß ich es leider nicht mehr. Diese Kleinigkeiten machen es für mich aber aus. ‘Spatz’ ist unter solch einem schönen ‘Scheißegal’-Mantel entstanden. So Backgrounds wie im Endteil von ‘Highway’, ein Song wie ‘Oma’, den dicken Beat in ‘Schönste Frau der Welt’ – das sind alles Dinge, die hätte ich sonst nicht gemacht oder gedanklich hin und her gewälzt. Ich hab mich ein paar Sachen getraut, ohne wirklich darüber nachzudenken. Und das macht das Album für mich zu was ganz besonderem.
Erst kürzlich hab ich mir das erste MOFA-Demo und “Oilerboy” (wird halt 2017 zehn Jahre alt!) mal wieder angehört und dachte so bei mir: Da sind schon ein paar bedenkliche Stimmungshits dabei, für die sich der Oile heute in Grund und Boden schämen würde, wenn er die heute mit Ende 30 beim Poetry-Slam-Wohnzimmerkonzert für Kulturschwaben spielen müsste: Salami-Schnittchen würden ausgespuckt und vor Schreck verwackelt jemandem das Instagram-Foto. Kannst du dir sicher auch gut vorstellen, oder?
Was denn zum Beispiel?
Na, zum Beispiel: “Spermatango”, “Tod für Doitschland”, “Amerika sucht den Superkrieg” oder “Die Verschwörung in deinem Kopf”. Allesamt natürlich große Hits.
Ja, nun. Das sind fast alles Zecken-Songs. Bei meinen Solokonzerten spiel ich da ab und an auch n paar von. Die Lieder, die Du nennst, hatten zu der Zeit ihrer Entstehung eine absolute Daseinsberechtigung. Da ich viel autobiografisch schreibe, gibt es allerdings ein paar Songs, die sich nicht mehr so anfühlen wie früher. ‘Oilerboy’ beschreibt mich beispielsweise in der Zeit meines Studiums. Heute geh ich einem Vollzeitberuf nach und mach mir natürlich ganz andere Gedanken. Ich find’ die Songs nach wie vor spitze. Sie sind ja ein Teil von mir und meinem Leben.
Oile, ich danke dir und wünsch dir ganz arg viel Erfolg mit der Platte! Hoffentlich verkauft sie sich nicht schlechter als die ganzen CD-Rs und Kassetten, die wir uns damals im D.I.Y. Forum (Internet. R.I.P.) hin-und-her geschickt haben. Was machst du heut noch?
Danke, liebe Jung! Ich genieße die Ferien, werde heute noch ein paar Platten hören, ein bisschen spazieren gehen und heute Abend nen Freund treffen und ein bisschen zocken. Dank Dir fürs Interview. Und vielen Dank an alle, die sich das hier durchgelesen haben.