90 Grad

“In Italien hat es klick gemacht” – Die Sauna im Interview

Dem Redaktör ist nichts zu schwör – oder anders gesagt: Es gibt doch nichts Schöneres, als sich in eine Band zu verknallen. Marc Wilde ist das passiert mit Die Sauna, dem deutschsprachigen Post-Wave-Act der Stunde. So reiste er nicht nur extra zur Release-Show des Albums “In die Nacht hinein” nach München sondern traf die hochinteressanten Dudes auch zu einem ausführlichen Interview. Das findet ihr nun hier.

Foto: Lukas Bögl

Ihr habt Euch in der Anfangszeit zunächst als Münchner Band präsentiert, kommt aber eigentlich aus Schliersee. Was verbindet Euch denn nun genau mit München?

MARTIN: Die meisten von uns haben hier studiert. Zu Gründungszeiten fühlten wir uns da schon zugehörig. Und dann war es halt auch einfacher zu sagen, wir sind eine Band aus München. Vielleicht wollten wir uns da zu Beginn auch ein bisschen größer machen. Aber mittlerweile sind wir davon abgekommen und sagen ehrlich, wo wir herkommen.

THOMAS: Das stand auch so ein bisschen im Zusammenhang mit unserer Namensdiskussion. Wenn man sich am Anfang Gedanken macht, wie präsentiert man sich als Band, dann ist man auch zunächst komplett naiv. Jedenfalls haben wir erst so gedacht, bayrisches Oberland, irgendwie schwierig zum Verkaufen, weil da denkt ja jeder gleich ans Bräustüberl am Tegernsee. Inzwischen ist uns das komplett egal. Und München als Stadt ist ja auch nicht unbedingt hipper als das Bräustüberl.

Wie muss ich mir denn Euer Bandleben am Schliersee vorstellen? Gibt es regelmäßige Termine, an denen Ihr probt?

MATTHIAS: Wir haben das schöne Privileg, dass wir da einen supergroßen Raum zur Verfügung haben. Eine ehemalige Grundschule, die komplett leer steht. Das ist unsere Basis und da kommen wir am Wochenende immer zusammen.

MARTIN: Und wir proben auch zu festen Tagen, Freitag und Sonntag. Also da sind wir – auch wenn wir darüber mit anderen Bands quatschen und das vergleichen – ziemlich diszipliniert. Aber wir treffen uns halt auch einfach gern.

Die Frage nach dem Bandnamen kann ich Euch leider nicht ersparen. Wobei ja der Grünungsmythos, dass ihr Euch einst in der Sauna der getroffen habt, um eine Band zu gründen, inzwischen als widerlegt gelten sollte, oder?

MARTIN: Also zumindest der Name ist schon so entstanden.

MATTHIAS: Obwohl uns ein oder zwei Jahre später aufgefallen ist, dass wir eigentlich davor schon auch einmal zusammen angeln waren, aber das wollten wir dann natürlich nicht so breit treten, weil…

… „Die Angler“ jetzt nicht so sexy klingt?

MATTHIAS: Ja, das kam dann nicht in Frage. Nun, genau genommen war es ja so … wollen wir es wirklich verraten, wo wir uns eigentlich kennengelernt haben?

MARTIN: …weil das ist schon auch ein bisschen intim.

Intimer als Sauna? Okay, ich will Euch zu nichts drängen. Lassen wir das mal so stehen.

MARTIN: Ja, wir möchten den Mythos auch gerne erhalten. Wir stehen nach wie vor zu dieser Geschichte.

Bleiben wir bei der Historie: Die EP „Elektra“ 2017 war Eure erste Veröffentlichung, die Ihr zunächst noch ohne Label rausgebracht habt. Wie ist es in der Folge dazu gekommen, dass das Hamburger Label Buback auf Euch aufmerksam geworden ist. Das liegt ja nicht gerade nahe, also rein geographisch jetzt.

MARTIN: Das kam so: Wir haben damals auf dem Nürnberg Pop Festival gespielt und da war auch jemand vom Label. Und die fanden das anscheinend gar nicht so schlecht. So sind wir erst einmal ins Booking von Buback gekommen. Und als die mitbekommen haben, dass wir an einem Album schreiben, kam eines zum anderen.

Wie ist das mit dem ersten Album konkret gelaufen? Ging es dann nur noch rein um den Vertrieb oder war das Label auch am musikalischen Produktionsprozess beteiligt? Wie eng ist da Euer Austausch?

THOMAS: Also bei unserem Debut waren wir in der Produktion tatsächlich schon so weit fortgeschritten, dass da gar nicht mehr so viel Raum für Feedback blieb. Wir haben aber auch beim jetzigen Album gemerkt, dass das so gar nicht deren Ding ist. Also die lassen uns machen.

MARTIN: Zuletzt war die Zusammenarbeit schon enger, vor allem mit Blick auf die Veröffentlichung des Albums. Ins Songwriting greift das Label aber nicht ein. Es wird lediglich ein bisschen darüber diskutiert, was veröffentlicht man für Singles.

MATTHIAS: Großen Einfluss haben sie da aber witzigerweise auch nicht genommen.

MARTIN: Stimmt, da waren wir jetzt nicht sehr kompromissbereit.

MATTHIAS: Aber man muss auch sagen, dass sich unsere Vorstellungen sehr gut gedeckt haben. Unsere Favoriten waren eigentlich auch die vom Label, größtenteils jedenfalls.

Dann lasst uns doch mal über die Singles vom neuen Album sprechen, weil ich die Auswahl schon überraschend fand. Ich muss auch gestehen, dass mich „Italien“ erst einmal etwas überfordert hat. Da habe ich schon so ein bisschen den Songcharakter vermisst. Und mit der zweiten Single „Hundeleben“ ging es mir ehrlich gesagt nicht viel anders. Was also hat Euch dazu gebracht, ausgerechnet diese beiden Songs herauszugreifen?

MARTIN: Also man muss schon sagen, dass „Italien“ schon eher so ein bisschen auf unserem Mist gewachsen ist.

MATTHIAS: Deswegen haben wir uns auch darauf geeinigt, dass wir drei Singles auskoppeln. Mit „Italien“ wollten wir erst einmal wieder ein Lebenszeichen von uns geben, nachdem wir so lange nichts mehr von uns hatten hören lassen. Und dann, was „Hundeleben“ anbelangt, da lässt sich natürlich darüber streiten, ob der Song Single-Charakter hat oder nicht. Für uns ist da aber so viel passiert mit der Entwicklung des Songs, dass der auf einmal so eine ganz spezielle Macht für uns bekommen hat. Und deswegen musste der auch als Single kommen, eigentlich ganz klar.

THOMAS: Man muss ja auch dazu sagen, dass wir uns vorher schon Meinungen eingeholt und das Album hier und da rumgeschickt haben. Aber das Feedback war voll für die Katz, weil das teilweise komplett gegenläufig war. Und komischerweise war nur „Hundeleben“, den wir vorher selbst gar nicht so auf dem Zettel hatten, derjenige, auf den sich irgendwie alle einigen konnten.

Ihr habt einen Teil des Albums in Italien aufgenommen, wart davor aber auch zusammen in Tschechien. Steckt da ein Prinzip dahinter, also dass Ihr erst wegfahren müsst, um Abstand zu gewinnen und einen Ort zu finden, der Euch neue Impulse gibt?

THOMAS: Eigentlich nicht. In Italien waren wir nur für die gleichnamige Single. Und die restlichen Songs, die haben wir tatsächlich alle bei uns im Proberaum in der Schule aufgenommen, im Keller. Die Sache mit Tschechien, das war auch eher so ein Experiment von uns, um zu schauen, wie das klappt, wenn wir längere Zeit am Stück irgendwohin fahren, um zu arbeiten. Das ging aber ziemlich in die Hosen. Also die ersten vier, fünf Tage lief es gut und dann hat irgendwie keiner mehr so richtig Bock gehabt. Wir waren auch komplett im Nirgendwo, da war nur Wald. Sonst nichts. Und wir haben gemerkt, dass wir nicht so diese Art von Band sind, die in aller Abgeschiedenheit konzentriert an Songs schreibt.

Also lieber Keller statt Wald?

THOMAS: Leider wahr, ja. Das passt aber vielleicht auch ganz gut zu unserem Schliersee-Spirit. Als wir die Demos fertig hatten, haben wir uns erst nach einem Produzenten umgeschaut und dann überlegt, in welches Studio wir gehen sollten: Berlin, Köln wo auch immer, Hauptsache Studio. Und da hat unser Produzent, Olaf Opal, dann so gemeint, hey, warum machen wir es nicht einfach bei Euch in der Schule, im Keller. Wir haben uns dann zwei Wochen da unten reingestellt, bei gefühlten 5 Grad, und dieses Album aufgenommen. Und das hat sich dann im Nachhinein als absoluter Glücksfall erwiesen, weil erstens spart man natürlich Geld. Und zweitens hatten wir dadurch einen viel persönlicheren Bezug zur Aufnahmesituation, auch wenn die sehr speziell war. Wir haben in einem Raum mit Duschen und einem Heizungskeller aufgenommen, beide separiert voneinander. Aber das war zwei Stockwerke unter unserem Proberaum und so konnten wir uns ganz gut von diesem Studio-Ding lösen und den Fokus voll auf die Songs und aufs Zusammenspielen legen.

Dennoch hat aber auch Italien eine besondere Rolle für Euch gespielt. Das Video ist dort entstanden und den Song habt Ihr dort auch mit Eurem Produzenten aufgenommen, richtig?

MARTIN: Ja, den haben wir dort sogar erst kennen gelernt.

Ja, das habe ich natürlich auch gelesen, klingt für mich aber jetzt auch wieder so ein bisschen wie die Sache mit der Sauna. Also: Ihr wart in einem Restaurant in einem kleinen Dorf in der Toskana und rein zufällig…

(allgemeines Gelächter)

… sitzt da der Olaf nebenan am Nachbartisch … Aber wahrscheinlich hat es sich genau so zugetragen, stimmt’s?

MARTIN: Ja, wir können ja nicht jedem eine andere Geschichte erzählen.

THOMAS: Der Aufenthalt war aber voll wichtig. Den Italien-Song haben wir schon relativ lang mit uns herumgeschleppt, der ist tatsächlich schon vor Corona entstanden und hat zunächst auch ganz anders geklungen. Das Stück war eigentlich unser Sorgenkind und wir haben dann auch gemerkt, dass wir da gar nicht so analytisch drangehen können: so wir brauchen jetzt hier den Refrain und danach noch das Outro. In Italien hat es dann „Klick“ gemacht. Wir sind das viel reduzierter angegangen, haben den Song zweimal eingespielt und das war‘s. Ob das jetzt die bessere Aufnahme ist, wissen wir zwar nicht, aber das ist aus dem Moment heraus entstanden und hat sich irgendwie richtig angefühlt.

Foto: Anil Coskun

Sagt mal: Was ist das eigentlich für ein Italien-Hype in diesem Jahr? Eric Pfeil landet mit „Azzurro“, ein Buch über die weite Welt des Italo-Pop, einen Bestseller. Ich kenne nur Leute, die im Sommer im Italien-Urlaub waren, mich selbst eingeschlossen. Was hat Euch denn nach Italien geführt, allein die geographische Nähe?

MATTHIAS: Ja das ist schon auch der Grund. Den Italien-Hype gibt es bei uns in Bayern ja gefühlt schon immer, weil du bist gleich über den Brenner drüber, schnell am Gardasee und dann auch nicht viel länger unterwegs bis du in der Toskana landest und am Meer sitzt. Und genau das war auch der Anlass, diesen Song zu schreiben und zu hinterfragen, ob dem Land Italien das eigentlich auch so gefällt. Das einfach mal etwas aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, und sich einzugestehen, dass man sich vielleicht auch ein bisschen dafür schämt, ein Deutscher zu sein, der nach Italien fährt.

Ich habe das ja etwas anders verstanden…

MATTHIAS: Okay, interessant, wie interpretierst Du das denn?

Also, ich finde ja, dass sich durch das ganze Album so eine melancholische Grundstimmung zieht. Die nehme ich schon im Opener („Allen geht es gut“) wahr, wo es in den einzigen beiden gesungenen Zeilen um den Sehnsuchtsort „Meer“ geht, der aber (noch) fern ist. Und nachdem ich dann die ganzen Texte gehört hatte, habe ich den Titel des ersten Stücks in Gedanken ergänzt mit: „…aber mir geht es schlecht.“ Und in diesem Licht sehe ich auch „Italien“. Das Meer ist vorhanden, die Sonne scheint, und eigentlich müsste es einem gut gehen. Ist aber nicht so und dafür schämt man sich dann. Vielleicht ist das aber auch alles zu weit hergeholt…

MATTHIAS: Das ist aber ja durchaus auch eine Facette von diesem Aspekt zu sagen, „wieso brauche ich einen anderen Ort?“ Ich schäme mich dafür, dass es mir nur woanders gut gehen kann.

Aber könnt Ihr mit dieser Interpretation insgesamt etwas anfangen, wenn ich sage, dass sich so ein trauriger Unterton durch das Album zieht, also in textlicher Hinsicht?

THOMAS: Dieses Sehnsuchtsvolle ist schon ein tragendes Element, aber wir wollten auch etwas Optimistisches ausstrahlen. In den Corona-Zeiten, als wir die Songs geschrieben haben, befanden wir uns ja alle eher so auf der Schwelle zur Depression. Trotzdem wollten wir auch eine hoffnungsfrohe Stimmung transportieren. Wahrscheinlich hat aber auch intern jeder bei uns eine andere Meinung dazu. Also es ist auch nicht so, dass wir uns beim Songwriting hinhocken und in der Band ein Thema komplett ausdiskutieren. Und es ist uns auch wichtig, dass die Texte mehrdeutig bleiben, auch damit die Leute die Chance haben, sich ihr eigenes Konstrukt zu bauen.

MARTIN: Ich glaube, bei uns ist jeder Song mit einer gewissen Aufarbeitung verbunden. Am ehesten kann das aber der Matthias sagen, weil der bei uns die Texte schreibt. Und wir wissen, dass sich hinter seinen Worten immer auch eine tiefere Bedeutung verbirgt. Verlassen-werden, Sehnsucht und so weiter, also was Du sagst, das trifft es eigentlich ziemlich gut, aber es gibt halt auch immer mehrere Ebenen in den Texten.

Foto: Marc Wilde

Standardfrage: was kommt zuerst, Musik oder Texte? Hast Du Sachen in der Schublade, Matthias, und bringst die dann mit oder entstehen die Texte eher spontan unter dem Eindruck der Musik? Gibt es da ein einheitliches Vorgehen oder ist das von Song zu Song unterschiedlich?

MATTHIAS: Es gibt keine klare Linie, wie wir das standardmäßig angehen. Meist ist es so, dass so ein musikalisches Gefühl entsteht und daraufhin der Text, der sich aber irgendwie schon in einer Gedankenblase befunden hat und sich dann in die Musik hineinbettet. Also das ist etwas, das eigentlich schon länger da war, im Endeffekt aber im Moment entsteht.

MARTIN: Grundsätzlich musst Du Dir das so vorstellen: Wir treffen uns, machen das Licht aus und spielen uns in einen Song hinein. Das heißt, irgendjemand fängt an, einen Akkord stehen zu lassen und dann entwickelt sich das. Und es ist bei uns auch nicht so, dass Instrumentals und Text irgendwie getrennt wären. Matthias ist als Sänger immer dabei und versucht sich in den Sound hineinzufühlen. So entsteht dann auch der ein oder andere Text – gefühlt währenddessen.

Ich würde gern noch über Eure musikalische Entwicklung sprechen, weil ich die Alben sehr unterschiedlich wahrnehme. „Elektra“, die EP, hatte noch einen sehr rockigen Einschlag, das letzte Album dann einen anderen Sound: Es klingen mehr Wave-Elemente durch und die Gitarren hören sich auch nicht mehr so clean nach Indie-Rock an. Und bei dem jetzigen Album finde ich, dass Ihr Euch teilweise komplett von Songstrukturen gelöst habt. Der Gesang hat sich auch deutlich verändert, die Stimme ist sehr viel präsenter, und bei einigen Songs fühle ich mich mit dem Sprechgesang an DAF erinnert. Könnt ihr diesen Genre-Dreiklang in der Entwicklung – Garagen-Rock, New Wave, 80-er/NDW – nachvollziehen?

MARTIN: Ja, das trifft es ziemlich gut.

MATTHIAS: Das finde ich auch. Zur EP muss man sagen: Da haben wir noch keinen Dunst gehabt, wie wir das aufnahmetechnisch angehen sollten. Wir hatten vier Songs, sind mit denen ganz plump zu einem Münchener Studio hin und haben gesagt, wir wollen uns bitte anhören wie Pete Doherty oder so. Bei der ersten LP hatten wir schon sehr viel mehr die Möglichkeiten ausgecheckt, mit dem Effekt, dass das aber alles ziemlich überladen war, teilweise über 50 Spuren. Und jetzt beim aktuellen Album war schon ganz klar unsere Maßgabe, dass wir den Song in den Mittelpunkt rücken wollten. Der Song ist das, was die Musik macht und nicht das Studio. Oder nicht die produktionstechnische Umsetzung. Und dann war es sicherlich auch so, dass wir versucht haben, das Ganze noch einmal aufzubrechen, das ist wahrscheinlich auch das, was Du mit losgelösten Strukturen meinst.

Sauna-Release-Party, Foto: Marc Wilde

Das Album wirkt auf mich sehr durchdacht: Es gibt die Rahmung durch den ersten und den letzten Song, wo die Zeilen „Wann ist der Traum vorbei / Ich will zurück ans Meer“ die Klammer bilden. Und es gibt weitere wiederkehrende Motive wie die Nacht oder die Dunkelheit. Seid Ihr da einem Konzept gefolgt?

THOMAS: Man schaut ja immer auf das gesamte Album und überlegt dann schon währenddessen, wo platziert man Songs, was kann man vielleicht noch als Gegengewicht zu dem und dem Song machen und welches Stück setzen wir an den Schluss. Ich glaube, dieses Album fühlt sich eher so wie aus einem Guss an. Bei unserem letzten, da war es viel einfacher zu sagen, was sind die Singles, was sind die Füller. „In die Nacht hinein“ kann man daher sicherlich sehr gut an einem Stück hören. Das ist weniger ein Single-Album.

Auffällig ist ja auch der Titelsong, der zwei Parts hat. Das verbindende Element ist mir allerdings bisher verborgen geblieben, ich finde es jedenfalls weder textlich noch musikalisch sofort offensichtlich.

MATTHIAS: Das ist eigentlich der Satz: „Im Traum stehen wir uns nah und gehen in die Nacht hinein.“ Das ist so die Verbindung. Und es gibt auch so die Melodie, die in beiden Songs auftaucht. Das finde ich auch ziemlich genial, wie sich diese eine Melodie und dieser eine Satz mit zwei verschiedenen musikalischen Unterlagen so schön ineinanderfügen. Das war so ein richtiger Wow-Moment. Wenn sich der Hintergrund verändert und das Präsente aber irgendwo ähnlich bleibt, das hat für mich immer einen sehr starken Ausdruck. Dieser Wandel passiert hier zwar nicht innerhalb eines Stücks, sondern vollzieht sich über zwei Songs, aber das ist auch ein schönes Stilmittel für genau diesen Satz und für genau diese Album-Idee.

THOMAS: Wir haben uns da auch schon so Gedanken darüber gemacht und gesagt, wenn wir jetzt definitiv zwei Songs haben, die mit „In die Nacht hinein“ betitelt sind, dann nennen wir auch das Album so. Und auch wenn die Songs bis auf diese eine Zeile vielleicht nicht viel miteinander gemein haben, ist es so, dass hier auf verschiedene Weise der gleiche Zustand beschrieben wird: Der eine Song ist eher melancholisch, der andere geht mehr nach vorne. Und genau das wollten wir auch, also eben nicht in einer schwermütigen Stimmung zu verharren, sondern auf etwas Positives verweisen. Die Dunkelheit hat ja auch etwas Schönes, so wie bei uns heute: Wir gehen in die Nacht hinein und haben Spaß.

Lasst uns zum Schluss noch einmal über Konzerte sprechen: Wie wichtig ist für Euch das Live-Erlebnis und dass Ihr die Songs auf die Bühne bringen könnt?

THOMAS: Sehr wichtig. Ich glaube, wir sind jetzt auch ein bisschen nervös vor den nächsten Auftritten, weil wir Corona bedingt zuletzt nicht so viel haben spielen können und wir nun auch schauen müssen, wie wir die neuen Songs integrieren. Die haben ja einen etwas anderen Groove im Vergleich zum letzten Album, wo die Songs etwas mehr Tempo hatten und vielleicht auch live mit mehr Power rüberkommen. Aber grundsätzlich haben wir wieder voll Lust, uns live zu präsentieren und direktes Feedback zu bekommen. Das ist ja schon anders als beim Song-Release, wo man jetzt nicht sofort weiß, ob es den Leuten gefällt oder nicht. Von Likes mal abgesehen.

Beschäftigt Euch eigentlich die Frage des Erfolgs, also was man tun kann, damit mehr Leute Eure Musik hören oder wie Ihr es zum Beispiel anstellen könnt, mehr Streams zu bekommen?

MATTHIAS: Also ich glaube, „etwas tun, damit mehr Leute unsere Musik hören“, das ist einfach damit getan, dass man gute Musik macht. Das ist unser Anspruch. Es liegt auch, glaube ich, bei keinem von uns der Fokus darauf, das hauptberuflich zu machen, auch wenn jetzt keiner traurig wäre, wenn es anders käme. Aus meiner Perspektive ist es einfach genial, Musik machen zu können, ohne diesen Druck zu haben, liefern zu müssen. Ich glaube auch, dass die Qualität sonst darunter leiden würde.

THOMAS: Das hört sich jetzt ein bisschen abgedroschen an, aber es ist tatsächlich so, dass wir die Musik in erster Linie für uns selbst machen – das ist ein bisschen so wie eine Selbsttherapie. Und zum Glück gibt es ein paar Leute, die das hören wollen. Und auch ein Label, das uns dabei unterstützt, dass wir das Ganze so machen können, wie es uns gefällt. Allein das ist schon sehr wertschätzend. Die Frage der Single-Auswahl ist das beste Beispiel: Wir müssen uns jetzt nicht irgendeinem Spotify-Algorithmus oder dergleichen unterordnen. Und wenn wir dann noch die Möglichkeit erhalten, mit unserer Musik auf Tour zu gehen und eine direkte Reaktion bekommen oder auch ein Interview zu machen, dann ist das alles on top. Am wichtigsten bleibt es aber für uns, dass wir weiter zusammen Musik machen können, dass jeder nach wie vor die Zeit und die Lust dazu hat und wir uns einfach weiterhin am Wochenende in Schliersee in unserem Proberaum treffen können.

Danke Euch sehr für das schöne Gespräch, hier „bei Euch“ in München. Es ist inzwischen dunkel, lasst uns noch ein bisschen die Nacht feiern. Will noch jemand Bier?

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Das Gespräch führte Marc Wilde (München, Café Kosmos, 10.10.2022)

Foto: Anil Coskun

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