„Wir stellen einfach alles ohne Grund ins Internet“
Greta Klines Herkunft ist ziemlich Hollywood. Ihre Eltern sind die Schauspieler Phoebe Cates (u.a. “Gremlins”) und Kevin Kline (u.a. “Ein Fisch namens Wanda”). Als Aufhänger für eine Story macht sich diese Info selbstverständlich gut – um die musikalischen Ambitionen der 22-jährigen New Yorkerin zu illustrieren, ist sie allerdings eher irrelevant. Zentraler dagegen dieser Fakt: Die Bandcamp-Besessene hat bereits 50 (!) Demo-Alben im Internet veröffentlicht – unter verschiedenen Namen wie Ingrid Superstar, Franklin Cosmos oder Frankie Cosmos. Letztere ist mittlerweile eine Band – und um die soll es hier gehen. Florian Kölsch traf Greta Kline bei einem Konzert ihrer Europatournee in Metz. Sie sprach mit ihm über das aktuelle Album “Next Thing”, übers Erwachsensein, das worldwideweb und noch so einiges mehr.
Ist das gerade eure erste Europa-Tournee?
Vor zwei Jahren waren wir zumindest schon mal in Deutschland. Wir spielten an so vielen Orten. Ich glaube, es waren insgesamt zwanzig verschiedene Städte – echt wild.
In den Songtexten auf „Next Thing“ sprichst du viel über Vergangenes. Hat dir dieser Prozess des Zurückblickens auf deine Zeit als Teenager geholfen, die Adoleszenz zu überwinden und erwachsen zu werden?
Ja, ich denke, dass „Next Thing“ mich dazu gebracht hat, viel über mein Leben nachzudenken. Ich fühlte mich erwachsener und erfahrener. Ich bin jetzt in meinen Zwanzigern und blicke zurück, es ergeben sich so ganz neue Perspektiven. Mit 22 darüber zu singen, wie es ist ein Teenager zu sein, das fühlt sich mittlerweile seltsam an.
Besonders wenn du den Song „I’m 20“ singst.
Ja, das ist wirklich lustig. Am Tag als das Album rauskam, habe ich den Song auf der Bühne angekündigt und sagte: „Ich hab diesen Song vor Jahren geschrieben – aber heute kommt er erst raus“.
Es ist wie bei Adele die ihr Album „25“ herausbrachte, als sie bereits 27 war.
Es ist ein wirklich langwieriger Prozess, ein Album rauszubringen. Daher macht es Sinn. Ich dachte auch an Taylor Swift: Sie hat diesen Song „22“. Sie hatte den Song sicherlich geschrieben, als sie bereits älter als 22 war.
Du hast über 50 Alben auf der Musik-Plattform Bandcamp veröffentlicht. Wann hast du dich dazu entschlossen, all deine Musik, dort verfügbar zu machen?
Ich habe es eigentlich nur für meine Freunde ins Internet gestellt, also war es kein bewusstes Kalkül, nur ein Weg, es irgendwo auszustellen. Ich hab es nicht sonderlich ernstgenommen. Ich denke, es ist typisch für meine Generation: Wir stellen einfach alles ohne Grund ins Internet.
Wann hast du festgestellt, dass dein Bandcamp-Profil populärer wurde?
Es gab ein Album, das ich auf Bandcamp stellte, welches dann jemand auf Facebook teilte. Und ich konnte dann parallel auf Bandcamp sehen, dass sich Leute es anhörten – das war überraschend und erschreckend zugleich.
Würdest du deine Veröffentlichungen auf Bandcamp tatsächlich als Alben bezeichnen? Oder eher als Demos und Ideen?
Selbst bezeichne ich sie sowohl als Demos wie auch als Alben. Viele sind aber letztlich nur sehr lose, unvollendete Ideen.
Vor der Veröffentlichung von „Zentropy“ hattest du nur eine kleine Fangemeinde auf Bandcamp, während du zur Veröffentlichung von „Next Thing“ bereits einen Namen als sehr geschätzte Musikerin in der Indie-Szene hattest. Wie haben sich deine Erwartungen von der Veröffentlichung von „Zentropy“ zu „Next Thing“ geändert?
Für mich hat sich viel verändert. Ich fing an, „Next Thing“ zu machen, und wusste, dass es Rezensionen dazu geben würde – ein Umstand, der mir während „Zentropy“ nicht bewusst war. Bei „Next Thing“ aber wussten wir, dass es auch auf Vinyl rauskommen würde, wir wussten, dass wir damit auf Tour gehen würden. Doch was soll man schon ändern? Ich habe mich bemüht, trotz des Wissens um die Verbreitung, weiter das zu machen, was ich mir gefällt. Ich dachte mir nicht: „Uuuhh, was wird Pitchfork über ‘Next Thing’ sagen?” Zum Glück!
Deine Lieder sind wirklich kurz – sie haben eine Durchschnittslänge von circa zwei Minuten. Ist das ein Konzept?
Ich schreibe den Song so lange, wie er sein muss. Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich mehr Zeit bräuchte, um die Message rüberzubringen, würde ich einen längeren Song machen. Einige der neueren Songs sind etwas länger – sie sind für das nächste Album, das wir machen werden. Es hängt auch vom Thema ab. Ich mag kurze Songs einfach, meine Aufmerksamkeitsspanne ist nicht allzu lang und ich habe kein großes Interesse an Wiederholungen. Deswegen mag ich es einfach, auf den Punkt zu kommen.
Einige deiner Songs erinnern mich an die Ramones. „If I had a dog“ beispielsweise kommt recht wütend daher. Wie viel Punk steckt in deiner Band?
Also ich würde das Stück auch als einen Punk-Song bezeichnen – zumindest teilweise. Sicherlich hätten manche Leute etwas dagegen, wenn ich Frankie Cosmos mit dem Genre „Punk“ in Verbindung bringe. Aber ich denke, dass ich einige Attitüden aus dem Punk übernommen habe – und die kommen in manchen Songs eben heraus.
Da wir gerade von Genres sprechen: In einem anderen Interview hast du erwähnt, dass das Konzept des Genres überholt sei, nachdem Kanye West auf seinem neuesten Album Arthur Russell gesamplet hat [Anmerkung: Russells Song „Answers Me“ wurde auf Wests „30 Hours“ gesamplet].
Ja, ich denke, dass Genres schon immer gewissermaßen irrelevant waren. Wir haben im Auto erst darüber gesprochen: Es gibt Leute, die sagen, dass sie ein komplettes Musikgenre mögen und ich denke, dass das eine viel zu vage Aussage ist. Ich mag Rock‘n‘Roll, aber ich mag deshalb doch nicht jede Rock ‘n‘-Roll-Band.
Als ich Leuten erzählte, dass ich auf ein Konzert von Frankie Cosmos gehen würde und sie mich dann danach fragten, was für eine Art von Musik ihr denn macht, konnte ich auch keine wirkliche Antwort in Form eines Genres geben.
Könnte ich auch nicht. Ich weiß nie, was ich sagen soll. Es scheint, als hätte nichts mehr ein Genre im Jahr 2016. Wir haben alle Zugang zu so vielen verschiedenen Arten von Musik und wir sind inspiriert von so vielen verschiedenen Dingen. Ich höre völlig andere Musik als meine Bandkollegen – und trotzdem sind wir in der Lage, zusammen etwas zu machen, das ein Bild ergibt.
Im Video zu dem Song “Art School” spielst du ein Mädchen, das offensichtlich etwas besessen von Justin Bieber ist, was man als ironischen Seitenhieb auf die Leute interpretieren könnte, die dich nicht ernst nehmen, weil du ja ein junges Mädchen in der Indie-Szene bist. War es die Intention mit solchen Klischees in dem Video zu spielen?
Ja, es war ein Teil der Idee. Ich habe bei dem Video nicht Regie geführt, daher kann ich dafür nicht die Lorbeeren einsacken, aber es gibt schon darum, etwas über Besessenheit und Ruhm zu machen. Das halte ich für ein interessantes Konzept und Justin Bieber ist einfach das Gesicht dieser Art von Fan-Sein. Apropos Videos: Da empfehle ich dir unbedingt mal nach „Frankie Cosmos Reptilian Proof“ zu suchen. Das ist ein Fake-Video, in dem kleine Hinweise aus dem „Art School“-Video aufgegriffen werden, die beweisen sollen, dass ich ein Reptil bin.
Bitte was?
Die Frau, die bei beiden Musikvideos Regie führte, ist einfach großartig. Sie greift auf, dass eine richtige Gruppe von Leuten besteht, die behauptet, Justin Bieber sei ein Reptil. Einfach urkomisch. Solche Dinge passieren einem also, wenn man berühmt ist. Daher wollte ich die Leute glauben machen, dass ich auch berühmt genug bin, so dass Leute auftauchen, die nun wiederum mich für ein Reptil halten.
Du hast zuvor erwähnt, dass du neue Songs für ein weiteres Album hast – hast du bereits begonnen, daran zu arbeiten?
Ja, wir sind halbwegs mit den Planungen durch. Ich hoffe, dass wir die Sachen innerhalb eines Jahres aufnehmen können.
Habt ihr schon einen Namen für das Album? Etwas wie „The Next Thing after Next Thing“?
Ich darüber nachgedacht, dass es wirklich lustig sein könnte, eine EP mit dem Titel „New EP“ herauszubringen und dann ein Album namens „Next Next Album“ zu machen. Aber das werde ich besser trotzdem nicht machen.
Eine letzte Frage noch: Hast du aktuell ein Lieblingsalbum?
Uh. Ich höre aktuell oft „Cherry Peel“ von Of Montreal. Wirklich toll!